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Tages-Archiv: 22. April 2021 − News & Stories


Kabel­jau­krieg zwi­schen Nor­we­gen und der EU droht zu eska­lie­ren

Schon län­ger schwelt in der Barents­see ein „Kabel­jau­krieg“ zwi­schen der EU und Nor­we­gen. Nun droht er zu eska­lie­ren. Hin­ter­grund sind Strei­tig­kei­ten zwi­schen Oslo und Brüs­sel über Fang­rech­te in den zu Sval­bard gehö­ren­den Gewäs­sern.

Streit­ob­jekt: Fische­rei­quo­ten in der Barents­see nach dem Brexit

Vor­der­grün­dig geht es dar­um, dass Nor­we­gen nach dem Brexit die Fang­men­ge Groß­bri­tan­ni­ens von jener der EU-Fische­rei­flot­te abge­zo­gen hat, wie der nor­we­gi­sche Sen­der NRK berich­tet. Damit blei­ben den heu­ti­gen EU-Län­dern noch 17.885 Ton­nen, wäh­rend die Bri­ten 5.500 Ton­nen aus dem Was­ser holen dür­fen. Das wur­de von Brüs­sel aller­dings abge­lehnt. Dort teil­te man sich selbst eine Quo­te von 28.431 Ton­nen zu, was Nor­we­gen wie­der­um nicht akzep­tiert. Die EU hält die nor­we­gi­sche Rege­lung für will­kür­lich und dis­kri­mi­nie­rend.

Nun haben bei­de Sei­ten rhe­to­risch auf­ge­rüs­tet. Von über­all hört man, man sei vor­be­rei­tet, um die eige­nen Rech­te zu wah­ren. Brüs­sel will not­falls zu „allen not­wen­di­gen Maß­nah­men grei­fen, um euro­päi­sche Inter­es­sen gegen­über Nor­we­gen zu sichern“. In Nor­we­gen wie­der­um ver­weist man auf Küs­ten­wa­che und Poli­zei, die gut vor­be­rei­tet sei­en und gege­be­nen­falls Fische­rei­schif­fe beschlag­nah­men wür­den, die Fang ohne gesetz­li­che Quo­te an Bord haben. So äußer­te sich aktu­ell Lars Fau­se, lei­ten­der Staats­an­walt in Nord­nor­we­gen. Spä­ter in die­sem Jahr wird Fau­se in Lon­gye­ar­by­en die Nach­fol­ge von Sys­sel­mann Kjers­tin Askolt antre­ten – begriff­lich neu gewan­det als ers­ter Sys­sel­mes­ter.

Kabeljau, Spitzbergen

Lecker Dorsch (Kabel­jau) aus dem Isfjord. Im Streit zwi­schen Nor­we­gen und der EU geht es aller­dings um ande­re Men­gen.

Kern des Pro­blems: der Spitz­ber­gen­ver­trag

Im Kern liegt das Pro­blem aller­dings tie­fer als ein paar Ton­nen Fisch: Es geht um die Deu­tung des Spitz­ber­gen­ver­tra­ges, des­sen zwei­ter Arti­kel allen Unter­zeich­ner­staa­ten – die aller­meis­ten euro­päi­schen Län­der gehö­ren dazu – „glei­che Rech­te der Fische­rei und der Jagd in den in Arti­kel 1 defi­nier­ten Ter­ri­to­ri­en und den dazu gehö­ri­gen Ter­ri­to­ri­al­ge­wäs­sern“ sichert. Die Krux liegt im Begriff „Ter­ri­to­ri­al­ge­wäs­ser“. Die­ser ist his­to­risch nicht scharf defi­niert. In frü­he­ren Jahr­hun­der­ten bean­spruch­ten Staa­ten die Gewäs­ser drei Mei­len vor der Küs­te (frü­her eine Kano­nen­schuss­wei­te). Ab 1921 – nach Unter­zeich­nung des Spitz­ber­gen­ver­tra­ges (1920) – began­nen Staa­ten, ihre Hoheits­rech­te auf bis zu zwölf Mei­len aus­zu­deh­nen. Ganz ein­deu­tig und ein­heit­lich ist das bis heu­te nicht glo­bal gere­gelt, aber soweit besteht Einig­keit: In der Zwölf­mei­len­zo­ne um die Insel­grup­pe Spitz­ber­gen (Sval­bard) gilt der Spitz­ber­gen­ver­trag und sichert allen Mit­glieds­staa­ten glei­che Rech­te.

Pro­ble­ma­tisch wird es aller­dings in der „Aus­schließ­li­chen Wirt­schafts­zo­ne“, also der 200-Mei­len-Zone außer­halb der Zwölf­mei­len­zo­ne. Die­se wur­de erst 1982 im See­rechts­über­ein­kom­men der Ver­ein­ten Natio­nen völ­ker­recht­lich fest­ge­legt. Nun bean­sprucht Nor­we­gen auf Basis des Arti­kels 1 des Spitz­ber­gen­ver­tra­ges die „vol­le und unein­ge­schränk­te Sou­ve­rä­ni­tät“, wie es dort heißt, auch über die 200-Mei­len-Zone um Sval­bard, pocht jedoch dar­auf, dass das in Arti­kel 2 fest­ge­leg­te glei­che Recht für alle (etwas tech­ni­scher: das Nicht­dis­kri­mi­nie­rungs­prin­zip) dort nicht gel­ten soll, son­dern dass Nor­we­gen hier exklu­si­ve Rech­te hat. Es über­rascht nicht, dass hier nicht unbe­dingt all­ge­mei­nes Ein­ver­ständ­nis herrscht.

Küstenwache, Spitzbergen

Die Küs­ten­wa­che sichert die nor­we­gi­sche Sou­ve­rä­ni­tät in den Gewäs­sern um Spitz­ber­gen. Nun ste­hen unfreund­li­che Begeg­nun­gen mit EU-Fische­rei­schif­fen zu befürch­ten.

Der Spitz­ber­gen­ver­trag und die „Aus­schließ­li­che Wirt­schafts­zo­ne“

Unab­hän­gig davon, ob inner­halb der Aus­schließ­li­chen Wirt­schafts­zo­ne (200-Mei­len-Zone) das Nicht­dis­kri­mi­nie­rungs­prin­zip des Spitz­ber­gen­ver­tra­ges nun gilt oder nicht, besteht aller­dings kaum Zwei­fel dar­an, dass Fische­rei­schif­fe aus der EU oder aus Dritt­län­dern dort nor­we­gi­sche Wirt­schafts­rech­te aner­ken­nen müs­sen. Die Fra­ge ist aber, wie Nor­we­gen die Rech­te, die den Fischern ande­rer Län­der ein­ge­räumt wer­den, gegen­über den eige­nen Quo­ten gewich­tet: gleich­be­rech­tigt (wenn Arti­kel 2 des Spitz­ber­gen­ver­trags dort anzu­wen­den wäre) oder exklu­siv.

Eine kom­pli­zier­te Mate­rie. Was offen­kun­dig bis­lang fehlt, ist eine von allen Sei­ten aner­kann­te Instanz, die offe­ne Fra­gen bei der Inter­pre­ta­ti­on des Spitz­ber­gen­ver­tra­ges ver­bind­lich ent­schei­den kann. Hier besteht Nor­we­gen dar­auf, selbst die aus­schließ­li­che Inter­pre­ta­ti­ons­ho­heit zu besit­zen. Das sieht man in Brüs­sel offen­kun­dig anders.

Wäh­rend die­ser Klä­rungs­be­darf bestehen bleibt, rüs­ten die nor­we­gi­sche Küs­ten­wa­che und die euro­päi­schen Fische­rei­flot­ten schon auf, und ent­spre­chen­de Kon­flik­te sind zu befürch­ten. Der unbe­tei­lig­te Beob­ach­ter schaut zu und staunt.

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