Dieser wettertechnisch etwas graue Tag beginnt mit einem kleinen Tundraspaziergang in der Engelskbukta.
Knöllchenknöterich und Silberwurz, ein paar Gräber und ein Speckofen aus der Walfängerzeit.
Später besuchen wir Ny-Ålesund, Spitzbergens nördlichste Siedlung, mit allem, was dazu gehört: alte Geschichten und moderne Forschung, Kongsfjordbutikken und Bergbau, Polargeschichte und Stadtführung.
Der Kongsfjord ist grau und bleibt es wohl in den nächsten Tagen auch. Bevor der angekündigte Nordwind einsetzt, machen wir den Sprung entlang der nördlichen Westküste nach Norden.
Der Forlandsund präsentierte sich heute neblig-grau und etwas windig. Kurzum, wir verzogen uns in den St. Jonsfjord und hofften auf bessere Bedingungen. Und: Volltreffer! Eine herrliche Gletscherlandschaft im Sonnenschein. Viele auf dem Wasser treibende kleine Eisstücke von den zwei sehr aktiven Gletschern hinten im Fjord. Einer der beiden stößt derzeit kräftig vor; über die Position, wo wir noch 2019 mit der Antigua waren, hat sich seitdem schon der Gletscher vorgeschoben! Der Nachbargletscher zieht sich hingegen zurück, wie die allermeisten Gletscher Spitzbergens.
Wir sahen uns das aus allen möglichen Perspektiven an: von einem perfekt positionierten Bergrücken, vom Wasser aus und von einer ganz jungen, kleinen Insel aus, die gerade erst in den letzten Jahren vom Gletscher freigegeben wurde. Auf dieser Insel waren vor uns sicher nicht viele an Land gewesen!
Es ist immer noch Montag, der 09. August – der Tag ist noch nicht vorbei. Nach einer kleinen Nebel- und Schaukelphase bei der Ausfahrt um den Isfjord empfängt der Forlandsund uns mit Sonne – und Dutzenden von Finnwalen!
Beim Prins Karls Forland holt der Nebel uns wieder ein. Trotzdem lassen wir uns die Gelegenheit für einen spätabendlichen Besuch bei den Walrossen nicht entgehen.
Die Sonne versteckte sich hinter einer Wolkendecke, aber windstilles Wetter und klare Sicht luden zu einer längeren Wanderung über die Erdmannflya ein, ein weites Tundraland mit vielen Rentieren, verschiedenen Vögeln, Seen, Feuchtgebieten und kleinen Felsrücken mit schönen Aussichten. Die Tour nahm den größeren Teil des Tages ein, abgerundet durch eine kleine Fahrt mit dem Schiff zum Esmarkbreen, dem Gletscher in der Ymerbukta. Nun hüllt der Nebel uns ein, während wir den Isfjord verlassen und bald in den Forlandsund einbiegen werden.
Endlich, nach fast zwei Jahren, heißt es wieder „Spitzbergen unter Segeln“! Die Freude ist groß, wir können es noch kaum fassen und glauben es erst so richtig, nachdem wir abgelegt haben. Aber nun sind wir unterwegs! Skipper Heinrich, meine Kollegin Helga und weitere neun, die sich auf 18 Tage Spitzbergen auf der Arctica II freuen.
Der erste Abend bringt gleich die ersten Schritte an Land in der Borebukta, auf der Nordseite des Isfjord. Und gleich auf den ersten Metern das erste Walross, und Blicke über die Tundra im goldenen Licht der beinahe mitternächtlichen Sonne.
Wie neulich schon erwähnt – wir verbringen viel Zeit draußen unterwegs, und natürlich steht auch in Longyearbyen ständig irgend etwas auf dem Zettel. Der Computer hat relativ viel Pause, zum Schreiben bleibt nicht viel Zeit. Dafür dampfen immer wieder die Wanderschuhe oder der Außenborder unseres Zodiacs, und immer wieder glüht der Kamerasensor.
Aber dennoch sollen ein paar Eindrücke von unseren Erlebnissen hier nicht fehlen.
Wiedersehen mit der Antigua
Die Antigua in der Ymerbukta.
Wir sind ihr nach ihrer Überfahrt ein Stückchen entgegen gekommen.
Ganz vorneweg: Die Antigua ist da! Herrlich! Wir haben es uns nicht nehmen lassen, ihr mit unserem kleinen Zodiac entgegen zu kommen. Ein wunderbares Wiedersehen mit Kapitän Mario und seiner Mannschaft gab es dann in der Ymerbukta! Dort machte die Mannschaft nach der langen Überfahrt Pause, und zur Feier des Tages haben wir der Colesbukta gemeinsam noch einen Besuch abgestattet, bevor es nach Longyearbyen ging. Dort macht die Mannschaft das Schiff nun startklar für die erste Fahrt, die am 11. August losgeht. Ich freue mich darauf, Ende August dazuzustoßen, zunächst bin ich ja bald erst mal mit der Arctica II unterwegs.
Mit Antigua-Kapitän Mario in der Colesbukta.
Das freudige Wiedersehen wird gepflegt begossen.
Pyramiden und Dickson Land
Es ist ja mittlerweile schon wieder eine Weile her, dass wir ein paar Tage in Pyramiden und Umgebung unterwegs waren. Einen versteinerten Wald gesucht und gefunden, der in einem der umliegenden Täler schon ein Weilchen steht, rund 400 Millionen Jahre im Gestein konserviert, seit er einmal bei einem Hochwasser von Schlamm bedeckt wurde – stehend, so wie er gewachsen war. Einen anderen Teil dieses Waldes hatten wir letztes Jahr schon gesehen; er wird derzeit an mehreren Stellen vom Fluss wieder ans Tageslicht gebracht, zumindest für eine geologische Millisekunde, um dann für immer zu verschwinden. Wenn man das Glück hat, in diesem Moment in der Nähe zu sein, muss man es ausnutzen!
Und überhaupt ist das Dickson Land ja einer der schönsten Teile Spitzbergens, wie ich finde.
Arktis! Spitzbergen! Natur! Auf Tour sein! Herrlich …
Das war die Kurzfassung 🙂 das ist das, worum es hier derzeit geht, in und um Longyearbyen. Anderes muss jetzt warten. Am Computer habe ich dieses Jahr schon zuviel Zeit verbracht, das steht nun zurück, sonst hätte der Arktis-Reiseblog in den letzten Wochen schon wieder reichlich Stoff bekommen können.
Aber heute ist ein Pausentag, und da kann man mal etwas aufholen.
Die Vortragsreihe „Der arktische Mittwoch“ war eine schöne Gelegenheit, sich mit manchen Geschichten und Themen, die mir wichtig sind, wieder zu beschäftigen. Vort Ort macht das natürlich am meisten Spaß. Wer erinnert sich an den Vortrag „Die Ostküste – Geschichte(n) einer legendären Spitzbergen-Route“ vom April? Da ging es um die erste Querung Spitzbergens durch den Engländer Martin Conway und Begleiter von 1896, neben diversen Geschichten drumherum natürlich.
Nun waren wir auf Conway’s Spuren unterwegs (beim englischen Namen darf der Genitiv ein Apostroph bekommen, finde ich, sieht sonst komisch aus). Conway und sein Begleiter Garwood haben vom Adventdalen aus einen Vorstoß nach Süden gemacht, um eine Route zum Van Mijenfjord (damals von Conway „Low Sound“ genannt) im Süden zu erkunden. Mangels topographischer Information hatten die beiden damals eine ziemlich absurde Route genommen und es wurde ein heftiger Gewaltmarsch.
Dieses Tal marschierten Conway und Garwood 1896 bis ans Ende, wo man das Reindalen erkennt. Damit hatten sie die gesuchte Route vom Adventfjord zum Van Mijenfjord gefunden.
Das haben wir nun natürlich nicht gemacht, aber das Bolterdalen hat es trotzdem in sich: nasse Tundra über Kilometer hinweg, Flussquerungen, weite steinige Moränenlandschaft. Arktis eben!
Belohnt wird man mit jeder Menge arktischer Natur, von einer blühenden Pflanzenwelt über neugierige Rentiere, darunter einige Kälber, und versteinertem Holz aus grauer (tertiärer) Vorzeit.
Nach der Tour konnten wir bequem ins Auto steigen und nach Longyearbyen fahren. Conway hingegen war eines seiner beiden Pferde weggelaufen. Das Tier hatte keine Lust mehr auf den anstrengenden Marsch durch weite Schneesümpfe und ist abgehauen, den kompletten Weg zurück nach Advent Point (wo heute der Flughafen in der Nähe liegt). Einer der Männer musste den ganzen Weg dorthin marschieren, um das arme Pony zurückzuholen! So kam das Bolterdalen, damals Bolter Valley, zu seinem Namen (engl. to bolter = ausreißen).
Galerie – Bolterdalen
Hier einige Eindrücke von einem Tag im Bolterdalen, angefangen bei Longyearbyen:
Endlich – Spitzbergen! Endlich, nach langer Durststrecke wieder frische arktische Luft! Mal schauen, was die nächsten Wochen und Monate alles bringen werden. Wir sind voll mit Hoffnungen und Plänen.
Wer von Oslo aus losfliegt, sollte es am Flughafen Oslo Gardermoen wirklich nicht eilig haben. Die Warteschlangen sind schnell sehr, sehr lang, und es daaauuuert …
Zeit sollte man übrigens auch beim ersten Gang in den Svalbardbutikken (der Supermarkt) mitbringen. Gefühlt ist er jetzt doppelt so groß. Ganz perfekt ist es noch nicht …
Eine Ecke im völlig umgebauten Supermarkt in Longyearbyen.
Preisfrage für Spitzbergen-Nerds: was ist hier falsch? 🙂
Endlich – Spitzbergen! Ein paar erste Eindrücke aus Oslo und Longyearbyen
Sonntag, 30. Mai 2021, früher Nachmittag – genau jetzt würden sich etwa 30 Arktis-Begeisterte zusammen mit der Mannschaft im Hafen von Longyearbyen auf der Antigua einfinden.
Nun eben nicht, aus allgemein bekannten Gründen. Zum zweiten Mal in Folge fällt diese Reise coronabedingt aus, wie auch die längere Fahrt mit der Antigua Ende Juni/Juli.
Was uns nun entgeht, weiß keiner. Das ist ja eben das Schöne an diesen Fahrten, dass jede Reise wieder neu ist und auch für die Spitzbergen-Erfahrenen an Bord Erlebnisse bringt, mit denen mehr oder weniger keiner gerechnet hat. Man weiß eben vorher nie genau, wo es hin geht, wie das Wetter sein wird, wo man die Tiere findet.
Mit der Antigua an der Eiskante im Smeerenburgfjord, Anfang Juni 2019.
Nachholen kann man das nicht. Nächstes Jahr wird wieder ein neues Jahr, es wird nur 12 Monate haben und das bringen, was 2022 eben bringen wird, unabhängig davon, was 2021 alles nicht möglich war und ist.
Wir können spaßeshalber das machen, was wir natürlich zu Beginn einer jeden Reise ständig machen, und zwar einen Blick auf Eiskarte und Wettervorhersage werfen. Wir sehen, dass die Nordküste Spitzbergens vollständig in dichtem Eis liegt. Im Storfjord, im Südosten, hingegen eher lockere Eisfelder, unterbrochen von Flächen offenen Wassers. Es wäre eine spannende Überlegung gewesen, nicht in den Nordwesten zu fahren, wo man nach Stand der Dinge erst gar kein Eis hat und dann von jetzt auf gleich so viel, dass es gar nicht mehr weiter geht, sondern in den Süden und Südosten, in die schönen Fjorde an der südlichen Westküste und zu den offeneren Treibeisfeldern im Storfjord, wo man auch auf einem Segelschiff erleben kann, wie es ist, wenn man in alle Richtungen Eisschollen sehen kann.
Natürlich hat bei all dem auch das Wetter eine Menge zu sagen. Es wäre sicher keine durchgehend sonnige Woche geworden, aber wann hat man das schon mal? Eine Mischung aus allem, von blauem bis zu grauem Himmel, hier Sonne und da auch mal Regen, Schnee oder irgend etwas dazwischen eben. Frühjahr in der Arktis. Wie das Wetter in diesen Gegenden, im Smeerenburgfjord oder im Hornsund, in ein paar Tagen sein wird, weiß nur, wer zu dieser Zeit dort ist.
Wir werden nicht dort sein. Traurig. Damit entgehen etwa 40 Menschen (die Mannschaft natürlich eingeschlossen) Erlebnisse, an die alle ein Leben lang gerne zurückdenken würden. Der wirtschaftliche Aspekt für den Schiffseigner, die Tallship Company, den Veranstalter, die Geographische Reisegesellschaft, und die auf dem Schiff Arbeitenden kommt noch hinzu. Ich hoffe, dass alle gut durch diese Zeit kommen. Dass das nicht unbedingt einfach ist, weiß ich selbst zu gut.
Noch haben wir Hoffnung, dass sich für die noch nicht abgesagten Reisen im späteren Teil der Saison noch Möglichkeiten öffnen werden. Absehbar ist das derzeit noch nicht. Was sich abzeichnet, wie alle wissen werden, die die Nachrichten verfolgen, ist, dass vollständig Geimpfte oder durch Genesung Immunisierte früher wieder weiter gehende Reisefreiheit genießen werden. Auch in Norwegen gehen die politischen Überlegungen in diese Richtung. Alle, die noch Hoffnung haben, dieses Jahr noch mit einem kleinen Schiff in einem abgelegenen Winkel der Welt reisen zu können (coronatechnisch eine der ungünstigsten Kombinationen, die man sich vorstellen kann), werden gut beraten sein, sich nach Möglichkeit um eine rechtzeitige, vollständige Impfung zu bemühen, auch wenn das für viele natürlich viel leichter gesagt als getan ist.
Die lebensnahe Erzählung von einem, der auszog, um in Ostgrönland das Hundeschlittenfahren zu lernen und nicht nur das einigermaßen erfolgreich tat, sondern auch viel darüber hinaus über Grönland erfuhr, bringt Lesende zuverlässig hier zum Schmunzeln und dort vielleicht auch zu Nachdenken. Unterhaltsam-spannende Erzählungen von vielen Touren in Grönlands grandioser Natur mit dem schönsten Fortbewegungsmittel, das es dazu gibt! Informative Seiten über Hintergrundthemen wie „Grönland – vorgestern, gestern und heute“, „Der Grönlandhai“, das „Grönland-Kochbuch“ und „Jagd in Grönland“ fehlen genau so wenig wie viele eindrückliche Fotos, Comiczeichnungen von Sabine Formella und Kartenskizzen.
Was ist nun neu? Die Fotos sind viiieeel besser. Mehr, größer, besser. Handelte es sich bei der ersten Aussage überwiegend um kleine Schwarzweißfotos, mehr schwarz als weiß, sowie zu wenige und meist zu dunkel gedruckte Farbfotos, gibt es nun ingesamt mehr und größere und qualitativ deutlich verbesserte Farbbilder. Sämtliche Schwarzweißfotos wurden überarbeitet und in Farbe übernommen. In der Zeit seit 2006 habe ich ja doch ein klein wenig gelernt über Bildbearbeitung, irgendwo für muss das ja gut sein 😉
Im Hinterkopf hatte ich eine solche Überarbeitung schon lange. Der Vortrag am Mittwoch (17.3.), in dem ich die Geschichte der „Scoresbysund Hot Dogs“ in der Reihe „Der arktische Mittwoch“ aufgegriffen habe, war nun ein guter Anlass, das endlich mal anzugehen.
Auch in fiesesten Corona-Zeiten finden gelegentlich noch schöne Ereignisse statt, so der Hilmar Nøis Trail, ein Hundeschlittenrennen auf Spitzbergen – dieses Mal natürlich nur für diejenigen, die ohnehin vor Ort waren. Max Schweiger war dabei und erzählt. Vielen Dank, Max, für den lesenswerten Bericht, sowie an Thomas Grant Olsen für weitere Fotos.
Hilmar Nøis Trail 2021: Ein Rennbericht von Max Schweiger
Das Finnmarksløpet ist das längste Hundeschlittenrennen Europas mit einer Distanz von bis zu 1.200 km und mit seinem Austragungsort in Alta, Nordnorwegen, auch das Nördlichste der Welt. Das sagt zumindest Wikipedia.
Doch jedes Jahr organisieren eine Handvoll Vereinsmitglieder des „Longyearbyen Hundeklubb“ hier auf Spitzbergen zwei weitere Rennen und somit die beiden eigentlich Nördlichsten der Welt. Trappers Trail, ein mehrtägiges Rennen im April, und den Hilmar Nøis Trail.
Letzterer fand vergangenes Wochenende trotz der Pandemie statt. Das „Finnmarksløpet“ unterdessen musste coronabedingt bereits abgesagt werden. Insgesamt 19 Teams, in drei Klassen (Kinder mit Hundeschlitten, Erwachsene mit Gespann aus maximal fünf, bzw. die offene Klasse mit mehr als fünf Hunden) über zwei Kurse (Jernsenga und zurück, bzw. einmal um Jansonhaugen und zurück) traten an und versammelten sich zum Massenstart im Adventdalen vor Longyearbyen.
Es gilt zu tun, was bei Veranstaltungen dieser Größe stets getan zu werden hat: ein Rennbericht muss her, und das möglichst kurzfristig und kurzweilig – los geht’s! (Anmerkung: Max hat den Beitrag auch tatsächlich sehr schnell geschrieben. Nur kam Rolf leider zunächst nicht zur weiteren Bearbeitung – daher jetzt passend zum Wochenende 🙂 )
Das Team
27. Februar 2021. Es ist 7:00 Uhr. Unter Absingen schmutziger Lieder, mit verschlafenen Augen und ohne meine erste Tasse Kaffee verlasse ich das Haus. Es ist Rennmorgen. Am Abend zuvor hatte ich mein gewohntes Vierergespann, bestehend aus Luna, Aaron, Berta und Sputnik, geringfügig erweitert. Dazu später mehr.
Es gibt Suppe. Hundesuppe. Ein Rezeptversuch: man mische Rentierfleischreste der Jagd des vergangenen Sommers mit ein wenig Fett an und schmecke es dann mit Fischöl ab. Dazu gibt es reichlich Wasser. Dererlei Delikatessen sind im Sommer in Kombination mit Plusgraden und entsprechender Geruchsentfaltung nur etwas für echte Genießer. Heute bei -14 Grad Celsius ist das kein Problem. Vor einer langen Belastung – beim Hilmar Nøis Trail von etwa 40 Kilometern durch das Adventdalen und um eine Erhebung mit dem Namen Janssonhaugen herum – ist das Trinken besonders wichtig. Die Tiere müssen gut hydriert sein um eine solche Anstrengung gut und gesund zu überstehen. Meine geliehenen Neuzugänge des „Team Resten“ werden ebenfalls versorgt. Statt der am Vorabend vereinbarten sechs Neuzugänge, finden sich aber sieben Hunde im Zwinger. Ein weiß, hell grauer Hund, den ich noch nie zuvor gesehen habe. Ein Männchen mit gesundem Appetit.
Wieder zu Hause ein Anruf – ob wir noch Platz für einen Hund mehr im Gespann hätten. Thomas hätte einen Hund zum Aufpassen bekommen, dem etwas Bewegung gut tun würde. Das erklärt zumindest den unbekannten Gast im Zwinger heute Morgen … Bewegung? Kann er haben! Somit sind wir jetzt elf Hunde. Und zwei Menschen. In der Aufregung und vertieft ins Packen frage ich nicht mal nach dem Namen des Tiers … Jetzt muss es aber schnell gehen, Kaffee hinter die Birne, eine Scheibe Brot, die letzten Sachen im Rucksack verstauen und zurück in den Hundehof.
Start
Es ist mittlerweile halb zehn Uhr, noch eine halbe Stunde bis zum Start. Am Straßenrand stehen Autos, Schneemobile und Transporter. Hunde jaulen und bellen in Vorfreude auf das Rennen. Taue werden an allem, was Halt bietet, festgeknotet, Schlitten am anderen Ende festgebunden und die ersten Hunde bereits angeleint. Anspannung ist in den Augen mancher Mitbewerber zu sehen, ein Hauch von Wettkampfgefühl macht sich breit. Nicht bei uns. Während sich komplette Gespanne bereits Richtung Startlinie machen, suchen wir ein Geschirr für unseren Neuzugang. Mittlerweile habe ich neben meiner Freundin als Mitfahrerin, noch drei Erwachsene und drei Kinder als Helfer dazugewonnen. Mit deren freundlicher Hilfe geht es dann doch nur knappe zehn Minuten nach dem offiziellen Start raus ins Tal. Als vorletzter Schlitten und mit wackligem Start – aber wir sind unterwegs.
Durch das schneebedeckte Adventdalen geht es raus und in leichten Schlangenlinien bilden wir das Ende des Trosses. Es ist ein herrlicher Wintertag und die Vorfreude der Hunde weicht bald einer entspannteren Stimmung. Wir kommen langsam in unseren gewohnten Trott. Auch Berta, unsere kleinste Mitstreiterin, die besonders beim Start mit ihren halb so kurzen Beinchen erstaunliche Schrittfrequenzen zu Tage bringt, beruhigt sich nun langsam.
Die Route ins Adventdalen
Die ersten beiden Meilen (eine norwegische Meile entspricht 10 Kilometern) verlaufen unspektakulär und wir genießen die Landschaft und Stille, die nur durch den Trott und das Hecheln der Hunde unterbrochen wird. So nähern wir uns langsam aber sicher dem Checkpoint Jansonhaugen. Hundeschlittenrennen laufen nämlich ähnlich wie Orientierungsläufe ohne eine strikt vorgegebene Route ab. Dafür gilt es bestimmte Punkte zu passieren. Dort wird dann die Zeit genommen. In unserem Fall war das der Janssonhaugen, also die große Erhebung im mittleren Adventdalen. In dem Fall rächt sich meine schlampige Vorbereitung, als die Frage aufkommt, ob wir „denn jetzt eigentlich richtig rum um das Ding fahren würden?“ … 🙂
Es blieb mir also nichts anderes übrig, als bei effektiven fast -20 Grad Celsius ohne Handschuhe die Rennbeschreibung zu googeln. Im Uhrzeigersinn. Also dann waren wir doch richtig.
Checkpoint am Janssonhaugen
Der Checkpoint besteht aus einer Fahne mit einem kleinen Kästchen drunter. Hätte ich mich rechtzeitig für die richtige Tour angemeldet, hätte es hier Schokolade für uns gegeben. Gab es aber nicht. Zum Glück hatten wir zwischen Hundesuppe und Einspannen morgens noch Zeit, Muffins zu backen. Die Sinnhaftigkeit, dafür einen späten Start in Kauf zu nehmen und während eines Rennens stehen zu bleiben, sei dahingestellt (Anm. d. Red.: Dabeisein ist alles!). Während wir Pause einlegen, wälzen sich die Tiere im Schnee. Zumindest die Hunde scheint es nicht zu stören – nur Aaron und Nokas bellen und wollen direkt weiterrennen.
Es geht durch kurvenreiches Terrain und und knietiefen Schnee um den Berg herum. Zum ersten Mal artet die Tour in körperliche Ertüchtigung auch für die Zweibeiner aus. Im schweren Schnee bleiben wir immer wieder stecken. Sputnik geht derweil ein wenig die Motivation flöten. Als wir das Tal verlassen, lässt er als Einziger den Kopf hängen und trottet vor sich hin. Die Leine ist nicht mehr gespannt. Also packen wir ihn mit auf den Schlitten. Die Beifahrerposition scheint ihm bekannt, mit vollem Gewicht schmeißt er sich auf meinen Schoß und verbringt die nächsten fünf Kilometer mit der Beobachtung von Rentieren an den Hängen links und rechts von uns oder döst vor sich hin.
Kampf um den Ehrenplatz
Ein Blick über die Schulter. Und dann entdecken wir tatsächlich etwas, das wir nie für möglich gehalten hätten. Nach über drei Stunden taucht hinter uns ein anderer Schlitten auf. Wir sind nicht die letzten! Jetzt brauchen wir natürlich alle Hundestärken, die wir noch aufbieten können. Sputnik trottet widerwillig zurück ins Gespann, fängt sich aber sofort beim Start wieder und mit komplettem Team geht es auf die letzten Kilometer und den Zielsprint zurück Richtung Hundehof. Immer wieder sehen wir nervös zurück, aber es scheint als könnten wir unseren knappen Vorsprung halten. Mit dem kompletten Gespann geht es zurück in den Hundehof und wir stoppen die Uhr – 41 km in 4:01h. Und nicht letzter. Wir sind hoch zufrieden. Die Tiere werden durchgeknetet und gefüttert. Für die Menschen gibt es Pizza. Am Abend erfahren wir, dass das Team hinter uns nur mit fünf Hunden in der eben kleineren Klasse unterwegs war. Damit sind wir in unserer Gruppe das letzte Team. Aber mit Neuzugang, Muffins, Hundepassagier und hoch zufrieden.