Nachdem das große Buchprojekt mit dem norwegischen Spitzbergen-Reiseführer Svalbard – Norge nærmest Nordpolen also endlich und erfolgreich abgeschlossen war, war es Zeit für frische Luft. Die bekam ich dann, und zwar reichlich. Im Februar und März folgte eine echte Weltreise, mit der „Antarktischen Odyssey“ als Herzstück, der großen Antarktis-Halbumrundung. Von Neuseeland zur Campbell-Insel und ins antarktische Rossmeer, und von dort aus via Peter I Island zur Antarktischen Halbinsel und letztlich nach Ushuaia. Eine wahre Odyssey.
Der Höhepunkt dieser Fahrt? Schwer zu sagen. Es gab einige. Schon die Dimension dieser Reise, etliche tausend Seemeilen in mehr als 30 Tagen, ist erschlagend genug. Fahrtleiter auf der Ortelius zu sein, hat es natürlich auch nicht langweiliger gemacht. Sonst sind „meine“ Schiffe ja doch deutlich kleiner, und sie haben normalerweise auch nicht drei Hubschrauber dabei.
Wenn ich überlege, welcher Eindruck von dieser Fahrt mir heute noch am meisten bedeutet, dann kommt mir schnell Campbell Island vor das innere Auge. Diese Insel, eine der subantarktischen Inseln von Neuseeland, stand ja ganz hoch oben bei mir auf dem persönlichen Wunschzettel, weil es dort 2 Jahre früher nicht geklappt hatte wegen viel zu viel Wind. Dieses Mal hatten wir genau das Glück, das man an so einem Ort auch braucht.
Albatrosse auf Campbell Island.
Der Ausflug („Flug“ ist dabei wörtlich gemeint) ins Taylor Valley (Dry Valleys) oder zur McMurdo Base, wo wir unseren Aufenthalt beinahe unfreiwillig verlängert hätten … ganz klar, unvergessliche Eindrücke. Überhaupt ist die Vogelperspektive auf die Antarktis-Landschaft natürlich ungeheuer beeindruckend.
Waterboat Point (Antarktische Halbinsel) aus der Luft.
Es ist ja immer wieder furchterregend, wie schnell die Zeit verstreicht. Schon wieder ist ein Jahr beinahe vergangen! Erlebnis- und ereignisreich war es. Was haben diese 12 Monate für Spitzbergen, für Spitzbergen.de und für mich gebracht? Das Jahr 2017 im Rückblick in mehreren kleinen Beiträgen über die nächsten Tage hinweg.
Der Januar ist natürlich Polarnacht im Norden. Eine gute Zeit für Schreibtisch-Expeditionen. Was natürlich wenig spektakulär aussieht. Arktis-Bücher schreiben ist natürlich grundsätzlich eine spannende Angelegenheit, aber in der Praxis verbringt man die Zeit eben weitgehend am Rechner. Recherchieren, schreiben, Bilder heraussuchen und bearbeiten, Zeichnungen erstellen.
Im Januar 2017 bewegte sich mein größtes Projekt seit langem auf den Abschluss hin – es war nicht langweilig, das kann ich wohl sagen! Nachdem ich lange davon geträumt hatte, hatte ich mich vor mehr als einem Jahr, im Herbst 2015, endlich getraut und das große Projekt begonnen: die norwegische Übersetzung meines Spitzbergen-Buches. Über ein Jahr intensiver Arbeit bei jeder verfügbaren Gelegenheit und dazu eine Reihe guter Geister, norwegische Muttersprachler, die mir beim Übersetzen und Korrekturlesen halfen. Mir wird noch jetzt, fast ein Jahr später, beinahe schwindlig, wenn ich an diese intensive Zeit zurückdenke. Ich will nicht in die Details dieser Arbeit einsteigen, so spannend ist das im Rückblick wohl nicht, aber es war … intensiv und in vielerlei Hinsicht mein größtes Projekt, auf jeden Fall seit dem ersten Erscheinen der deutschen „Ur-Auflage“ 2007 (erinnert sich noch jemand an das kiloschwere Buch, gedruckt auf viel zu schwerem Glanzpapier?), das kann ich wohl sagen. Nebenbei fand Anfang Februar ja auch noch eine kleine Vortragsreise mit vier Terminen „Spitzbergen: Norwegens arktischer Norden“ statt, während Longyearbyen davon auf Trab gehalten wurde, dass sich Eisbären in der Umgebung vorübergehend häuslich eingerichtet hatten. Eine ganze Eisbärenfamilie, Mutter mit zwei kleinen Bärchen, spazierte sogar durch den Weg 238 (das Wohngebiet am Adventdalen, unterste Straße – da haben auch wir in Longyearbyen unsere kleine, feine Wohnung).
Bevor es also im Februar in die Antarktis gehen würde, sollte das norwegische Buch in den Druck, und das gelang auch tatsächlich. Halleluja!
Unsere kleine Vortragsreihe „Spitzbergen – Norwegens arktischer Norden“ ist von Freitag bis Sonntag gelaufen, und ich will hier allen danken, die sich auf den Weg zu uns nach Erfurt, Fürth oder Kassel gemacht haben! Teilweise hatten die Vorträge schon den Charakter von Ehemaligentreffen diverser Arktis-Fahrten – wer einmal dabei war und vom Arktis-Virus gebissen wurde, der kommt eben nicht wieder davon los … so ist das, wer wüsste darüber besser Bescheid als ich? Es ist schön, alte und neue Freunde und Bekannte zu treffen. Natürlich wurde die Gelegenheit genutzt, über Erlebtes und Geplantes zu sprechen, Fragen zu Planung und Ausrüstung loszuwerden und über Touren zu fachsimpeln.
Spaß hat es gemacht, mit den Bildern und Schilderungen aus Spitzbergen, von der Bäreninsel und (untergeordnet) von den Lofoten – ein Auge auf den Bildern, ein Auge auf den Gesichtern der Zuschauer, und wenn ich dort Faszination und Begeisterung entdecke, dann ist das die lange Anfahrt wert.
Startklar für den Spitzbergen-Vortrag in Fürth.
Passend arktisch wurde es dann, als wir am Sonntag unterwegs waren nach Kassel. Der Schnee forderte seinen Tribut in Form von Verspätung, und wir waren gespannt, ob überhaupt jemand durch Schnee und Eis nach Kassel gekommen war, um sich Bilder von Schnee und Eis anzusehen.
Da wäre man fast besser mit dem Motorschlitten angereist.
Tatsächlich hatte sich dort eine kleine Schar eingefunden, die von weither angereist war, aus Bonn und Marburg! So hatten wir auch dort im kleinen Kreis mit nahezu familiärer Atmosphäre einen schönen Nachmittag mit Bildern aus dem hohen Norden.
Rolf Stange, Spitzbergen-Fahrer, Referent und Verfasser dieser und sonstiger Zeilen, sowie Uwe Maaß von der Geographischen Reisegesellschaft (Veranstalter der Vorträge und unserer Polarfahrten) danken Euch/Ihnen fürs Kommen, und ganz besonders danken wir unsere Freunden in Erfurt für die herzliche Aufnahme!
Heute ist nicht alle Tage, wir kommen wieder (auch zu neuen Orten), keine Frage!
Und wie bei den Vorträgen schon erwähnt: Wer es gar nicht mehr erwarten kann, spannende Landschaften unter Segeln zu erleben, hätte im März in Patagonien auf der SY Anne-Margaretha noch die Möglichkeit, mit an Bord zu kommen.
Wie gesagt, der November ist nicht gerade die Zeit für lange Touren. Aber das heißt nicht, dass man gar keine Touren machen kann. Auch ein paar Kilometer sind bei Dunkelheit, Wind und Schneetreiben schon eine spannende Sache. Bei Bewölkung und Schneefall ist Dunkelheit wirklich einfach nur Dunkelheit. Solange man den Wind von vorn auf der linken Backe spürt, stimmt die Richtung halbwegs, die Feinabstimmung erfolgt dann mit dem GPS. Wie das Nøis, Ritscher und Konsorten seinerzeit hinbekommen haben? Keine Ahnung. Das waren halt nicht so Weicheier. Die sind eben ein paar Stunden lang Kreise gelaufen, bis sie die Hütte auch so gefunden hatten. Und wenn nicht, dann waren sie bald Futter für die Füchse. Gut, dass die Zeiten vorbei sind! Es ist immer noch spannend genug. Hinten zieht die schwere Pulka, vorne ein kräftiger Schlittenhund, unten gleiten die Ski über den jungen Schnee.
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Schließlich ist die Hütte im Foxdalen erreicht. Pünktlich reißt der Himmel auf, und prompt zeigt sich ein richtig schönes Nordlicht. Den schönsten Moment habe ich fototechnisch verpasst, man hat nicht immer direkt die Kamera zur Hand, manchmal gibt es zunächst wichtigere Dinge. Aber genossen haben wir es! Und bald prasselte das Feuer im Ofen …
Wer seit Ende 2013 nach Longyearbyen gekommen ist, ist kurz nach dem Ortseingang an einem riesigen, roten Briefkasten vorbeigekommen. Hier, am Weihnachtsmannbriefkasten, konnte man Post für den Weihnachtsmann einwerfen.
Der Briefkasten war eine Idee von Po Lin Lee aus Honkong, die sich in der Tat nicht nur aus der Ferne mit Geld, sondern auch vor Ort mit viel persönlichem Einsatz für ihr postalisches Projekt eingebracht hat. Allerdings war die Baugenehmigung auf 2 Jahre beschränkt. Im Dezember 2015 sollte der Briefkasten wieder abgebaut werden. Abriss oder eine neue Genehmigung waren die Optionen.
Was kam, war ein jahrelanger Streit, der nun ein vorläufiges Ende gefunden hat. Der Briefkasten stand weiterhin fast 2 Jahre lang am gleichen Ort. Auf der einen Seite wurden Mahnungen geschrieben, auf der anderen Seite der bürokratische Prozess einer Beantragung einer neuen Genehmigung angeworfen, anscheinend jedoch nicht konsequent. Zu einer Befragung der Nachbarn, notwendig für die Vergabe einer dauerhaften Genehmigung, soll es jedenfalls nicht gekommen sein. Bürokraten und Anwälte taten, was sie eben tun. Sprachbarrieren scheinen eine Rolle gespielt zu haben.
Dann setzte die Gemeindeverwaltung (Longyearbyen Lokalstyre) eine Frist: Am Montag, 20. November 2017, sollte der Briefkasten endgültig verschwinden. Der Auftrag an eine lokale Baufirma zum Abriss war bereits vergeben, die Rechnung über 129000 Kronen (umgerechnet satte 13300 Euro) sollte an die Eignerin gehen.
Die beauftragte ihrerseits eine Firma vom Festland damit, den Briefkasten rechtzeitig vorher möglichst schonend abzubauen, so dass der erneute Aufbau andernorts weiterhin möglich bleiben sollte. Zuvor gab Po Lin Lee Besuchern ein letztes Mal die Gelegenheit, den Briefkasten zu besuchen, wobei sich zeigte, dass die Tür bereits fest zugeschraubt worden war – ohne Wissen der Eignerin. Zudem fanden sich Einbruchspuren an der Tür, möglicherweise von der Baufirma, die im Auftrag der Gemeinde bereits die Stromzufuhr entfernt hatte.
Galerie – Der Briefkasten des Weihnachtsmanns – 20. November 2017
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Unterdessen ging in lokalen Gruppen in sozialen Medien die Diskussion vor sich. Manche äußerten sich zufrieden, dass die Demokratie gesiegt habe und dass der Kasten endlich entfernt werde, andere drückten ihr Bedauern aus. Es gibt verschiedene Auffassungen dazu, ob Longyearbyen sich Touristen gegenüber als Weihnachtsmannstadt (Santa Claus Town) präsentieren sollte oder nicht. Tatsächlich besagt die lokale Legende, dass der Weihnachtsmann in der ehemaligen Grube 2b, genannt Julenissegruve (Weihnachtsmanngrube) oberhalb von Nybyen wohnt. Dort brennt in der Weihnachtszeit Licht, und unterhalb der Grube steht ein (normal dimensionierter) Briefkasten für Post an den Weihnachtsmann an der Straße. Der Einwurf von Briefen durch die Kinder ist Teil des jährlichen Weihnachtsrituals in Longyearbyen.
Nun ist der große Weihnachtsmann-Briefkasten von Po Lin Lee abgebaut. Die Eignerin sagt, dass mehrere auswärtige Interessenten zur Übernahme bereitstünden, um ihn andernorts wieder aufzubauen. Aber den Plan, ihn woanders in Longyearbyen wieder aufzustellen, hat Po Lin Lee auch nicht aufgegeben.
Frohe Adventszeit!
P.S. weitere Weihnachtsgeschichten aus der Arktis? Gibt es hier – Arktische Weihnachten. Das Fest des Lichts im Dunkel der Polarnacht.
Eine kleine Tour in in ein kleines Tal, nicht zu weit von Longyearbyen entfernt. Auch nicht zu nah. Im Vergleich zur Polarnacht fernab jeglichen künstlichen Lichtes ist Longyearbyen immer noch strahlend hell erleuchtet!
Mit diesen 3 Bildern will ich mal wenigstens näherungsweise einen realistischen Eindruck davon geben, wie die Polarnacht aussieht. Das ist über einen Bildschirm tatsächlich wohl kaum möglich. Eigentlich sind die Bilder so wohl immer noch zu hell. Aber wenn ich sie noch dunkler mache, denken sicher alle, ich hätte schwarze Vierecke fotografiert … und wenn man in dieser dunklen Landschaft unterwegs ist, gewöhnen sich die Augen nach einer Weile eben doch an das Licht beziehungsweise an den Mangel desselben, so dass man immer noch viel wahrnimmt und sich orientieren kann!
Zurück in Longyearbyen. Spitzbergen ist Mitte November ja nicht mehr unbedingt ein Mekka für Sonnenanbeter. Im Gegenteil, man sollte den Eindrücken der Polarnacht etwas abgewinnen können, ansonsten ist man hier einfach zur falschen Zeit am richtigen Ort. Die Sonne geht bereits seit Ende Oktober gar nicht mehr auf, aber genau heute, am 14.11., fängt hier die »fünfte Jahreszeit« an: Selbst zur höchsten Mittagsstunde steht die Sonne 4 Grad unterhalb des Horizonts. Das reicht gerade noch für einige Stunden »nautische Dämmerung«. Es wird also mittags dämmrig, aber nicht mehr. Selbst das hellere Stadium der »bürgerlichen Dämmerung« wird seit ein paar Tagen gar nicht mehr erreicht. Vom Mond bekommt man derzeit auch nicht viel mit. Er geht zwar nachts auf und nachmittags wieder unter, bleibt aber so dicht über dem Horizont, dass er kaum Wirkung hat.
Dennoch kann man sich um die Mittagszeit ganz gut im Gelände orientieren, jedenfalls wenn es nicht gerade bewölkt ist. Das Licht der Sterne bringt erstaunlich viel, jedenfalls wenn Schnee liegt. Davon gibt es derzeit noch nicht viel, aber immerhin.
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Die Bilder sind von einer kleinen Tour während der »hellsten« Mittagsstunden. Die Bilder erscheinen heller als die Realität. Ohne Stativ läuft fototechnisch jetzt nichts mehr! Es ist nach wie vor schön, draußen unterwegs zu sein, aber natürlich macht man jetzt keine langen Touren mehr, sondern kürzere Ausflüge. Und man macht in Ruhe seine Arbeit zuhause, trifft sich mit Freunden, …
Heute geht es über die große Lofoteninsel Vestvågøy. Die Sonne steht noch zwischen 8 und 15 Uhr über dem Horizont, versteckt sich aber weiterhin konsequent hinter etwas inkontinenten Wolken. Was die Schönheit der Landschaft nicht beeinträchtigt, aber es lädt nicht unbedingt zu längeren Touren zu Fuß ein. So machen wir nur einen kleinen Anstieg auf einen Berg bei Ballstad für einen schönen Blick auf den Ort (den es hier als 360 Grad Panorama gibt) und schauen uns dann auf einer touristisch eher wenig genutzten Nebenstrecke die schönen Küstenlandschaften der Insel Vestvågøy an. Auch für einen zu kurzen Besuch im Wikingermuseum Borg reicht die Zeit noch. Das Museum ist beeindruckend, mit seiner Rekonstruktion eines riesigen Langhauses, der Behausung eines mächtigen Wikingers. 1995 wurde das Museum eingeweiht. Zufällig war ich am Tag der Eröffnung da. Ich fand es damals schon beeindruckend. Das moderne Ausstellungsgebäude nebenan, mit Filmvorführung, Souvenirshop und allem, was zu einem Museum heutzutage wohl dazugehört, gab es damals noch nicht. Aber das rekonstruierte Langhaus, das gab es, und das macht Spaß. Man kann sich mal kurz wie ein Wikinger fühlen. Aber die hier immerhin mehrere Wochen lange Polarnacht in einem solchen Haus, ohne elektrisches Licht? Fenster gab es keine, es war zur fraglichen Zeit ohnehin draußen dunkel, und Glas soll so teuer gewesen sein wie sein Gewicht in Gold. Das war wohl sogar dem mächtigen Oberwikinger von Borg zu teuer. Also haben sie im Dunkeln gesessen.
Noch einmal geht es nach Flakstadøy und Moskenesøy. Die Landschaft auf diesen südlichen Lofoteninseln ist einfach zu schön! Auch an so einem eher grauen und nicht ganz trockenem Novembertag.
Die Außenseite der Lofoten, wo Wind, Wetter und Wellen des Nordatlantik ständig die ungeschützte Küste prügeln, hat einige schöne Sandstrände. Sowohl in Ramberg (dort gibt es übrigens ein sehr empfehlenswertes Café, wie wir auf demRückweg feststellen durften), wo man direkt von der Straße auf den weißen Sand fällt. Als auch etwas weiter südlich, in Kvalvika auf Moskenesøy.
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Dort muss man sich den Strand erwandern. Nicht ganz barrierefrei, der Anmarsch, vorsichtig gesagt. Schön ist das! Und im November kann man an diesem schönen Strand auch auf diesen durchaus zivilisierten Lofoten mal kurz das Gefühl haben, der einzige Mensch auf der Welt zu sein, und den Wellen zuschauen, wie sie weit auf den flachen Sand laufen.
Nach allgemeinem Abschied von Mannschaft und Passagieren der Antigua in Bodø mit vielem Händeschütteln und guten Wünschen zog jeder seiner Wege. Für fast alle führte der nach Süden. Für uns geht es nach Norden. Zunächst zurück auf die Lofoten. Es ist ja nicht so, dass man da nicht auch ohne Schiff reisen könnte 🙂
Ballstad auf Vestvågøy soll für ein paar Tage unser »Basecamp« sein, von wo aus wir die Lofoten zu Lande entdecken. Eindrücke von vielen Orten, die über Straßen und Wege gut zu erreichen sind. Wir lassen das subarktische Wetter (es bleibt weiterhin ziemlich subarktisch-novemberlich) und das nordische Licht in Ruhe auf Auge, Geist und Speicherkarte wirken und wir lassen uns mit Zeit von der schroffen Landschaft der Lofoten begeistern. Ein alpines Bergland, das direkt aus dem Meer aufsteigt. Immer wieder versuche ich mir vorzustellen, wie es hier vor vielleicht 12000 Jahren ausgesehen haben mag, während der letzten Eiszeit. Die Täler und Fjorde von Gletschern erfüllt. Ständig fühle ich mich dabei gedanklich in den schroff-alpinen Nordwesten von Spitzbergen versetzt.
Galerie – Von Ballstad nach Å – 06. November 2017
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So ungefähr muss es damals hier gewesen sein! Heute zeigen die Lofoten lehrbuchhafte Bilderbuchleindrücke von ehemals vergletscherten Landschaften. Wir verschaffen uns einen Überblick auf der Strecke bis nach Å, ganz im Süden auf Moskenesøy. Was mich gedanklich nicht nur 12000 Jahre in die Eiszeit zurücksetzt, sondern auch 22 Jahre, als meine innere Verbindung zu den hohen Breiten bei einem mehrmonatigen Aufenthalt auf genau diesen Inseln ganz entscheidenden Auftrieb erhielt. Was ich im Rückblick gut verstehe, wenn ich jetzt diese Inseln wieder vor Augen habe.
Der Wind hatte nachgelassen, wehte aber immer noch kräftig genug aus südlicher Richtung, dass wir lieber unter Segeln Kurs nach Westen nahmen, als unter Motor nach Süden gegen die Wellen anzustampfen. So haben wir mit dem Ablegen nach dem Frühstück (sicher ist sicher!) Abschied von den Lofoten genommen. Ein schöner Abschied war es, unter Segeln und teilweise sogar der Sonne entgegen (lange nicht gesehen), zeitweise mit einem Regenbogen über der berühmten Lofotenwand.
So wurde ein paar Stunden lang knackig gesegelt, bevor wir die Schären vor der Festlandsküste relativ weit nördlich erreichten, noch einen Nachmittag weit von Bodø entfernt. Eine schöne Küste! Und wie immer ist es schön, ein neues Ufer zu sehen.
Der letzte Nachmittag einer solchen Fahrt geht immer schnell vorbei. Solange es Licht gibt, gibt es draußen auch etwas zu sehen. Etwa um 15 Uhr ging die Sonne unter. Dann die letzten Vorträge, das Reisetagebuch will zu Ende geschrieben werden, ein paar Vorbereitungen für die Organisation des Abreisetages, so das Übliche. Trotzdem dieses Mal etwas anderes. Es ist das letzte Mal diese Saison.
Mit dem abendlichen Anlegen in Bodø schloss sich ein Kreis. Am 19. Mai haben wir hier abgelegt, um über die Lofoten zur Bäreninsel und nach Spitzbergen zu fahren. Am gleichen Ort. Trotzdem gefühlt eine Galaxie weit entfernt. »Damals« war es rund um die Uhr hell. Ein langer Arktis-Sommer lag vor uns. Jetzt schafft die Sonne es kaum noch über den Horizont. Ein langer Arktis-Sommer liegt hinter uns. So viele Erlebnisse zusammen mit der Mannschaft der Antigua und den Arktisfahrern, die uns während der verschiedenen Fahrten begleitet haben.
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Ich sage allen »Danke« für eine tolle und sehr erlebnisreiche Zeit! In der Arktis lernt man nie aus, man hat nie alles gesehen, alles erlebt. Auf dem unendlich langen Weg dahin, alles gesehen zu haben, sind wir wieder ein gutes Stück weiter gekommen. Es ist ja der Sinn der Sache, niemals wirklich anzukommen auf diesem Weg. Es wäre ja schade drum. Gut, dass das gar nicht geht. Der Weg geht weiter.
Abseits dieser Gedanken war die Stimmung an diesem letzten Abend gut. Die vergangene Woche hatte uns keine Wale und keine allzu spektakulären Nordlichter gegönnt, aber sonst sehr viel. Eine Menge Eindrücke, wie sie für die Küsten- und Insellandschaft in Nordnorwegen zu dieser Jahreszeit typisch sind. Gute Stimmung unterwegs. Schön, dabei gewesen zu sein!
So wie der Wind aufgefrischt hatte, war es schon gut, dass wir erst mal nicht aus dem Hafen raus mussten. Lieber ein kleiner Spaziergang in Kabelvåg und ein Besuch im Lofotmuseum oder im Lofotaquarium. Respekt vor der tapferen Fraktion, die den Weg nach Svolvær zu Fuß zurückgelegt hat! Bei Wind und Wetter und sehr viel Nässe im Gelände.
Leider hatte der Hafenmeister uns in Svolvær in den Industriehafen verbannt. Der Weg ins Zentrum von Svolvær entlang der E10, über eine Brücke und durch einen Tunnel, war nicht gerade das, was man sich so unter Nordlandromantik vorstellt. Bei dem Wetter zogen ohnehin einige von vornherein die Gemütlichkeit des Schiffes vor.
Dafür ging es abends zum Nordlichtzentrum in Laukvik. Nach dem Vortrag von Rob und Threes in gemütlicher Atmosphäre (drinnen; die Atmosphäre draußen war denkbar ungemütlich) wusste wirklich jeder Bescheid. Koronalöcher, Sonnenwind, Magnetosphäre, KLP-Index … ein Stück Kuchen, die der Engländer so sagt!
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Tatsächlich klarte es später noch etwas auf. Die Busfahrt zurück nach Svolvær, mit dem Blick auf vom Vollmond beleuchtete Berge, Fjorde und Seen, war ein kleiner, aber feiner landschaftlicher Höhepunkt, fand ich jedenfalls. Gerne hätte ich angehalten und das Stativ mal aufgestellt … aber einfach nur Schauen ist auch schön. Nordlicht hat es trotzdem leider keines mehr geben. Dieses Glück sollten wir anscheinend einfach nicht haben.
Der nächtliche Wind im Raftsund, wo wir zu später Stunde geankert hatten, war schon derbe, aber zum Tag hin wurde es doch etwas besser. Der landschaftliche Eindruck dieser schroffen Natur im Schneetreiben, Felsen und Berge grauweiß gepudert: wild und rau. So wie die Natur im hohen Norden oft eben ist. Blauer Himmel und Postkartenwetter gibt es ja auch ab und an. Aber das hier ist die Normalität. Herb und schön.
»Herb« und »schön« wechselten sich im Trollfjord dann im Minutentakt ab, so wie die Schneeschauer kamen und gingen. Von Nullsicht bis zum freien Blick auf die Gipfel, von spiegelglattem Wasser bis zu sehr heftigen Böen in Augenblicken. Wir waren schon kurz vorm Abdrehen, als drei Seeadler uns die Ehre gaben. Wahrscheinlich eine Familie mit Nachwuchs. Ein paar Mal kamen sie ganz in die Nähe des Schiffes. Ja, und da macht eine schnelle Kamera dann schon Freude 🙂
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Die Attribute »herb« und »schön« trafen auch auf den Besuch auf Skrova am Nachmittag zu. Die Einfahrt in den kleinen Hafen war schon wild, zwischen den ganzen Felsen hindurch und an dem alten Leuchtturm vorbei, und dann hatten wir bald in dem kleinen, alten Fischerei- und Walfängerhafen angelegt. Und waren bald unterwegs, die Insel zu erkunden, durch den Ort um den Hafen herum, über die Insel zu den weißen Sandstränden, die selbst bei dem wilden Wetter noch einen Hauch von Karibik vermitteln. Einige ließen sich von Wind, Kälte und Dämmerung nicht davon abhalten, das Skrovafjellet zu ersteigen, und wurden von beeindruckenden Blicken über die raue Inselwelt belohnt.
Gegen Abend haben wir mit der Antigua noch die kurze Strecke nach Kabelvåg zurückgelegt, denn morgen wir das Wetter für die Passage wohl deutlich schlechter werden.
Die Geschichte der Region reicht ja Jahrtausende zurück und hat die verschiedensten Kapitel aufzuweisen, die meisten davon eher unerfreulich. Einiges davon haben wir uns während einer Exkursion zu den Museen der Halbinsel Trondenes angesehen. Die Adolfkanone (man nennt sie wirklich so) gehört zu den Befestigungsanlagen der Wehrmacht an der norwegischen Küste im zweiten Weltkrieg und beeindruckt nicht nur durch ihre Dimensionen und die Technik, sondern auch mit dem Hintergrund: wieviel Aufwand betreiben die Menschen, sobald es darum geht, etwas zu zerstören? Dann scheinen keine Kosten und keine Mühen zuviel zu sein. Immerhin gut zu wissen, dass diese gewaltige Kanone nie zu kriegerischen Zwecken eingesetzt worden ist.
Im Trondenes Museum in der Nähe geht es durch Jahrtausende der Lokalgeschichte. Steinzeitliche Jäger und Fischer, Wikinger, frühe Christen, Handel mit Stockfisch und so.
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Direkt nach dem Ablegen gingen die Segel noch. Bald dachten wir, dass wir sie wohl wieder runterholen müssten, so langsam dümpelten wir im schwindenden Tageslicht durch die Sunde. Aber dann gab es noch richtiges Segeln, so richtig RICHTIGES Segeln, mit gut 10 Knoten. Weitere Segel hoch, dann eine schnelle Halse – das Ufer wollte einfach nicht ausweichen – bis der Wind wieder nachließ und die Segel schließlich eingeholt wurden. Gerade rechtzeitig vor der Brücke von Risøysand, die ja immer eine spannende Passage ist (Brückenhöhe 30 Meter, Höhe des Großmastes der Antigua: 31 Meter. Passt also).
Gibostad fing ja zunächst mit einer etwas herben Überraschung an: der malerische, historische, schneebedeckte Anleger war aus Sicherheitsgründen geschlossen, ausweislich eines Schildes, das wir erst einmal entdecken mussten. Also nichts mit Abendspaziergang.
Aber natürlich wollten wir uns den Ort anschauen. Wozu haben wir Zodiacs? Ein malerisches kleines Nest auf der schönen Insel Senja, mit einer kleinen „Altstadt“ um den Hafen. Nur dass die „Nostalgie-Bäckerei“ leider geschlossen hatte 🙂 aber darauf kam es nicht an. Worauf es ankam, das waren die schönen Ausblicke auf die Landschaft, die netten kleinen Details im Ort, der Schnee, das Licht. Und da gab es wirklich den einen oder anderen sehr freundlichen Augenblick.
Auch in Finnsnes haben wir die Gelegenheit wahrgenommen, uns kurz umzuschauen. Eine ruhige, nordnorwegische Kleinstadt. Nicht unbedingt der Nabel der Welt, aber wer das sucht, ist in Nordnorwegen nun ohnehin falsch. Dafür auch hier wieder schöne Farben, die das Abendlicht (mitten am Nachmittag!) in die Landschaft zauberte, Alpenglühen auf den Schneebergen, Bäumchen um den zugefrorenen See mitten in der Stadt.
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Das schöne Abendlicht begleitete uns noch ein Weilchen, bis es nach und nach der Dämmerung und schließlich der Dunkelheit wich. Klarer Himmel, natürlich waren wir gespannt, was sich über uns noch so tun würde. Die Nordlicht-Vorhersagen waren nun nicht gerade vielversprechend, man weiß ja nie. Und tatsächlich ließ sich ein Nordlicht blicken! Recht schwach, aber zeitweise doch klar erkennbar!
Übrigens gibt es auf dieser Webseite auch eine eigene Seite zum Nordlicht, einschließlich passender Nordlicht-Fototips von Rolf.
Norwegens arktischer Norden (1): Spitzbergen
vom Polarlicht bis zur Mitternachtssonne. Ein erzählend-informativer, üppig illustrierter Bildband, thematisch und geographisch rund um die schönen Inseln im Norden.