Am Freitag, 26. Oktober, hat in Longyearbyen offiziell die Polarnacht begonnen: Bis zum 15. Februar wird die Sonne unter dem Horizont bleiben. Wegen der umstehenden Berge wird die Sonne vom Ort aus erst wieder ab 08. März zu sehen sein.
Traditionell geht mit dem Beginn der Polarnacht das „Dark Season Blues Festival“ mit lokalen, norwegischen und internationalen Bluesbands einher: Von Freitag bis Sonntag gibt es in Longyearbyens Kneipen gute, handgemachte Musik.
Und was hat der Spitzbergen-Sommer gebracht? Negativ-Schlagzeilen machten vor allem der tödliche Unfall am Esmarkbreen (siehe August-Nachrichten, weitere Details sind weiterhin noch nicht öffentlich) sowie der Verlust einer privaten Segelyacht (siehe September-Nachrichten), der glücklicherweise nur zu materiellen Schäden führte. Der Sommer war darüber hinaus weitgehend geprägt von auffällig warmen Wassertemperaturen in Spitzbergens Fjorden und um die Küsten herum. Folgen davon war die extreme Eissituation – war das Treibeis schon jemals so weit weg von Spitzbergen wie im Sommer 2012? – und möglicherweise auch das insgesamt recht graue Wetter dieses Sommers.
Und wenn ein kausaler Zusammenhang auch bislang spekulativ ist: Dass es diesen Sommer deutlich mehr Buckelwale in den ganz hohen Norden gezogen hat als sonst, darf ohne Risiko öffentlich festgestellt werden, bevor die Wissenschaftler dies offiziell tun. Über weite Strecken des Sommers hinweg wurden regelmäßig Buckelwale gesehen, mitunter mehrere Dutzend und vor allem im Nordosten und Osten (Hinlopenstraße, Olgastraße). Die spektakulärste Walbeobachtung war wohl die mehrfache Sichtung eines vollständig weißen Buckelwals um Mitte August im Bereich der südlichen Hinlopenstraße. Weiße Buckelwale sind der Wissenschaft nicht ganz unbekannt, aber weltweit extrem selten. Ob es sich um eine Pigmentstörung handelt oder um ein echtes Albino, ist unklar.
Sehenswerte Bilder dieses seltenen Tiers gelangen Dan Fisher, Steuermann und Maschinist auf der Antigua. Hier klicken für eine etwas größere Version des untenstehenden Bildes.
Die Sommersaison ist in Spitzbergen für dieses Jahr endgültig vorbei: Mit den Segelschiffen SV Antigua und SV Noorderlicht haben vor wenigen Tagen die letzten mit Touristen fahrenden Schiffe Spitzbergen verlassen. Die Noorderlicht fährt nun Richtung Lofoten und die Antigua ist zum Heimathafen Franeker in den Niederlanden unterwegs. Alle anderen Schiffe sind bereits seit Mitte/Ende August oder spätestens seit September weg.
Die Noorderlicht hat somit dieses Jahr ihre Spitzbergen-Saison vergleichsweise früh beendet: Sonst fuhr sie bis Ende Oktober oder gar in die ersten Novembertage hinein, also in der beginnenden Polarnacht.
Antigua und Noorderlicht nebeneinander im Hafen von Longyearbyen am 21. September.
Vandalismus ist in Spitzbergen ein ziemlich seltenes Phänomen. Ende September wurde allerdings die „Winkelstation“ im Eingang zum Endalen beschädigt und beschmiert. Die Winkelstation war früher Teil der Seilbahnen, mit denen die Kohle von den Bergwerken zum Hafen transportiert wurde, sie liegt nahe der Straße wenige Kilometer östlich von Longyearbyen. Sie ist schon lange außer Betrieb, steht aber als Kulturdenkmal unter Schutz, wurde vor 2 Jahren saniert und mit einer nicht unumstrittenen und nicht ordentlich funktionierenden Beleuchtungsanlage versehen. Nun wurden neu eingebaute Fensterscheiben eingeworfen und unanständige Graffiti hinterlassen. Der Sysselmannen ermittelt, eine Spur gibt es bislang nicht.
Winkelstation und Kohleseilbahn am Eingang zum Endalen.
Laut neuester Statistik sind die Besucherzahlen in Spitzbergen seit 5-6 Jahren weitgehend konstant, teilweise sogar rückläufig. Die Anzahl der Übernachtungen schwankt in diesem Zeitraum zwischen 83000 und 89000. 2007 wurde für große Kreuzfahrtschiffe ein Besucherrekord von 33000 Passagieren gemeldet, hier gingen die Zahlen konstant bis auf 24000 (2011) zurück. Leicht zugenommen hat hingegen die Zahl der Passagiere auf kleinen Kreuzfahrtschiffen, sogenannten Expeditionskreuzfahrtschiffen.
Ebenfalls deutlich rückläufig sind die Zahlen der Individualtouristen, die Spitzbergen auf eigene Faust besuchen. Zwischen 1997 und 2011 haben jedes Jahr zwischen 400 und 750 Personen Spitzbergen eigenständig außerhalb des Verwaltungsgebietes 10 (meldefreies Gebiet in näherer Umgebung der Siedlungen) bereist, ohne dass ein Trend erkennbar ist.
Der Motorschlittentourismus ist quantitativ weitgehend stabil. Nichtmotorisierter Wintertourismus (Skitouren, Hundeschlitten) ist rückläufig, unter anderem da mehrere der darauf spezialisierten Veranstalter ihre Aktivitäten reduziert oder eingestellt haben.
Touristen am Alkhornet (Trygghamna, Isfjord).
Das Arktische Zentrum der Universität Groningen (Niederlande) plant Ende Juli/Anfang August 2014 eine 10-tägige Expedition zur Edgeøya im Osten von Spitzbergen für Wissenschaftler, Künster, Polarbegeisterte und Sponsoren mit dem Schiff MV Ortelius. Hinter der Organisation stehen namhafte Wissenschaftler wie Maarten Loonen („Mister Weißwangengans“) vom Arktischen Zentrum in Groningen, Leiter der niederländischen Forschungsstation in Ny Ålesund.
Für die Expedition gibt es historische Vorbilder: 1968-69 forschten niederländische Biologen für ein Jahr am Kapp Lee im Nordwesten der Edgeøya.
Wer sich für die Projekte, die Teilnahme oder ein eventuelles Sponsoring interessiert, kann direkt mit dem Projekt Kontakt aufnehmen.
Kapp Lee auf der Edgeøya. Hier überwinterten bereits 1968-69 niederländische Biologen.
Eine Beobachtung einer Eisbärenmutter mit Jungtier Ende September am Nordenskjöldbreen, gegenüber von Pyramiden, verlief anders als geplant. Die Tiere waren über den Sommer immer wieder gesichtet worden und hatten sich Schiffen gegenüber neutral bis neugierig verhalten. Am 28. September nahmen sie jedoch schnell Reißaus.
Einen Tag später konnte in Longyearbyen des Rätsels Lösung in Erfahrung gebracht werden: Forscher hatten gemeint, von den Tieren Proben nehmen zu müssen, und sie zu diesem Zweck kilometerweit mit dem Hubschrauber durch die angrenzende Petuniabukta gescheucht. Die Verfolgungsjagd wurde von tschechischen Forschern beobachtet.
Auf der Flucht: Eisbärenkleinfamilie auf dem Nordenskjöldbreen. Im Galopp ging es diese steile, schneebedeckte Eiswand hoch. Beide sind in sehr gutem Ernährungszustand.
Am 27. Juni war eine Touristengruppe zu Besuch bei Walrossen in der Hinlopenstraße, als sich plötzlich ein Dornier-228-Kleinflugzeug näherte und mehrfach im Tiefflug über Schiff, Besucher und Walrosse flog, was sowohl unter Menschen als auch bei Tieren zu erheblichen Irritationen führte. Die Walrossherde zeigte Anzeichen von Panik, einige Tiere flohen ins Wasser.
Das Flugzeug war im Auftrag der Küstenwache unterwegs, die alle Touristenschiffe anfliegen und über Funk kontaktieren sollte, um Angaben über die Anzahl der Besatzungsmitglieder und Passagiere zu erhalten (Informationen, die dem Sysselmannen aus den allen Fahrten vorausgehenden Anträgen ohnehin vorliegen). Der Sysselmannen war ebenfalls mit einem Beamten in dem Flugzeug vertreten.
Jeglicher Verkehr in Spitzbergen soll laut geltendem Gesetz so vor sich gehen, dass „Mensch und Tier nicht unnotwendig gestört werden“. Luftfahrzeuge müssen von bekannten Walrossliegeplätzen (wozu die betreffende Stelle ohne jeden Zweifel gehört) einen Mindestabstand von 6000 Fuß (1800 Meter) einhalten. Im betreffenden Fall wurde nicht einmal ein Bruchteil dieses Abstandes eingehalten.
Die Kontrolle des touristischen Verkehrs in Spitzbergen obliegt eigentlich dem Sysselmannen und nicht der Küstenwache. Warum letztere in diesem Fall den Auftrag übernahm, ist nicht bekannt. Schiffe und Touristengruppen wurden während des Fluges fotografiert, auch hier gibt es keine Informationen zu den Hintergründen.
Laut Sysselmannen wurde der geltende Mindestabstand möglicherweise „vergessen“. Über eine interne Erinnerung hinaus hat der Vorfall für die Beteiligten keine Konsequenzen.