Das SarsCov-2 Virus macht vor der Arktis nicht Halt, und das gilt auch für die neue Variante Omikron. Über die Weihnachtstage sind Tests von drei Personen in Longyearbyen positiv ausgefallen. Alle drei sind vom norwegischen Festland nach Spitzbergen gereist und hatten dabei wohl das Virus im Gepäck. Da die Omikron-Variante auf dem Festland schon weit verbreitet ist, vermutet Knut Selmer als zuständiger Arzt im Krankenhaus von Longyearbyen, dass es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit zumindest bei einem Teil der Fälle um diese hochansteckende Variante handelt, wie die Svalbardposten berichtet.
Corona hat die Welt und Spitzbergen fest im Griff: das gilt weiterhin.
Nun ist wohl auch die Omikron-Variante in Longyearbyen angekommen.
Darüber hinaus sitzen mehrere weitere Personen zunächst vorsorglich in Quarantäne. Selmer geht davon aus, dass dies erst der Anfang einer neuen, großen, Infektionswelle ist – wie auch im Rest der Welt. Darüber hinaus rechnet er auch nicht damit, dass diese Welle sich verhindern lässt; die Hoffnung besteht darin, sie zu verzögern und abzuflachen. Es gilt bereits eine Testpflicht für Anreisende nach Ankunft und Norwegen hat landesweit neue, schärfere Regeln für den Gebrauch von Masken eingeführt. Das Ziel in Longyearbyen ist, Schule, Kindergärten und Angebote für Kinder und Jugendliche so lange wie möglich geöffnet zu halten.
Immerhin hat Longyearbyen eine sehr hohe Impfquote. Im Dezember wurden rund 700 Personen geimpft, wobei es überwiegend um Auffrischungsimpfungen ging. Es gab aber auch einige Erstimpfungen. Die nächste, große Impfaktion in Spitzbergen ist am 11. Januar geplant.
Trotz Corona, sogar trotz Omikron,
wird die Sonne auch 2022 wieder über Spitzbergen aufgehen.
Dauert aber noch etwas.
Wenn nun nichts Unvorhergesehenes passiert, ist dies der letzte von immerhin 124 Beiträgen auf der Nachrichten- und Blog-Seite von Spitzbergen.de im nun zu Ende gehenden Jahr 2021. 2022 geht es natürlich weiter – auch mit zwei weiteren Terminen der Online-Vortragsserie „Der arktische Mittwoch“ im Januar – ich wünsche Euch und Ihnen allen einen fröhlichen Jahreswechsel und alles Gute für das neue Jahr, bleibt gesund und möglichst auch munter!
Lange dachte man in Longyearbyen, dort eine coronafreie Blase erhalten zu können, aber wie man sich denken konnte, hat das nicht funktioniert. Mittlerweile hat es auch in Longyearbyen eine Reihe positiv getesteter Patienten gegeben, darunter auch solche mit symptomatischen Verläufen.
Mittlerweile müssen Reisende nach Spitzbergen sich nach Ankunft in Longyearbyen testen. Man befürchtet, dass ein größerer Ausbruch schnell die Gesundheits- und Bereitschaftssysteme im hohen Norden überfordern könnte.
Corona hat auch Spitzbergen eingeholt. Und wer dort ankommt, muss nun einen Test machen.
Was das für die Zukunft bedeutet, was das Jahr 2022 bringen wird, weiß derzeit natürlich keiner. Vielen in Longyearbyen und sonstwo steht jedenfalls direkt kalter Schweiß auf der Stirn, wenn jemand „Omikron“ sagt. Und nach Omikron kommt ja wahrscheinlich Opikron. Wer weiß das schon.
Man kann nur den eigenen, individuellen Beitrag leisten (Wink mit dem Zaunpfahl: Spitzbergenreisen sind ohne 2G derzeit kaum vorstellbar, und das wird sich so schnell wohl nicht ändern), das Beste hoffen und sich dabei irgendwie die gute Laune erhalten.
Digitales Spitzbergen-Museum: neue und bessere Seiten
Und einstweilen eine kleine digitale Reise nach Spitzbergen machen: In den letzten Monaten sind auf Spitzbergen.de wieder etliche Seiten entstanden beziehungsweise auch bestehende, alte Seiten ganz erheblich verbessert worden, so dass es sich lohnt, virtuell auf Tour in verschiedene schönen und interessante Winkel der Inselgruppe Svalbard zu ziehen. Nach und nach entsteht hier so vor allem im Panorama-Bereich so etwas wie ein digitales Museum, das Spitzbergen zunehmend umfassend digital zugänglich macht. Die neuen und überarbeiteten Seiten sind mein Weihnachtsgeschenk an alle, die sich für Spitzbergen interessieren – viel Vergnügen!
Hier sind einige der neuen/überarbeiteten Seiten:
Hier sind einige der neuen und überarbeiteten Seiten auf spitzbergen.de (Auswahl):
immer eine virtuelle Reise wert! Zugänglich über die Liste unten.
Das traditionelle „Anzünden“ (also, die Lichter) des Weihnachtsbaums in Longyearbyen. Damals, als es noch kein Covid-19 gab. Lang ist’s her.
Frohe Weihnachten und die besten Wünsche für ein gutes, glückliches, gesundes Jahr 2022!
Es hört sich an wie ein staatlicher Schildbürgerstreich, und wenn es so kommt, ist es auch einer: Geht es nach dem norwegischen Verteidigungsministerium, dürfen Tiefenmesser (Echolote), wie sie auf allen Schiffen schon lange Standard sind, in norwegischen Gewässern künftig keine Daten mehr speichern dürfen, wie NRK berichtet. Neben der Zwölfmeilenzone vor dem norwegischen Festland betrifft das auch die entsprechenden Gewässer um Spitzbergen und Jan Mayen.
Echolote werden standardmäßig verwendet, um die Wassertiefe unter dem Schiff zu messen, aber auch von Fischereischiffen, um Fischschwärme zu finden. Manche Echolote zeigen nur den aktuellen Wert an, andere zeichnen die Werte auf und speichern sie. Fährt ein Schiff mehrfach in einem Gewässer, entsteht so eine grobe Übersicht über die Tiefen in diesem Gebiet – vorteilhaft in schlecht vermessenen Gewässern, wozu große Teile Svalbards gehören, vor allem in den abgelegenen Teilen der Inselgruppe. Selbst aufgezeichnete Tracks (gefahrene, vom GPS aufgezeichnete Spuren) mit eigenen Tiefenangaben, automatisch oder manuell registriert, gehören in diesen Gebieten zu wichtigen und weit verbreiteten Hilfsmitteln in der Navigation.
Navigation in schlecht kartierten/unkartieren Gewässern, hier vor einem Gletscher, der sich zurückgezogen hat. Laut Seekarte fährt das Schiff „im“ Gletscher (braun). Der Gebrauch des Echolots und die Aufzeichnung der Tiefen sind in solchen Situationen Standard.
Nun will das norwegische Verteidigungsministerium ein Gesetz reaktivieren, demzufolge die Speicherung selbst erhobener, hochauflösender Tiefenangaben in Tiefen von mehr als 30 Metern verboten sein soll, um den Zugang zu militärisch sensitiven Gewässern beziehungsweise das Auffinden militärischer Anlagen auf dem Meeresboden zu erschweren. Dass es solche auf Spitzbergen eigentlich gar nicht geben darf, spielt dabei keine Rolle: Laut Spitzbergenvertrag darf dort niemand, auch nicht Norwegen, dauerhaft militärische Einrichtungen unterhalten. Nach Ansicht des Verteidigungsministeriums sind die Gewässer um Spitzbergen und Jan Mayen aber generell so wichtig, dass das geplante Gesetz auch dort gelten soll. Laut Verteidigungsministerium richtig sich das Gesetz aber „im Grundsatz“ nicht gegen den Fischer und Fischerei, so dass deren Praxis unberührt bleiben sollte, sondern gegen die systematische Kartierung norwegischer Gewässer etwa durch fremde, unfreundlich gesinnte Mächte – so zumindest die Intention. Was letztlich im Gesetz steht, wird man zu gegebener Zeit sehen.
Fischer auf dem Festland zeigen sich genervt von diesen und anderen Regelungsvorschlägen. Man sieht die Gefahr der Kriminalisierung einer lange bestehenden Praxis ohne echten Bedarf – die Zeiten, in denen schlecht kartierte Gewässer etwa den Angriff eines russischen U-Bootes verhindern könnten, sind wohl schon lange vorbei.
Die Diskussion um die kontroversen Gesetzvorschläge der norwegischen Regierung für Spitzbergen, darunter die faktische Sperrung großer Teile der Inselgruppe für die Öffentlichkeit, bekommt neues Futter in Form eines Rechtsgutachtens. Das Gutachten wurde im Auftrag von Aeco (Branchenverband Arktis-Schiffstourismus), Visit Svalbard (Tourismusverband in Longyearbyen) und Svalbard Næringsforening (Wirtschaftsverband Longyearbyen) erstellt. Kernpunkte des Gutachtens wurden von der Svalbardposten vorgestellt.
Im Kern geht es um eine Reihe von Gesetzvorschlägen der norwegischen Regierung, die noch auf die vergangene Regierung zurückgehen (im September gab es in Norwegen Parlamentswahlen und einen Regierungswechsel).
Die meiste öffentliche Kritik, auch international, zieht das Vorhaben auf sich, große Teile der Inselgruppe Svalbard faktisch für die gesamte Öffentlichkeit zu sperren. Die Öffentlichkeit, die sich überhaupt in den abgelegenenn Teilen der Inselgruppe bewegt, besteht weitgehend aus schiffsbasiertem Tourismus, der schon lange stark reguliert ist (u.a. Schwerölverbot in weiten Teilen Svalbards, Begrenzung der erlaubten Personenanzahl bei Landgängen und der Schiffsgrößen in den Naturreservaten, die den ganzen Osten Svalbards umfassen), Forschung und – in quantitativ weit geringerem Umfang – Lokalbevölkerung und Individualtouristen, v.a. mit eigenen Segelbooten.
Das Gesetzvorhaben ist erkennbar vor allem gegen den schiffsbasierten Tourismus gerichtet, würde aber auch alle anderen treffen. Prinzipiell stehen die Spitzbergen-Inseln Schiffsreisenden bislang weitgehend offen, von diversen lokalen Sperrungen abgesehen, die schon länger bestehen. So besuchen Touristen im Sommer mehrere hundert Stellen, die über die gesamte Inselgruppe verteilt sind. Dieser Besucherverkehr konzentriert sich allerdings weitgehend auf eine deutlich geringere Anzahl von relativ gut zugänglichen, bekannten Orten; die meisten sonstigen Orte sind eher exotisch und selten besucht, aber dennoch sehr wichtig gerade für lange Reisen.
Das aktuelle Gesetzvorhaben würde diese Bewegungsfreiheit radikal beschränken. Im Gespräch ist aktuell, die möglichen Landeplätze in allen Schutzgebieten rund um Svalbard von mehreren hundert auf 42 einzudampfen, wobei wegen Wind, Wetter, Eis und Eisbären ohnehin kaum jemals alle theoretisch denkbaren Landestellen tatsächlich zugänglich sind (darin liegt ein wichtiger Grund dafür, warum eine deutlich größere Auswahl so wichtig ist: Flexibilität ist ein essenzieller Teil der Sicherheit in diesen Gebieten: ist eine Landestelle wegen Wind/Wetter/Eis/Eisbären bislang nicht oder nur unter Risiko zugänglich, ist man eben ausgewichen). Und auf den wenigen noch verbleibenden Stellen würden sich in der Hochsaison künftig mehrere Dutzend Schiffe drängeln.
Die folgenden zwei Kartenskizzen illustrieren am Beispiel des Nordaustlands, wie drastisch eine Umsetzung des Gesetzesvorschlags die Bewegungsfreiheit der Öffentlichkeit einschränken würde. Analoge Karten ließen sich entsprechend für fast alle anderen Teile Spitzbergens darstellen:
Landestellen auf dem Nordaustland und umliegenden Inseln, die in den letzten Jahren von Touristen besucht wurden (nicht vollständig).
Landestellen in diesem Gebiet, die nach dem nun auf dem Tisch liegenden Gesetzvorschlag ab 2023 noch erlaubt wären (vollständig).
Ob so drastische Einschränkungen mit dem Spitzbergenvertrag vereinbar wären, der Bürgern und Unternehmen der Unterzeichnerstaaten prinzipiell freien Zugang zu Spitzbergen garantiert, ist noch eine andere Frage. Diese müsste allerdings wohl von der Regierung eines Unterzeichnerstaates gestellt werden, wenn jemand in Oslo sich damit mal ernsthaft beschäftigen soll.
Umstrittene Gesetzvorhaben (2): erweiterte Meldepflichten für Touren
Ein weiterer Teil des gesamten Gesetzespakets beinhaltet eine Erweiterung der bereits umfangreichen Meldepflichten für Touren in Gebiete außerhalb der Gemeindegebiete.
Umstrittene Gesetzvorhaben (3): Abstände zu Eisbären und Walrossen
Eigentlich im obenstehenden Punkt (1) angesiedelt, ist auch dieser Aspekt so zentral und einschneidend, dass er nicht in einem langen Abschnitt untergehen darf, sondern einer eigenen Darstellung bedarf: Die geplante gesetzliche Forderung ist, dass künftig generell 500 Meter Abstand zu jeglichen Eisbären sowie 300 Meter Abstand auf See zu Walrossen einzuhalten sind.
Insbesondere der generelle Abstand von 500 Metern zu Eisbären würde einen weiten Teil der touristischen Grundlage für eine ganze Branche zerstören: Eisbärensichtungen sind für viele Spitzbergen-Touristen, inbesondere im Kontext längerer Reisen auf kleinen Schiffen, ein wesentlicher Teil der Motivation für eine solche Reise. Beobachtungen innerhalb deutlich kürzerer Abstande von Schiffen oder kleineren Booten aus sind Alltag auf solchen Reisen und führen nicht zu Gefährdungen von Mensch oder Tier. Bei richtiger, rücksichtsvoller Praxis kommen auch Störungen von Eisbären nur ausnahmsweise und nicht in nennenswertem Umfang vor, es sei denn, man betrachtet es als prinzipiell inakzeptabel, dass ein Eisbär aufsteht und ein Stück weiter geht.
Eine Annäherung an Eisbären, die eine Gefahr für Mensch oder Tier oder eine Störung nach sich zieht (NICHT aber die Annäherung prinzipiell), ist nach dem bestehenden Spitzbergen-Umweltgesetz (Svalbardmiljølov) schon lange verboten. Hier besteht also kein regulatorisches Defizit, sondern höchstens – das ist im Einzelfall aber auch unbestritten der Fall – ein Durchsetzungsdefizit.
Es gibt keine Daten, die vermuten lassen, dass Störungen von Eisbären ein Problem für den Tierschutz wären. Es gibt unbestreitbar ärgerliche Einzelfälle, in denen das Verhalten von Touristen (oder Einwohnern), mit oder ohne Guides, gegenüber Eisbären oder anderen Tieren nicht akzeptabel ist. Solche Fälle werden aber bereits vom geltenden Recht erfasst; hier besteht „nur“ ein Durchsetzungsproblem, das auch durch neue Gesetze nicht behoben werden dürfte. Für ein systematisches Problem, das über Einzelfälle hinausgeht und für Tiere ernsthaft problematisch wäre, gibt es hingegen keinerlei Datengrundlage.
Was Walrosse betrifft: vor ein paar Jahren hat das norwegische Polarinstitut mittels automatischer Kameras bei mehreren Walrosskolonien ein Forschungsprojekt durchgeführt, um das Verhältnis von Walrossen und Menschen zu untersuchen, insbesondere im Blick auf touristische Besuche. Das Projekt kam zu dem Ergebnis, dass es keine Anzeichen dafür gibt, dass der touristische Verkehr ein Problem für Walrosse darstellt.
Dies sind die Gesetzvorschläge, die die Öffentlichkeit, zumindest die interessierte (darunter Touristen, aber nicht nur) weit über Spitzbergen hinaus unmittelbar betreffen. Aber das war es noch nicht:
Umstrittene Gesetzvorhaben (4): Qualifizierung und Zertifizierung von Guides
Ein weiteres Gesetzvorhaben betrifft die Qualifizierung und Zertifizierung der Guides. Kaum jemand bestreitet, dass hier grundsätzlich schon lange Handlungsbedarf besteht, und eine sinnvolle Zertifizierung würde von betroffenen Betrieben, Verbänden (etwa der Svalbard Guide Association) und Guides willkommen geheißen. Die aktuellen Vorschläge laufen aber darauf hinaus, den Beruf des Guides auf einen Schlag vom Status des komplett ungeschützten Berufs in eine Position zu bringen, die für die allermeisten wohl kaum erreichbar wäre. Aktuell gefordert ist ein Bündel an Zertifikaten, die nicht ortsansässige Aspiranten, die auch Reise- und Aufenthaltskosten tragen müssten, einen finanziellen Aufwand von geschätzt 10.000-20.000 Euro abverlangen würde. Das Ergebnis wäre absehbar wohl ein weitgehender Zusammenbruch der Branche, da kaum jemand diese Zertifikate hat oder mehr oder weniger kurzfristig erbringen kann. Das betrifft auch alte Hasen unter den Guides, die schon viele Jahre oder auch Jahrzehnte aktiv sind und für die es „nur“ darum ginge, schon lange praktizierte Fähigkeiten und Kenntnisse zu formalisieren. Auch sehr erfahrene Leute, die den Guide-Beruf schon lange professionell ausüben, würden es sich sicher mehrfach überlegen, ob der Aufwand sich angesichts der Gesamtentwicklung noch lohnt, und der Branche zumindest teilweise verloren gehen.
Umstrittene Gesetzvorhaben (5): Entzug des Wahlrechts für Ausländer
Das eingangs erwähnte Rechtsgutachten, das der Svalbardposten vorliegt, widmet sich der drohenden Sperrung weiter Teile der Inselgruppe, aber auch der Formalisierung des Guides-Berufs, und kommt insgesamt zu einem vernichtenden Urteil für beide Gesetzvorhaben.
An beiden Vorschlägen wird kritisiert, dass die Lokalbevölkerung und deren politische Vertretung, betroffene Branchen und andere Betroffene nicht einbezogen wurden. (Anmerkung: Theoretisch haben alle die Möglichkeit, im laufenden Hörungsverfahren Ansichten einzubringen, aber viele Betroffene haben starke Zweifel, ob kritische Meinungen über die reine amtliche Kenntnisnahme hinaus Gehör finden. Eine Einbeziehung darüber hinaus, insbesondere im frühen Stadium, fand nicht statt.)
Die Kernpunkte der Kritik des Gutachtens zur geplanten Sperrung weiter Teile Spitzbergens:
Es bestehen Zweifel, dass es eine ausreichende Rechtsgrundlage gibt.
Mangelhafte Daten und wissenschaftliche Grundlagen für so starke Einschränkungen.
Konsequenzen für betroffene Gebiete und Lokalitäten, auch die nach Plan zugänglich bleibenden, werden nicht dargelegt.
Wichtige Fachgrundlagen und Eingaben, die von Institutionen wie NINA (norwegisches Institut für Naturforschung, dessen Aufgabe u.a. genau darin besteht, Gesetzgebungsverfahren wie diesem eine fachliche Grundlage zu geben) oder dem Norwegischen Polarinstitut (dito) gegeben wurden, wurden nicht einbezogen. Das betrifft unter anderem die geforderten Abstände zu Eisbären und Walrossen.
Falsche Anwendung des vorbeugenden Prinzips („føre-var prinsippet“).
Mildere Eingriffe als die strengstmöglichen wurden anscheinend nicht ernsthaft erwogen.
Einseitige und negative Darstellung des Tourismus auf Svalbard, insbesondere des Schiffstourismus, ohne Daten- oder sonstige Grundlage.
Auch der Gesetzvorschlag des Justiz-/Wirtschaftsministeriums, wo es u.a. um die Formalisierung und Zertifizierung des Guide-Berufs geht, kommt in dem Gutachten nicht gut weg:
Konsequenzen für die Branche wurden nicht abgewogen, etwa die Kosten für nicht ortsansässige Guides für Kurse und Zertifizierung, die auf etwa 10.000-20.000 Euro geschätzt werden.
Vorhandene Kapazitäten und Kompetenzen wurden nicht erwogen.
Konsequenzen für die Verwaltung wurden nicht erwogen: wie viel Aufwand bringt die geforderte Erweiterung der Meldepflichten für Touren außerhalb der Siedlungen? Wie viele zusätzliche Stellen, Kosten und Zeit für Sachbehandlung sind zu erwarten?
Konsequenzen für Menschen und Gemeinden wurden nicht erwogen, etwa für die Attraktivität Longyearbyens, wo viele direkt und indirekt vom Tourismus leben, für Bevölkerung und Wirtschaft.
Fazit
Unter dem Strich ist die Botschaft des Gutachtens eindeutig: Die Gesetzesvorschläge sollten zurückgezogen und von Grund auf überarbeitet werden, unter einer neuen Definition der zu erreichenden Ziele sowie einer neuen Betrachtung der Rechtsgrundlagen und der wissenschaftlichen Grundlagen. Allerdings sind Beteiligte hier nur begrenzt optimistisch: Der Wille der involvierten Behörden, externe Meinungen zu hören und diesen tatsächlich Gewicht einzuräumen, scheint begrenzt zu sein, um es höflich zu formulieren. Und ein Zurückziehen eines bereits öffentlich vorliegenden Vorschlags beinhaltet natürlich auch ein zumindest implizites Eingeständnis, die vorbereitenden Arbeiten nicht gut genug getan zu haben.
Aber wie heißt es in den norwegischen Bergregeln? Es ist nie zu spät zur Umkehr.
Hier klicken, um zur Seite des norwegischen Miljødirektorat („Umweltamt“) zu kommen, mit Links zu diversen Sachdokumenten sowie zu Seite, wo Meinungen in das Hörungsverfahren eingegeben werden können. Von den betroffenen Dokumenten zur Sache sind auf dieser Seite etwas weiter unten immerhin auch englische Übersetzungen zugänglich. Die Eingabefrist wurde bis zum 1. Mai 2022 verlängert.
Anfang 2020 kamen bei Longyearbyen zwei Eisbären durch behördliches Handeln ums Leben: In den frühen Morgenstunden des 1.1. erschoss die Polizei (Sysselmester; damals Sysselmannen) einen Eisbären in einer Entfernung von mehreren Kilometern vom Ort, obwohl keine akute Notsituation vorlag (hier mehr zu diesem Vorfall). Betäuben und Ausfliegen sei laut offizieller Mitteilung nicht nötig gewesen, weil das erforderliche Fachpersonal im Weihnachtsurlaub gewesen sei.
Nur wenige Wochen später, am 30. Januar, starb ein auf behördliche Anordnung betäubter Eisbär während des Transports im Hubschrauber (hier und hier mehr zu diesem Fall).
Wie man sich vorstellen kann, riefen beide Vorfälle starke öffentliche Kritik hervor. Auch übergeordnete norwegische Behörden kamen nach wenigen Monaten zu dem Fall, dass im konkreten Fall zuwenig Fachkompetenz involviert war und dass die internen Routinen und Richtlinien für die Handtierung solcher Fälle nicht ausreichend sind (hier mehr dazu). So war im betreffenden Fall etwa kein Tierarzt einbezogen worden, obwohl das vor Ort kurzfristig möglich gewesen wäre.
Abtransport eines betäubten Eisbären bei Longyearbyen (2016).
Darüber hinaus hat sich eine für Polizeifälle zuständige Untersuchungskommission („Spesialenheten for politisaker“) die Sache auf ein Mandat der Staatsanwaltschaft hin genau angeschaut. Sowohl Sysselmannen (Governeur und Polizei auf Svalbard; heute Sysselmester) als auch das in Ratgebung und Umsetzung involvierte Norwegische Polarinstitut standen unter dem Verdacht, während der Dienstausübung grob fahrlässig vorgegangen zu sein.
Letztlich hat die Kommission ihre Untersuchung nun eingestellt und einen Bericht veröffentlicht: strafrechtlich relevante Vorkommnisse wurden nicht festgestellt. Allerdings wurden Fehler und ungenügende Routinen festgestellt, so dass die Angelegenheit dem Sysselmester übergeben wurde. Dort sollen nun bessere Handlungspläne erarbeitet werden.
Dass die Kommission sich überhaupt mit den Fällen beschäftigt hat, ist bemerkenswert, und das Ergebnis ist bestenfalls ein Freispruch zweiter Klasse. Tatsächlich ist es eine Ohrfeige für die versammelte „eisbärenfachliche Kompetenz“ von Sysselmester und Polarinstitut, die polizeilich und fachlich die höchsten zuständigen Instanzen sind, in deren Händen aber Anfang 2020 innerhalb weniger Wochen zwei Eisbären starben – mutmaßlich hätten beide Fälle bei anderer Handhabung vermieden werden können.
Bislang kennt die norwegische Politik in solchen Fällen als Wirkmittel nur das Verscheuchen mit Autos, Motorschlitten oder Hubschraubern, wobei Kritiker einwenden, dass man dadurch Eisbären, die nicht direkt verschwinden, schnell beibringt, dass auch die lautstarke Gegenwart von Menschen nicht weh tut. Dann bleibt nur das Betäuben und Ausfliegen oder aber der tödliche Schuss. Nicht-tödliche, aber stärke Wirkmittel wie Pfefferspray, evtl. auch aus größerer Distanz verschossen, oder Gummigeschosse, die einem Eisbären auf harmlose Art zeigen, dass man sich vom Menschen besser fernhält, kommen, soweit bekannt, nicht zum Einsatz. Hier scheint in Sachen Kompetenz und Praxis noch eine ganze Menge Luft nach oben zu sein.
Die allgemeinen Lieferschwierigkeiten bei Rohstoffen haben auch Spitzbergen.de erreicht: Aktuell war „Arktische Weihnachten: Das Fest des Lichts im Dunkel der Polarnacht“ über Monate ausverkauft und die Druckerei war mangels Rohmaterial nicht in der Lage, für Nachschub zu sorgen – und wir sprechen hier nicht von Millionenauflagen.
P.S. Passend dazu gibt es in der aktuellen online-Vortragsserie „Der arktische Mittwoch“ am 20.12. (ja, ein Montag) einen arktisch-weihnachtlichen Abend von Birgit Lutz und mir.
Der „arktische Mittwoch“ läuft heute (1.12.) wieder an – und geht bis zum 19.1.2022 weiter. Birgit Lutz und ich sind schon ziemlich aufgeregt, denn heute Abend freuen wir uns auf den berühmten Abenteurer Arved Fuchs, der uns von seiner Expedition auf Ernest Shackletons Spuren erzählen wird.
„Der arktische Mittwoch“ geht jetzt in die dritte Runde – Arved Fuchs eröffnet die Reihe heute mit seinem Vortrag „Shackleton 2000“!
Und danach geht es noch fünf Abende lang weiter:
08.12.: Rolf Stange mit „Norwegens arktischer Norden: Spitzbergen“
15.12.: Birgit Lutz mit „Auf Skiern zum Nordpol“
20.12. (ausnahmsweise ein Montag): Birgit Lutz & Rolf Stange mit „Weihnachten im Eis“
12.01.2022: Birgit Lutz mit „Heute gehen wir Wale fangen“
19.01.2022: Rolf Stange mit „Das Licht des Nordens“
Alle weiteren Informationen gibt es hier (klicken). Dort kann man die Vorträge einzeln buchen oder natürlich am besten gleich das praktische 6er Abo, das nach dem heutigen Vortrag bis zum 08.12. noch in Form eines 5er Abos weiterleben wird 🙂 wir hoffen, Euch bald im „arktischen Mittwoch“ zu sehen!
Birgit Lutz und Rolf Stange freuen sich auf die dritte Runde „Der arktische Mittwoch“.
Hier kommen Margas arktische Fernsehtipps für den Dezember. Braucht man ja eigentlich im Dezember kaum, wo doch nun der „arktische Mittwoch“ wieder anläuft 😉
Arktis Fernsehtipps: Der Fernseher in der Ritterhütte auf Gråhuken.
Der Empfang ist dort mitunter allerdings eher schlecht.
Die Listen werden bei Bedarf aktualisiert. Sachdienliche Hinweise werden von jeder Spitzbergen.de-Dienststelle entgegengenommen.
Margas Arktis-Fernsehtipps auf Arte im Dezember
Montag, 06.12., 11.45 Uhr: „Leben mit Vulkanen: Island: Das Königreich des Feuers“ (F 2018)