Auch in fiesesten Corona-Zeiten finden gelegentlich noch schöne Ereignisse statt, so der Hilmar Nøis Trail, ein Hundeschlittenrennen auf Spitzbergen – dieses Mal natürlich nur für diejenigen, die ohnehin vor Ort waren. Max Schweiger war dabei und erzählt. Vielen Dank, Max, für den lesenswerten Bericht, sowie an Thomas Grant Olsen für weitere Fotos.
Hilmar Nøis Trail 2021: Ein Rennbericht von Max Schweiger
Das Finnmarksløpet ist das längste Hundeschlittenrennen Europas mit einer Distanz von bis zu 1.200 km und mit seinem Austragungsort in Alta, Nordnorwegen, auch das Nördlichste der Welt. Das sagt zumindest Wikipedia.
Doch jedes Jahr organisieren eine Handvoll Vereinsmitglieder des „Longyearbyen Hundeklubb“ hier auf Spitzbergen zwei weitere Rennen und somit die beiden eigentlich Nördlichsten der Welt. Trappers Trail, ein mehrtägiges Rennen im April, und den Hilmar Nøis Trail.
Letzterer fand vergangenes Wochenende trotz der Pandemie statt. Das „Finnmarksløpet“ unterdessen musste coronabedingt bereits abgesagt werden. Insgesamt 19 Teams, in drei Klassen (Kinder mit Hundeschlitten, Erwachsene mit Gespann aus maximal fünf, bzw. die offene Klasse mit mehr als fünf Hunden) über zwei Kurse (Jernsenga und zurück, bzw. einmal um Jansonhaugen und zurück) traten an und versammelten sich zum Massenstart im Adventdalen vor Longyearbyen.
Es gilt zu tun, was bei Veranstaltungen dieser Größe stets getan zu werden hat: ein Rennbericht muss her, und das möglichst kurzfristig und kurzweilig – los geht’s! (Anmerkung: Max hat den Beitrag auch tatsächlich sehr schnell geschrieben. Nur kam Rolf leider zunächst nicht zur weiteren Bearbeitung – daher jetzt passend zum Wochenende 🙂 )
Das Team
27. Februar 2021. Es ist 7:00 Uhr. Unter Absingen schmutziger Lieder, mit verschlafenen Augen und ohne meine erste Tasse Kaffee verlasse ich das Haus. Es ist Rennmorgen. Am Abend zuvor hatte ich mein gewohntes Vierergespann, bestehend aus Luna, Aaron, Berta und Sputnik, geringfügig erweitert. Dazu später mehr.
Es gibt Suppe. Hundesuppe. Ein Rezeptversuch: man mische Rentierfleischreste der Jagd des vergangenen Sommers mit ein wenig Fett an und schmecke es dann mit Fischöl ab. Dazu gibt es reichlich Wasser. Dererlei Delikatessen sind im Sommer in Kombination mit Plusgraden und entsprechender Geruchsentfaltung nur etwas für echte Genießer. Heute bei -14 Grad Celsius ist das kein Problem. Vor einer langen Belastung – beim Hilmar Nøis Trail von etwa 40 Kilometern durch das Adventdalen und um eine Erhebung mit dem Namen Janssonhaugen herum – ist das Trinken besonders wichtig. Die Tiere müssen gut hydriert sein um eine solche Anstrengung gut und gesund zu überstehen. Meine geliehenen Neuzugänge des „Team Resten“ werden ebenfalls versorgt. Statt der am Vorabend vereinbarten sechs Neuzugänge, finden sich aber sieben Hunde im Zwinger. Ein weiß, hell grauer Hund, den ich noch nie zuvor gesehen habe. Ein Männchen mit gesundem Appetit.
Wieder zu Hause ein Anruf – ob wir noch Platz für einen Hund mehr im Gespann hätten. Thomas hätte einen Hund zum Aufpassen bekommen, dem etwas Bewegung gut tun würde. Das erklärt zumindest den unbekannten Gast im Zwinger heute Morgen … Bewegung? Kann er haben! Somit sind wir jetzt elf Hunde. Und zwei Menschen. In der Aufregung und vertieft ins Packen frage ich nicht mal nach dem Namen des Tiers … Jetzt muss es aber schnell gehen, Kaffee hinter die Birne, eine Scheibe Brot, die letzten Sachen im Rucksack verstauen und zurück in den Hundehof.
Start
Es ist mittlerweile halb zehn Uhr, noch eine halbe Stunde bis zum Start. Am Straßenrand stehen Autos, Schneemobile und Transporter. Hunde jaulen und bellen in Vorfreude auf das Rennen. Taue werden an allem, was Halt bietet, festgeknotet, Schlitten am anderen Ende festgebunden und die ersten Hunde bereits angeleint. Anspannung ist in den Augen mancher Mitbewerber zu sehen, ein Hauch von Wettkampfgefühl macht sich breit. Nicht bei uns. Während sich komplette Gespanne bereits Richtung Startlinie machen, suchen wir ein Geschirr für unseren Neuzugang. Mittlerweile habe ich neben meiner Freundin als Mitfahrerin, noch drei Erwachsene und drei Kinder als Helfer dazugewonnen. Mit deren freundlicher Hilfe geht es dann doch nur knappe zehn Minuten nach dem offiziellen Start raus ins Tal. Als vorletzter Schlitten und mit wackligem Start – aber wir sind unterwegs.
Durch das schneebedeckte Adventdalen geht es raus und in leichten Schlangenlinien bilden wir das Ende des Trosses. Es ist ein herrlicher Wintertag und die Vorfreude der Hunde weicht bald einer entspannteren Stimmung. Wir kommen langsam in unseren gewohnten Trott. Auch Berta, unsere kleinste Mitstreiterin, die besonders beim Start mit ihren halb so kurzen Beinchen erstaunliche Schrittfrequenzen zu Tage bringt, beruhigt sich nun langsam.
Die Route ins Adventdalen
Die ersten beiden Meilen (eine norwegische Meile entspricht 10 Kilometern) verlaufen unspektakulär und wir genießen die Landschaft und Stille, die nur durch den Trott und das Hecheln der Hunde unterbrochen wird. So nähern wir uns langsam aber sicher dem Checkpoint Jansonhaugen. Hundeschlittenrennen laufen nämlich ähnlich wie Orientierungsläufe ohne eine strikt vorgegebene Route ab. Dafür gilt es bestimmte Punkte zu passieren. Dort wird dann die Zeit genommen. In unserem Fall war das der Janssonhaugen, also die große Erhebung im mittleren Adventdalen. In dem Fall rächt sich meine schlampige Vorbereitung, als die Frage aufkommt, ob wir „denn jetzt eigentlich richtig rum um das Ding fahren würden?“ … 🙂
Es blieb mir also nichts anderes übrig, als bei effektiven fast -20 Grad Celsius ohne Handschuhe die Rennbeschreibung zu googeln. Im Uhrzeigersinn. Also dann waren wir doch richtig.
Checkpoint am Janssonhaugen
Der Checkpoint besteht aus einer Fahne mit einem kleinen Kästchen drunter. Hätte ich mich rechtzeitig für die richtige Tour angemeldet, hätte es hier Schokolade für uns gegeben. Gab es aber nicht. Zum Glück hatten wir zwischen Hundesuppe und Einspannen morgens noch Zeit, Muffins zu backen. Die Sinnhaftigkeit, dafür einen späten Start in Kauf zu nehmen und während eines Rennens stehen zu bleiben, sei dahingestellt (Anm. d. Red.: Dabeisein ist alles!). Während wir Pause einlegen, wälzen sich die Tiere im Schnee. Zumindest die Hunde scheint es nicht zu stören – nur Aaron und Nokas bellen und wollen direkt weiterrennen.
Es geht durch kurvenreiches Terrain und und knietiefen Schnee um den Berg herum. Zum ersten Mal artet die Tour in körperliche Ertüchtigung auch für die Zweibeiner aus. Im schweren Schnee bleiben wir immer wieder stecken. Sputnik geht derweil ein wenig die Motivation flöten. Als wir das Tal verlassen, lässt er als Einziger den Kopf hängen und trottet vor sich hin. Die Leine ist nicht mehr gespannt. Also packen wir ihn mit auf den Schlitten. Die Beifahrerposition scheint ihm bekannt, mit vollem Gewicht schmeißt er sich auf meinen Schoß und verbringt die nächsten fünf Kilometer mit der Beobachtung von Rentieren an den Hängen links und rechts von uns oder döst vor sich hin.
Kampf um den Ehrenplatz
Ein Blick über die Schulter. Und dann entdecken wir tatsächlich etwas, das wir nie für möglich gehalten hätten. Nach über drei Stunden taucht hinter uns ein anderer Schlitten auf. Wir sind nicht die letzten! Jetzt brauchen wir natürlich alle Hundestärken, die wir noch aufbieten können. Sputnik trottet widerwillig zurück ins Gespann, fängt sich aber sofort beim Start wieder und mit komplettem Team geht es auf die letzten Kilometer und den Zielsprint zurück Richtung Hundehof. Immer wieder sehen wir nervös zurück, aber es scheint als könnten wir unseren knappen Vorsprung halten. Mit dem kompletten Gespann geht es zurück in den Hundehof und wir stoppen die Uhr – 41 km in 4:01h. Und nicht letzter. Wir sind hoch zufrieden. Die Tiere werden durchgeknetet und gefüttert. Für die Menschen gibt es Pizza. Am Abend erfahren wir, dass das Team hinter uns nur mit fünf Hunden in der eben kleineren Klasse unterwegs war. Damit sind wir in unserer Gruppe das letzte Team. Aber mit Neuzugang, Muffins, Hundepassagier und hoch zufrieden.