Während wir Meilen Richtung Norden machen, ziehen die südlichen Vesterålen an uns vorbei. Schöne Landschaften, Seeadler, und sogar Schwertwale lassen den sehr angenehm und abwechslungsreich vergehen.
Schon klar, wir sind nicht die ersten Touristen hier in der Gegend. Kaiser Wilhelm II. war schon 1889 in der Gegend. Hätte er mal mehr Zeit mit seinen Norwegen-Urlauben verbracht und weniger mit Politik, wer weiß, was der Welt alles erspart geblieben wäre.
Bei allem beruflichen Stress, den KW II. schlechterdings und selbstverschuldeterweise so hatte, hat er es dennoch erstaunlich oft nach Norwegen geschafft. Und zweimal war er in Digermulen, einem kleinen Nest – etwa 300 Einwohner – am südlichen Eingang des Raftsund. Das ist die Wasserstraße, die Austvågøya (Lofoten) und Hinnøya (Vesterålen) voneinander trennt.
Hinter Digermulen steht ein Berg, der Digerkollen. Der ist gar nicht so diger, also groß, sondern mit 384 m Höhe sogar recht überschaubar. Das hat schon Willi mit seiner kaiserlichen Entourage geschafft, das schaffen wir auch. Immerhin muss nach uns keiner Granitplatten dort hochschleppen, die später noch von unserem Besuch zeugen, ein Eintrag ins Gipfelbuch reicht uns völlig aus.
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Der Weg nach oben, ober Stock, Stein und schließlich ein paar Flächen aus nassschwerem Schnee, dauert gut 1 ½ Stunden, wobei wir gefühlt alle Jahreszeiten erleben, von einem frühlingshaften Regenschauer über sommerliche Sonne zu einem winterlichem Schneeschauer bis hin zu herbstlichem Wechsel zwischen Wolken und Sonne. Freundlicherweise schlägt das Pendel zur richtigen Zeit auf die Sonnenseite aus, so dass der Blick über Raftsund, Hinnøya, Austvågøya und eine ganze Reihe kleinerer Insel in voller Pracht vor uns liegt. Ein wahrhaft kaiserliches Panorama!
Trotz Tauwetterphasen im April hat die nun zu Ende gehende Wintersaison in Spitzbergen noch lange durchgehalten. Ab Ende April hat sich das Wetter mit Minusgraden und wenig Wind weitgehend stabilisiert und somit noch viele schöne Tourentage gebracht, bis über den 17. Mai (norwegischer Nationalfeiertag) hinweg.
Das Frühjahr hat dem inneren Isfjord einige Bewohner gebracht: Im Billefjord und Tempelfjord halten sich zwei Eisbärenfamilien mit diesjährigen Jungen auf, eine der beiden Mütter hat sogar Drillinge, eine große Seltenheit. Dieser sehr erfreuliche Umstand führte zu Kontroversen bezüglich des Motorschlittenverkehrs in diesen häufig befahrenen Fjorden. Mehrfach rief der Sysselmannen dazu auf, Verkehr dort auf ein Minimum zu beschränken. Dennoch wurden mehrfach kleine Gruppen beobachtet, die sich zu lange und / oder zu nahe bei den Eisbären aufhielten.
Erfahrungen beispielsweise von 2013 zeigen, dass Motorschlittenverkehr auch für Eisbärenfamilien mit jungem Nachwuchs nicht unbedingt nachteilig sein muss. In diesem Frühjahr hielt sich eine Eisbärenfamilie im Tempelfjord auf, wo es gleichzeitig viel und häufig Motorschlittenverkehr gab. Respektvolles Verhalten der Besuchergruppen trug dazu bei, dass die Eisbären sich augenscheinlich nicht durch den Verkehr gestört fühlten. Im Gegenteil war ihnen regelmäßig Jagderfolg beschieden und die Familie konnte trotz hoher Besucherfrequenz zunächst unter guten Bedingungen leben und aufwachsen.
Allerdings sind mittlerweile mit großer Wahrscheinlichkeit beide Jungbären von 2013 tot. Einer starb im Billefjord, kurz nachdem er von Wissenschaftlern betäubt worden war. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Tod des Bären und der Betäubung wurde nicht nachgewiesen, liegt aber nahe.
Der wahrscheinlich zweite Jungbär aus dieser Familie wurde Ende März 2015 bei Fredheim von Skitouristen angeschossen und später von der Polizei erschossen, nachdem er im Zeltlager einen Teilnehmer verletzt hatte.
Diese Beobachtungen legen nahe, dass eine größere Anzahl sich respektvoll verhaltender Touristen auch für Eisbärenfamillien mit Jungtieren nicht unbedingt problematisch ist, aber Besuchergruppen (einschließlich Wissenschaftler) mit speziellem Verhalten ein erhöhtes Risiko bringen. Ein interessantes Bild, da Touristen im Allgemeinen einen deutlich schlechteren öffentlichen Ruf haben als Wissenschaftler.
Aktuell gilt die allgemeine Sorge insbesondere die Familie mit 3 Jungtieren. Mehrfach zeigten intensive Diskussionen in sozialen Netzwerken, dass die Öffentlichkeit, zumindest lokal, Anteil nimmt am Schicksal der Bären und nicht bereit ist, grenzüberschreitendes Verhalten Einzelner zu tolerieren. Die Familie ist aber schon von Wissenschaftlern markiert worden, wobei die Mutter betäubt worden sein muss. Ob die Forscher sich dabei mit Motorschlitten oder mit Hubschrauber in Schussweite gebracht haben, ist nicht öffentlich bekannt. In jedem Fall liegt es nahe, dass ein solcher Eingriff für die Eisbären ein einschneidendes Erlebnis ist, und das in einer Phase, die als so sensibel betrachtet wird, dass der sonstige Verkehr von offizieller Seite zur Zurückhaltung aufgefordert wird.
Nun ist die Motorschlittensaison vorbei und damit auch die Möglichkeit für Einzelpersonen, sich den Tieren individuell ungebührlich zu nähern.