Zunächst schien es nur der Lauf der Natur gewesen zu sein, als Einwohner aus Longyearbyen in der Petuniabukta, in der Nähe von Pyramiden, am 7. April einen toten Eisbären fanden. Bald darauf zeigte sich aber, dass das Tier kurz zuvor, am 4. April, von Wissenschaftlern des Norwegischen Polarinstituts zu Forschungszwecken betäubt worden war. Daraufhin holten Mitarbeiter des Sysselmannen den toten Eisbären aus der Petuniabukta zur Obduktion nach Longyearbyen.
Entgegen lokalen Gerüchten war keine äußere Todesursache erkennbar, etwa Verletzungen durch einen anderen Eisbären, was für einen durch Betäubung wehrlosen Eisbären eine reelle Gefahr darstellt. Die Todesursache ist somit weiterhin unklar, Gewebeproben werden derzeit untersucht. Bis Ergebnisse vorliegen, können noch Wochen vergehen.
Dass die Vollnarkose zu wissenschaftlichen Zwecken Nebenwirkungen bis hin zum Tod des Tieres haben kann, ist bekannt. Nach Abschluss der Untersuchungen werden die Eisbären nicht bis zum Aufwachen überwacht, so dass ein anderer Eisbär den wehrlosen Tieren gefährlich werden kann. Auch kann eine Lageänderung zum Erstickungstod führen. Ein solcher Fall kam, soweit bekannt, im September 2013 letztmalig vor, als ein auf der Edgeøya betäubter Eisbär kurze Zeit später tot aufgefunden wurde. Untersuchungen ergaben, dass der Bär infolge einer Lageänderung im noch betäubten Zustand erstickt war (siehe Spitzbergen.de-Nachrichten vom Oktober 2013, Eisbär tot auf Edgeøya nach wissenschaftlicher Betäubung). Die betäubten Bären werden in einer Art stabilen Seitenlage zurückgelassen.
Die Betäubung, die mit einer Verfolgung mit dem Hubschrauber einhergeht, ist für Eisbären ein massiver Stress mit möglicherweise gefährlichen Nebenwirkungen. Zu Verwaltungszwecken werden die Daten nicht benötigt: In Spitzbergen, wie auch in der benachbarten russischen Arktis, sind Eisbären komplett geschützt. Da es keine Jagd gibt, sind auch keine Populationsdaten etwa zur Berechnung einer biologisch tragfähigen Jagdquote erforderlich, um den Bestand zu schützen. Bedrohungen für den Bestand wie der Klimawandel und Belastung mit langlebigen Umweltgiften sind ohnehin nicht national, sondern nur international zu lösen.
Im Spätsommer 2012 wurde eine Eisbärenfamilie mit zwei kleinen (einjährigen) Eisbären im Billefjord betäubt. Die dreiköpfige Familie wies anschließend zumindest für eine Weile deutliche Verhaltensänderungen auf, ein Zeichen dafür, wie massiv der Stress der Verfolgung und Betäubung ist (siehe Spitzbergen.de-Nachrichten vom Oktober 2012: Im Tiefflug hinter Eisbären her: im Namen der Forschung). Möglicherweise ist der nun tot aufgefundene Eisbär, ein knapp 1,5 Jahre altes Weibchen, eines der beiden Jungtiere der Familie von 2012.
Nicht immer der natürliche Lauf der Dinge: toter Eisbär (Archivbild, Kvitøya).