Das Spitzbergen-Rentier hat schon viele Höhen und Tiefen erlebt: Vor Jahrtausenden aus der russischen Arktis eingewandert, hat es sich zu einer eigenen Unterart (Rangifer tarandus platyrhynchus) entwickelt. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert wurde es so stark gejagt, dass die Population in vielen Teilen des Verbreitungsgebietes ausgerottet wurde. Schätzungen gehen davon aus, dass es nur noch vielleicht 1000 Tiere gab, als die Art 1925 unter Schutz gestellt wurde – noch im gleichen Jahr, in dem der Spitzbergen-Vertrag in Kraft trat, der der norwegischen Regierung die Möglichkeit gab, gesetzlich tätig zu werden.
Spitzbergen-Rentiere: zwei kräftige Böcke im Straumsland, im Osten Spitzbergens.
Spitzbergen-Rentiere können weite Strecken zurücklegen und ziehen dabei auch über gefrorene Fjorde und sogar über Treibeis, sonst hätten sie Spitzbergen ja auch nie erreicht. Aber das tun sie nicht unbedingt, denn von ihrer normalen Lebensweise her bleiben sie gerne dort, wo sie eben sind, solange die Verhältnisse dort brauchbar sind. Es dauert also: Nach lokaler Ausrottung können viele Jahrzehnte vergehen, bis Rentiere ihren Weg wieder in abgelegene Teile der Inselgruppe Svalbard finden.
Dazu kommt, dass die lokalen Populationen kurzfristig starken Schwankungen unterliegen: In schlechten Jahren, etwa wenn Regen auf den schneebedeckten Boden im Winter die Tundra mit einer harten Eiskruste überzieht und die Vegetation dadurch unzugänglich wird, verhungert im Frühjahr ein beträchtlicher Teil der Population. Das wird laut Biologin Le Moullec normalerweise aber erst dann zum Problem, wenn der Bestand schon so hoch ist, dass die verbleibenden, zugänglichen Flächen den Bestand nicht mehr ernähren können: Ein klassischer Fall von Selbstregulierung eines natürlichen Ökosystems. Zusätzlich steigt in vereistem Gelände auch die Absturzgefahr: so starben im Winter 2018-19 in der Umgebung von Longyearbyen, etwa im Bjørndalen, einige Rentiere nach Abstürzen von steilen Hängen.
Totes Spitzbergen-Rentier am Operafjellet, östlich von Longyearbyen:
abgestürzt oder verhungert, das weiß man nicht.
Entsprechend schnell können sich die Bestände aber in guten Jahren auch wieder erholen. So stellte man etwa im Frühjahr 2017 fest, dass es den Rentieren im Adventdalen prima ging.
Neben kurzfristigen Witterungseffekten beeinflusst der Klimawandel den Lebensraum der Rentiere: Extreme Witterungsphasen, etwa mit starken Regenfällen im Winter, werden häufiger. Wärmeres und feuchteres Wetter kann aber durch stärkeres Wachstum der Vegetation auch einen positiven Einfluss auf die Bestandsentwicklung der Spitzbergen-Rentiere haben. Alle diese Effekte überlagern sich, und dazu kommt, dass der Bestand sich insgesamt nach dem starken Jagddruck bis 1925 sich möglicherweise in manchen Teilen Spitzbergens durch erneute Einwanderung immer noch erholt.
Grund genug, der Sache auf den Grund zu sehen und zu schauen, wie viele Rentiere es überhaupt gibt und wo diese sich aufhalten. Frühere Schätzungen waren immer nur räumlich begrenzt. Nun hat ein Team von Wissenschaftlern die gesamte Population auf der ganzen Inselgruppe Svalbard gezählt. Soweit möglich, wurden genaue Zählungen durchgeführt, andernorts wurde zumindest von Stichproben ausgehend hochgerechnet. Die Ergebnisse haben die Wissenschaftler um Mathilde Le Moullec nun in The Journal of Wildlife Management veröffentlicht.
Ungewöhnlich große Gruppe von Rentieren im Krossfjord, einem Gebiet, in dem es im 20. Jahrhundert lange gar keine Rentiere gab.
Die Kernbotschaft: Die Rentierpopulation in ganz Svalbard wird nun mit 22.435 Tieren angegeben (95% Konfidenzintervall: 21.452–23.425). Das sind doppelt so viele, wie bislang vermutet wurde: Noch 2009 wurden zwischen 10.000 und 11.000 Rentiere gezählt bzw. vermutet. Die höhere Zahl resultiert einerseits in der genaueren Zählung in der aktuellen Untersuchung, andererseits wohl aber auch aus der nach wie vor laufenden Erholung des Bestandes seit dem Jagdverbot von 1925, einschließlich Wiederbesiedlung vieler Teile des früheren Verbreitungsgebietes. Sogar auf dem entlegenen Kong Karls Land gibt es wie schon vor Jahrhunderten auch mittlerweile wieder Rentiere. Noch 1959 war das nicht der Fall.
Die Dichte der Population ist in den verschiedenen Landesteilen sehr unterschiedlich. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle, wobei die Vegetationsdichte wichtig ist. In manchen Gebieten leben bis zu 10 Rentiere pro Quadratkilometer – lokal sogar noch mehr – während andernorts, in kargen Regionen, weniger als eines auf gleicher Fläche sein Futter sucht.
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