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Das Svenskehuset liegt in der Nähe des Kapp Thordsen im Süden des Dickson Landes, dort, wo der mittlere Isfjord in den Billefjord und den Sassenfjord-Tempelfjord übergeht. Es ist das älteste Haus Spitzbergens – gemeint ist hier die Hauptinsel; auf der Bjørnøya gibt es das noch deutlich ältere Hammerfesthus – und von den wenigen Häusern aus dem 19. Jahrhundert auch das größte.
Während der Spitsbergen-Expedition von 1864 hatte Adolf Erik Nordenskiöld dort in den Trias-Schichten Phosphorit-Vorkommen gefunden, von denen er annahm, dass sie sich zu Dünger verarbeiten und somit kommerziell nutzen ließen. Darin sah Nordenskiöld eine Grundlage für eine schwedische Kolonie auf der damals herrenlosen Insel, zu der die Schweden aufgrund ihrer vielen Expeditionen im 19. Jahrhundert Zeit eine stärkere Verbindung hatten als alle anderen Länder.
Dies ist der Haupteingang auf der Südostseite des Hauses. Zur Zeit der Aufnahmen (2020) war er mittels einer aufgeschraubten Platte fest verschlossen (der Hintereingang auf der Nordseite, zum Berg hin, war zugänglich).
Nordenskiöld fand Geschäftspartner, die eine kleine Expedition finanzierten, um das Phosphorit-Vorkommen näher zu untersuchen. Im Juli 1870 gingen zwei junge Männer an Land, erreichten aber zunächst nicht mehr, als es bei aufkommendem Sturm gerade noch rechtzeitig zurück zum Schiff zu schaffen. Etwas später, vom 5. bis 17. August, konnten sie das Vorkommen dann genauer erkunden.
Beide waren Geologen. Einer hieß Hjalmar Wilander, der andere war Alfred Nathorst. Letzterer wurde später sehr bekannt, er wurde nach Nordenskiöld die Führungsfigur der schwedischen Polarschung.
Hier sind wir im größten Raum des Hauses, zentral im Erdgeschoss gelegen. Es diente während der Überwinterung von 1882-83 (auf die Geschichte kommen wir noch zurück) als Arbeitszimmer und Bibliothek für die Wissenschaftler.
Nach den geologischen Vorarbeiten wurden Vorbereitungen in Gang gesetzt und die Aktiebolaget (AB) Isfjorden gegründet. Im Sommer 1872 wurde das Haus dann gebaut. Per Öberg, der 1870 Nordenskiöld auf dessen Expedition nach Grönland begleitet hatte, und der Norweger Johan Tiberg, ein erfahrener Bergmann, leiteten die Expedition der „Kolonisten“: 27 Menschen, darunter mehrere Frauen und Kinder wie Tibergs Frau Sofie, sein Sohn Johan (16) und Tochter Jacobine (7), sowie zwei Pferde, zwölf Schweine und viele Hühner. Als erstes wurden ein Labor und ein Stall gebaut.
Tiberg und Öberg sahen allerdings schnell, dass die Kolonie am Kapp Thordsen nie funktionieren würde. Die Landeverhältnisse waren sehr ungünstig (sie sind es auch heute noch). Das Ufer liegt völlig ungeschützt, flaches Wasser erschwert den Zugang für Schiffe und an Land musste man zunächst einen steilen Hang überwinden und dann 800 Meter über teilweise feuchte, weiche Tundra zurücklegen. Um den Materialtransport zu vereinfachen, wurde schnell ein kleiner Schienenweg gebaut. Sechs Männer konnten damit an einem Tag 48 Wagenlasten mit einem Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen am Tag zum Haus schieben.
Dennoch würden die Verhältnisse nie einen wirtschaftlich und logistisch sinnvollen Betrieb einer Siedlung ermöglichen. Zudem entsprach das Vorkommen nicht den Hoffungen, und geologisch gewonnenes Phosphorit war als Rohstoff für Dünger auf dem Markt bereits nicht mehr konkurrenzfähig.
Letztlich hatten die Investoren es wohl Öberg zu verdanken, dass er sie vor noch größeren Verlusten bewahrte, indem dieser dafür sorgte, dass das Unternehmen noch im gleichen Sommer aufgegeben wurde. Das Haus wurde immerhin fertig gebaut. Ein zweites, baugleiches Haus war bereits geplant, wurde aber nie gebaut. Komfortabler ausgebaut, hätte es wohlhabenden Touristen als Unterkunft dienen sollen. Ein Schiff war bereits für zwei Jahre im Voraus gechartert, um Passagiere und Phosphat in den Sommermonaten zwischen dem Kapp Thordsen und Schottland, England, Schweden und Dänemark hin- und herfahren zu können.
Letztlich bezahlte der schwedische Industrielle und Investor Baron Oscar Dickson die Rechnung für das fehlgeschlagene Unternehmen.
Noch im gleichen Sommer, in dem Öbergs Gruppe das Haus am Kapp Thordsen gebaut hatte, wurden im September sechs norwegische Eismeerfangschiffe an der Nordküste Spitzbergens im Eis eingeschlossen. Zwei steckten beim Velkomstpynten fest und vier vor Gråhuken, nicht weit von der Mosselbukta, wo Nordenskiöld sich in seiner neugebauten Basis Polhem auf eine Überwinterung und eine für das nächste Frühjahr geplante Nordpolexpedition vorbereitete.
Weder die Schiffe selbst noch Nordenskiöld hatten ausreichend Vorräte für so viele Menschen – auf den sechs Schiffen befanden sich 58 Männer – aber notgedrungen wurde beschlossen, dass die Mannschaften sich ab dem 1. Dezember Nordenskiöld anschließen konnten. Dazu kam es aber nicht: Schon am 7. Oktober hatten sich 17 Männer in zwei Ruderbooten aufgemacht, um das neue, gut ausgestattete Haus der schwedischen Kolonie am Kapp Thordsen zu erreichen. Dort kamen sie am 14. Oktober an und richteten sich für den Winter ein.
Den verbliebenen Männern im Eis an der Nordküste gelang es im November, mit den beiden Schiffen vom Velkomstpynten nach Norwegen zurückzukehren. Die vier Schiffe beim Gråhuken mussten sie allerdings aufgeben.
Nur der 58 Jahre alte Johan Mattilas Johannesen, Skipper der Elida, und der 17-jährige Koch Gabriel Anderssen blieben zurück in der Hoffnung, ihr Schiff retten zu können und überwinterten an Land unter zwei umgedrehten Ruderbooten. Mattilas soll auch nicht in der Lage gewesen sein, die Strecke zu den frei gewordenen Schiffen über das Eis zurückzulegen. Die Elida ging trotzdem im Winter während eines Sturms verloren. Mattilas und Anderssen starben im Frühjahr, wahrscheinlich an Skorbut. Ihr Tagebuch endet am 18. Februar 1873. Mattilas hatte 42 Jahre seines Lebens im Eismeer verbracht.
Unterdessen hatten die 17 Männer sich im Haus am Kapp Thordsen, das gut mit Vorräten und allerlei Ausrüstung ausgestattet war, eingerichtet. Zu ihnen kommen wir später wieder zurück.
Wozu genau dieses Zimmer 1872 ursprünglich gedacht war, wissen wir nicht. 1882 diente es als Arbeitsraum für Wissenschaftler. Heute befinden sich hier zwei Pritschen und ein Tisch.
Auch dieses kleine Zimmer wurde 1882-83 von Wissenschaftlern genutzt. Es handelte sich um die schwedische Gruppe des Ersten Internationalen Polarjahrs, das als international koordinierte Messkampagne in Arktis (12 Stationen) und Antarktis (2 Stationen: Feuerland (Frankreich) und Südgeorgien (Deutschland)) von Carl Weyprecht initiiert worden war.
Auf einer Konferenz in St. Petersburg waren die geplanten Standorte an die teilnehmenden Nationen vergeben worden. So baute Deutschland Stationen auf Baffin Island und Südgeorgien und Österreich in der Maria Muschbukta auf Jan Mayen. Die Schweden erhielten den Zuschlag für Spitzbergen und nutzten das schon vorhandene Svenskehuset am Kapp Thordsen. Der ursprüngliche Plan, in Nordenskiölds alter Station Polhem in der Mosselbukta zu überwintern, ließ sich wegen der schweren Eisbedingungen jenes Jahres nicht umsetzen.
Leiter der schwedischen Expedition von 1882-83 war Nils Ekholm.
Der Hintereingang auf der Nordseite des Hauses, zum Berg hin, war 2020 als einziger Eingang zugänglich. Ursprünglich hatte es außen noch einen Windfang gegeben, sicher mit Garderobe und Platz für Stiefel, Skier etc., aber davon ist heute nichts mehr übrig.
Das Eckzimmer an der westlichen Ecke des Hauses stand 1882-83 ebenfalls den Wissenschaftlern zur Verfügung. Unter diesen befand sich der junge Ingenieur Salomon August Andrée, der später mit seiner Ballon-Expedition von Virgohamna auf der Danskøya tragische Berühmtheit erlangen sollte. 1896 begleitete Ekholm Andrée auf seiner Nordpol-Expedition. In jenem Sommer hob der Ballon Örnen auf der Danskøya jedoch nicht ab. Ekholm witterte Probleme und verweigerte seine erneute Teilnahme im folgenden Jahr, in dem Andrée und seine beiden Begleiter – Ekholm war durch Nils Strindberg ersetzt worden – für viele Jahre spurlos verschwanden. Aber das ist eine andere Geschichte.
Zwischen diesem Raum und dem nächsten (10, Nebenraum Westseite 2) gibt es eine Tür, die im ursprünglichen Grundriss nicht eingezeichnet ist, sie wurde wohl später hinzugefügt.
Überhaupt ist kaum noch etwas am Svenskehuset so, wie es 1883 oder gar 1872 einmal gewesen war. Die Inneneinrichtung ist vollständig verschwunden. Später war das Haus stark baufällig und wurde schließlich umfassend renoviert (1990?).
Die Überwinterung 1882-83 verlief planmäßig und erfolgreich, ohne dramatische Zwischenfälle. Andrée soll sein erstes Polarabenteuer aber nicht allzu sehr zugesagt haben. Im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen kehrte er der Arktis zunächst den Rücken und kam erst 1896 und 1897 für seine Ballon-Expedition wieder zurück.
Auf dem Dachboden befand sich ein großer Raum, der zur Unterbringung der Arbeiter gedacht war. In Nebenräumen gab es Speicherplatz für Ausrüstung und Vorräte.
Abschließend noch einmal zurück zu den 17 unglücklichen Überwinterern von 1872-73. Mehrere von Norwegen ausgehende Versuche, sie abzuholen, scheiterten. Obwohl man angenommen hatte, dass sie im gut ausgestatteten Haus gut über den Winter kommen müssten, wurden sie Mitte Juni 1873 alle tot aufgefunden. Zwei Männer, die bereits im Januar (beide am 19.) gestorben waren, hatten die anderen bereits beigesetzt. Die sterblichen Überreste der übrigen wurden am 18. Juni in einem Gemeinschaftsgrab unweit des Hauses begraben. Der letzte Eintrag im Tagebuch ist auf den 19. April datiert. Der letzte starb vermutlich, kurz bevor der norwegische Skipper Ole Barth Tellefsen am 16. Juni mit dem Robbenfänger Elida zum Svenskehuset kam und die Toten entdeckte (natürlich ein anderes Schiff als die oben erwähnte Elida von Skipper Mattilas).
Das Svenskehaus ist seitdem auch als Spøkelseshuset (Gespensterhaus) bekannt.
Skipper Sivert Brækmo und der zehnjährige Johan Kristiansen mussten 1893-94 einen unfreiwilligen Winter im Svenskehuset verbringen, nachdem sie auf der Rückfahrt nach Norwegen kurz vor der Küste des Festlands von einem Sturm zurück nach Spitzbergen gepustet worden waren. Am 25. August 1894 erreichten sie schließlich wohlbehalten Norwegen.
Lange dachte man, die 17 Männer von 1872-73 hätten sich dem Müßiggang hingegeben und seien an Skorbut gestorben. In Eismeerkreisen blickte man lange mit Verachtung auf die Verstorbenen herab. Die Angehörigen der Toten empfanden das als große Schande, der Vater eines Verstorbenen soll daraufhin sogar Selbstmord begangen haben.
2008 wurden dem Grab der zwei zuerst gestorbenen Männer Proben der sterblichen Überreste entnommen, an denen nachgewiesen konnte, dass sie wohl an Bleivergiftung gestorben waren, die sie sich durch das bleihaltige Lötzinn der Konservendosen zugezogen hatten. Hinweise auf Skorbut oder Botulismus wurden hingegen nicht gefunden. Der gute Ruf der 17 Toten, die im Herbst 1872 in offenen Ruderbooten die gefährliche Fahrt von Spitzbergens Nordküste zum Kapp Thordsen gewagt hatten, damit die im Norden verbliebenen Mannschaften genug Lebensmittel für den Winter haben würden, war nach 135 Jahren wieder hergestellt.
2010 gab es eine Zeremonie am Grab mit dem Pfarrer aus Longyearbyen, dem Sysselmann und einem Sänger.
Quellen
Gösta Liljequist (1993): High Latitudes. A history of Swedish polar travels and research
Kjell Kjær & Ulf Aasebø (2012): Tragedien i Svenskhuset
Danke lieber Rolf für die interessante Geschichte vom Svenskehuset. Und für die hervorragenden Rundum-Fotos dazu. Habe ich gern angeschaut und gelesen.
Kennst Du übrigens das Buch von Elias Haffter: Briefe aus dem hohen Norden. 1899. Er kam mit dem Kreuzfahrtschiff Auguste Viktoria damals auch nach Svalbard. Sehr nett zu lesen.
Herzlichen Gruß und Gesundheit
Claudia
Liebe Claudia,
freut mich, dass die Svenskehuset-Tour Dir gefällt!
Und vielen Dank für den Hinweis auf die „Briefe aus dem hohen Norden“. Steht natürlich hier im Regal! 🙂
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Danke lieber Rolf für die interessante Geschichte vom Svenskehuset. Und für die hervorragenden Rundum-Fotos dazu. Habe ich gern angeschaut und gelesen.
Kennst Du übrigens das Buch von Elias Haffter: Briefe aus dem hohen Norden. 1899. Er kam mit dem Kreuzfahrtschiff Auguste Viktoria damals auch nach Svalbard. Sehr nett zu lesen.
Herzlichen Gruß und Gesundheit
Claudia
Liebe Claudia,
freut mich, dass die Svenskehuset-Tour Dir gefällt!
Und vielen Dank für den Hinweis auf die „Briefe aus dem hohen Norden“. Steht natürlich hier im Regal! 🙂