Das Licht kehrt nun in die hohen Breiten des Nordens zurück, und ich habe die Gelegenheit, ihm zu folgen – oder, was die Sonne selbst betrifft, etwas schneller zu sein.
Falls es jemanden interessiert: Die Anreise verlief bemerkenswert unproblematisch, wenn man auf die Prozedur eingestellt ist: digitale Anmeldung der Einreise vorab, Test in Oslo direkt nach Ankuft sowie maximal 24 Stunden vor Weiterreise nach Longyearbyen. Wenn man nur eine Übernachtung zwischen Ankunft in Oslo und Weiterreise von dort einlegt, wird in der Regel ein Test reichen.
Wie sich das künftig entwickelt, weiß ich natürlich nicht. Auch in Norwegen werden die Regeln sich wohl bald ändern. Es ist von deutlichen Erleichterungen die Rede.
Eis im Hafen von Longsyearbyen (småbåthavna, „Sportboothafen“)
Die Zeit in Longyearbyen war recht kurz und hektisch. Kürzer und hektischer als geplant, denn eigentlich sollte es erst in einigen Tagen von dort weitergehen. Eine Bootsfahrt von 6-7 Stunden Dauer stand bevor. Die kleine, robuste MS Farm – nicht zu verwechseln mit Schiffen, die Fram heißen – von Hennigsen ist das einzige Boot, das zu dieser Zeit überhaupt im Wasser ist, und mit dem ging es schon am sehr frühen Morgen des Tages nach Anreise los. Schon die Ausfahrt aus dem halbwegs gefrorenen Hafen (småbåthavna) war ein kleines Abenteuer – unter einem schönen Nordlicht!
Mit MS Farm über den polarnächtlichen Isfjord
Um die Mittagszeit gibt es schon wieder einige Stunden Dämmerung, und in dieser Zeit erreichten wir Farmhamna an der Westküste Spitzbergens. Hier werde ich Rico für ein paar Wochen zur Hand gehen. Ihm und seiner Partnerin Karoline gehört diese schöne Trapperstation. Zusammen tragen sie dazu bei, dass der Überwinterungsfang, der in Spitzbergen eine jahrhundertelange Tradition hat, nicht ganz verloren geht.
Farmhamna: glücklich angekommen – angekommen und glücklich.
Schon ist das neue Jahr beinahe drei Wochen alt. Allzu viel Weltbewegendes ist im hohen Norden nicht geschehen, aber es ist doch Zeit für einen kleinen Überblick über den Stand der Dinge, in eigener Sache wie in und um Spitzbergen.
Der arktische Mittwoch
Der „arktische Mittwoch“ ist vorbei, der letzte Beitrag der dritten Serie lief gestern (Mittwoch, 19.1.) Abend. Natürlich kann ich als Vortragender nicht für mich keine Unvoreingenommenheit in Anspruch nehmen, aber den diversen Nachrichten zufolge darf ich guten Gewissens behaupten, dass es gut war. Ich war offenbar nicht der einzige, dem es Freude gemacht hat. Über 200 Menschen haben zugeschaut, und das ist schon ziemlich umwerfend, genau wie der viele Zuspruch, der mich hinterher erreichte. Danke!
Und nach dem Spiel ist ja bekanntlich vor dem Spiel. Vorträge wird es ohne Zweifel weiterhin geben, sowohl online als auch offline (hoffe ich jedenfalls, letzteres hängt ja nun nicht an mir). Ich habe verschiedene Ideen und rechne mit mehreren Terminen im Herbst/Winter, und wer die Vorträge im „arktischen Mittwoch“ verfolgt hat, wird nicht überrascht sein zu lesen, dass ich primär auf Vorträge aus eigener Hand mit Schwerpunkten im historischen und naturkundlichen Bereich setzen werde. Was nicht heißen soll, dass es nicht auch Vorträge im Bereich Reise, Abenteuer und Erzählungen geben kann – der Herbst ist noch weit weg, das Programm nicht fest gesetzt und Ideen in der Entwicklung.
C & O in Longyearbyen
C wie Corona, O wie Omikron – wer will’s noch hören? Wahrscheinlich niemand. Wen überrascht es, dass C & O sich nun auch in Longyearbyen immer mehr etablieren? Wahrscheinlich niemanden. Die Anzahl positiv Getesteter bewegt sich mittlerweile solide im zweistelligen Bereich, und längst sind nicht mehr alle Fälle importiert, sondern es geht auch um „wilde“ Ansteckung vor Ort, mittlerweile auch in der Schule.
🙁
Für Reisen nach Longyearbyen gilt nach wie vor für alle eine Testpflicht, worüber sich sowohl Anwohner, die wieder nach Hause wollen, als auch die Wirtschaft aufregen, nicht zuletzt der Tourismus. Zumal Norwegen derzeit eher wieder lockert, beispielsweise wurde das Ausschankverbot wieder aufgehoben. Mit der Testpflicht fühlt man sich in Longyearbyen einer restriktiven Behandlung unterzogen, die sonst in Norwegen so für niemanden gilt, und es gibt durchaus Stimmen, die fragen, warum denn an dieser Stelle für Spitzbergen andere Regeln gelten als für das norwegische Festland. Der Tourismus bangt derweil um die wichtige winterliche Hauptsaison, die nun schon zweimal hintereinander weitgehend ausgefallen ist.
Keine Sabotage an der Kabelage
Nein, die Rede ist hier nicht von dem kürzlich beschädigten Tiefseekabel, das die Kommunikation zwischen Spitzbergen und Festland sichert. Was damit passiert ist, weiß noch niemand, und das wird wahrscheinlich auch noch eine Weile so bleiben. Es muss erst mal notwendige Ausrüstung für Untersuchungen und Reparaturen beschafft werden. Bislang ist noch nicht einmal bekannt, wo genau der Schaden aufgetreten ist.
In dem Zusammenhang (siehe dieser Beitrag – hier klicken) drängte sich auch der ähnlich anmutende, mysteriöse Fall eines beschädigten Kabels auf dem Meeresboden vor den Vesterålen in Nordnorwegen ins Bewusstsein. In beiden Fällen wurde hinsichtlich möglicher Ursachen explizit nichts ausgeschlossen, was bedeutet, dass auch Sabotage für möglich gehalten wurde. Man muss sich schon Mühe geben, um dabei nicht an Norwegens großen Nachbarn im Osten zu denken (nein, nicht Schweden), der international derzeit für eher schlechte Stimmung sorgt. Aber zumindest im Fall des Kabels vor Nordnorwegen scheint Sabotage laut NRK wahrscheinlich auszuscheiden: Das noch fehlende Kabelstück wurde „gefunden“ – tatsächlich hat sich zwischenzeitlich gezeigt, dass das abgerissene Kabelstück, das in etwa 11 Kilometern Entfernung gefunden worden war, doch das gesamte herausgerissene Stück war, nachdem die genaue Länge gemessen werden konnte.
Eine Auswertung des Schiffsverkehrs in der Gegend zur fraglichen Zeit hat mittlerweile Hinweise ergeben, dass wahrscheinlich ein Fischtrawler für den Kabelsalat verantwortlich ist. Zuvor war man davon ausgegangen, dass ein Trawler sich nach einem solchen Vorfall wohl gemeldet hätte, aber diesen Vertrauensvorschuss wird man nun wohl nachträglich korrigieren müssen. Immerhin kann man sich darüber freuen, dass damit eine potenzielle weitere Belastung für die internationalen Beziehungen nun wahrscheinlich nicht mehr im Raum steht.
Ob sich für das Spitzbergen-Kabel eine ähnlich „harmlose“ Aufklärung findet, bleibt abzuwarten.
Polar Permaculture: weder Perma noch Kultur
Der Betrieb war weder von Dauer („perma“nent), noch scheint der zumindest in den letzten Zügen buchhalterisch-kulturell hochwertig geführt worden zu sein: Der umweltschonende Gartenbaubetrieb Polar Permaculture, der im kuppelförmigen Dom in Nybyen Kräuter und Gemüse gezogen hat, ist trotz öffentlicher Hilfen während der Corona-Krise pleite gegangen. So weit so nachvollziehbar. Aber: Da die Verwendung der öffentlichen Gelder nicht nachvollziehbar ist, liegen gegen den kleinen Betrieb Anzeigen vor, unter anderem von der Gemeinde (Longyearbyen Lokalstyre). Immerhin geht es um gut 2 Millionen Kronen (gut 200.000 Euro), die von öffentlichen Geldgebern und privaten Gläubigern kamen. Wie sich zeigte, ist die Buchhaltung von Polar Permaculture mit „chaotisch“ wohl noch wohlwollend beschrieben. Nun untersucht der Sysselmester laut Svalbardposten, ob ein formelles Verfahren eingeleitet werden soll.
Mit „Das Licht des Nordens“ kommt nächsten Mittwoch bereits der letzte Beitrag in dieser Reihe der Online-Vortragsserie „Der arktische Mittwoch“. Auch danach wird es weiter Online-Vorträge geben, aber zunächst hoffen wir, dass Richtung Frühjahr und Sommer das Erlebnis vor Ort im Vordergrund stehen wird …
In „Das Licht des Nordens“ wird es sicher nicht darum gehen, einen Abend lang schöne Fotos von Sonnenuntergängen und Nordlichtern anzuschauen 🙂 stattdessen steigen wir in die naturkundlichen Hintergründe einsteigen und schauen, was für Vorgänge für die schönen Stimmungen verantwortlich sind, die ganz vorneweg mit dafür verantwortlich sind, dass so viele sich immer wieder von der Natur im Norden angezogen fühlen. Das arktische Virus, das ist das Licht – „Das Licht des Nordens“!
Und fast direkt anschließend, also Donnerstag Abend, gibt es die Gelegenheit, bei „Norsk på reisen“ mit Kristina und mir einen kleinen Norwegisch-Schnupperkurs zu machen, um in 90 Minuten einen kleinen Einblick und etwas Gefühl für die norwegische Sprache einschließlich der Aussprache zu bekommen.
In grauer Vorzeit war man auf eine Schiffsverbindung angewiesen, um Nachrichten zwischen Spitzbergen und dem Rest der Welt zu befördern. 1911 beschleunigte die Radiostation auf Finneset südlich von Barentsburg (existierte damals noch nicht) die Kommunikation ganz erheblich, wenn die übrigen Siedlungen auch erst mal mühsam Boten mit Boot oder Hundeschlitten dorthin schicken mussten, damit Nachrichten verschickt oder geholt werden konnten.
Später übernahmen Richtfunkantennen die Kommunikation zwischen den Siedlungen und der Radiostation, die den Kontakt zum Festland herstellte.
Diese Schmalspurverbindung reichte aber vorn und hinten nicht mehr, als 1997 auf dem Plåtoberg bei Longyearbyen SvalSat gegründet wurde: Eine Anlage mit Antennen, die Daten von Satelliten empfangen und zu diesen hinauf schicken. Um die Kommunikation zu Satelliten in Polumlaufbahn zu gewährleisten, sind solche Stationen in möglichst hohen Breiten erforderlich. Seit der Gründung wurde SvalSat immer wieder erweitert, mittlerweile stehen dort etwa 100 Antennen.
Die Antennenanlage SvalSat auf dem Platåberg bei Longyearbyen. Hier werden Satelliten gesteuert und deren Daten empfangen.
Da Kunden wie NASA und ESA nicht gerne lange warten, bis ein Datenträger per Post angekommen ist, wurden 2004 zwei Glasfaserkabel zwischen Longyearbyen und dem norwegischen Festland verlegt, um auch große Datenvolumina schnell transportieren zu können. Seitdem hat Longyearbyen theoretisch sehr schnelles Internet (Randbemerkung: praktisch erlebt man das als einfacher Kunde mitunter anders).
Klar ist aber auch, dass die beiden Datenleitungen auf dem Meeresboden ein sehr sensibles Stück Infrastruktur darstellen, von dem sowohl die Kommunikation aller Siedlungen Spitzbergens abhängt als auch die Steuerung und der Datenempfang von Satelliten in Polumlaufbahn, die Teil einer global bedeutenden Infrastruktur sind (u.a. GPS, Galilei, Wettersatelliten, Forschung, Kommunikation).
Am vergangenen Freitag früh wurde eines der beiden Kabel schwer beschädigt, wie die Betreibergesellschaft Space Norway in einer Pressemeldung mitteilte. Zur Reparatur ist ein hochseegängiges Kabellegeschiff erforderlich, was nicht kurzfristig verfügbar ist. Sollte auch das zweite Kabel ausfallen, wären die Folgen erheblich. In Longyearbyen tagte bereits ein Krisenstab, um den Fall der Fälle vorzubereiten. Ein Ausfall des zweiten Kabels wird aber für unwahrscheinlich gehalten, und solange ein Kabel funktioniert, gibt es keine Einschränkung der Datenübertragung.
Der Schaden ist 120-130 Kilometer von Longyearbyen entfernt aufgetreten. Dort fallen die Meerestiefen vom eher flachen Schelf auf über 2000 Meter in die Tiefsee ab. In diesem Bereich kommt es immer wieder zu untermeerischen Hangrutschungen, die gewaltig sein können. Natürliche Ursachen sind daher nicht auszuschließen. Das ist bislang jedoch Spekulation, genaueres ist zur Ursache bislang zumindest öffentlich nicht bekannt und Sabotage wird NRK zufolge bislang zumindest nicht ausgeschlossen.
Der Fall erinnert an den rätselhaft erscheinenden Ausfall einer Forschungsanlage auf dem Meeresboden vor Nordnorwegen, dem „Lofoten-Vesterålen Meeresobservatorium“, kurz „LoVe“. Diese zivile Anlage, die umfassend ozeanographische Daten verschiedener Art aufzeichnet, wurde erst am 25. August 2021 feierlich eingeweiht, aber da war ein wesentlicher Teil wohl bereits zerstört: 4 Kilometer eines tonnenschweren Unterwasserkabels waren nicht nur beschädigt, sondern sogar entfernt worden. Später wurden 3 der 4 Kabelkilometer in gut 10 Kilometern Entfernung wieder gefunden. Eine natürliche Ursache oder eine unbemerkt gebliebene, versehentliche Beschädigung scheiden wohl aus. LoVe ist zwar eine zivile Forschungsanlage, zeichnet aber auch akustische Daten auf und könnte damit U-Boote in der Nähe registrieren.
Vor der norwegischen Küste gibt es einen regen U-Boot-Verkehr. Nicht alle zeigen sich so offen wie dieses U-Boot, das im vergangenen November bei Tromsø geschleppt wurde.
Es wurde in dem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass Russland über die Fähigkeit verfügt, in den fraglichen Tiefen zu arbeiten und potenziell technische Anlagen auf dem Meeresboden in der Tiefsee gezielt zerstören könnte. Daher zog der Fall in norwegischen Sicherheitsbehörden weite Kreise, wie neben NRK auch internationale Medien wie SPIEGEL Online berichteten. Hinweise auf eine Urheberschaft Russlands sind allerdings bislang nicht öffentlich bekannt geworden, und natürliche Ursachen werden bislang nicht ausgeschlossen, erscheinen jedoch eher bizarr (Strömung, Wale, Riesenkraken).
Frohes neues Jahr! Hier kommen Margas arktische Fernsehtipps für den Januar 2022. Während der Polarnacht darf man gerne schon mal den Fernseher anwerfen, aber nicht am 12. und am 19., da laufen die letzten Beiträge der online-Vortragsserie „Der arktische Mittwoch“ 🙂
Arktis Fernsehtipps: Der Fernseher in der Ritterhütte auf Gråhuken.
Der Empfang ist dort mitunter allerdings eher schlecht.
Die Listen werden bei Bedarf aktualisiert. Sachdienliche Hinweise werden von jeder Spitzbergen.de-Dienststelle entgegengenommen.
Margas Arktis-Fernsehtipps auf Arte im Januar
Samstag, 01.01., 09.00 Uhr: GEO Reportage: „Arktis: Ein Junge wird Jäger“ (D 2012)