Kapp Linné und Isfjord Radio, Russekeila, Festningen
Natur und Geschichte am äußeren Isfjord
Der äußere Isfjord mit Kapp Linné und Umgebung.
Allgemeines: Kapp Linné
Kapp Linné liegt an der Westküste Spitzbergens, auf der Südseite vom Isfjord. Von 1933 an wurde hier eine Radiostation mit zusätzlicher Funktion als Wetterstation betrieben. Nach der Automatisierung ab 1999 ist die Station heute aber nicht mehr besetzt, wird aber noch als Hotel genutzt. Definitiv das am schönsten gelegene Hotel Spitzbergens! Wer sich für einen Aufenthalt dort interessiert, sollte mit Basecamp Spitsbergen Kontakt aufnehmen, die auch Transport und geführte Touren in der Umgebung anbieten. Vor einigen Jahren wurden die Gebäude renoviert und haben dabei etwas von ihrem rustikalen Charme einer Polarstation aus der Mitte des 20. Jahrhunderts verloren, dafür sind die Räumlichkeiten nun schicker und komfortabler.
Kapp Linné: früher Isfjord Radio Funk- und Wetterstation, heute Isfjord Radio Hotel.
Die Südküste des Isfjords zwischen Kapp Linné und dem Grønfjord ist geologisch, landschaftlich und historisch interessant und vielseitig und naturkundlich Interessierte können dort einige lohnenswerte Tage verbringen. Natürlich kann man auch längere Touren machen. Hier gibt es Bilder und einen kurzen Bericht von einer Tour von Kapp Linné durch das Berg- und Gletschergebiet zum Grønfjord und nach Barentsburg.
Schutzgebiete
Direkt bei Kapp Linné befindet sich ein Vogelschutzgebiet, das vom 15. Mai bis zum 15. August nicht betreten werden darf. Die Umgebung von Festningen ist ein Geotop, was aber keine Zugangsbeschränkungen mit sich bringt; nur wer geologische Proben nehmen will o.ä. muss vorher beim Sysselmester Kontakt aufnehmen, aber das ist ohnehin überall so.
Die Südküste des Isfjords zwischen Kapp Linné und dem Grønfjord ist geologisch sehr interessant und unter der Bezeichnung ‚Festningen-Profil‘ bekannt. Auf einer Strecke von weniger als 10 km steht hier eine vom Grundgebirge bis ins Alttertiär reichende Schichtfolge an. Dies wurde durch die Verstellung während der alpidischen Phase im Alttertiär möglich, denn dadurch stehen die Schichten hier mehr oder weniger senkrecht und ermöglichen einen Spaziergang durch über 300 Millionen Jahre Erdgeschichte in wenigen Stunden. Kapp Linné selbst befindet sich im Bereich metamorpher, schiefer-artiger Grundgebirgsgesteine. Eine Tour, die sich für naturkundlich Interessierte wirklich lohnt!
Ein Stückchen weiter östlich, zwischen Kapp Linné und dem Ausgang des Flusses (Linnéelva), überschreitet man die Grenze Grund-/Deckgebirge.
Auffällig ist der N-S verlaufende Gebirgszug östlich des Linné-Sees, der aus steilstehenden, harten Karbonaten aus dem Karbon und Perm besteht. Diese bilden das „Kapp Starostin“, eine in den Isfjord hineinlaufende Landspitze, welche diesen Ablagerungen den Namen gegeben hat (»Kapp Starostin Formation«). Die Karbonate sind sehr fossilreich (Brachiopoden, Schwammtierchen etc.).
Schichten am Kapp Starostin.
Aufgrund von Lösung der Karbonatgesteine gibt es direkt westlich des Kapp Starostin, zwischen dem Bergrücken und dem Ausfluss des Linné-Sees, Karst, also Lösungshohlformen (»Dolinen«).
Östlich des Kapp Starostin beginnt das Mesozoikum (Erdmittelalter: Trias, Jura, Kreide), das weitgehend aus feinkörnigen Sedimenten wie Ton- und Siltstein besteht. Es ist ebenfalls immer wieder fossilführend (Ammoniten, Muscheln etc.), allerdings vom Gestein her nicht so abwechslungsreich.
An der Ecke zum Grønfjord stehen mit der Unterkreide die jüngsten mesozoischen Schichten an (die Oberkreide fehlt in Spitzbergen, wie auch das älteste Alttertiär). Auffällig ist der »Festningen-Sandstein«, eine harte Schicht aus quarzitischem Sandstein, die senkrecht steht und als Schichtrippe in der Landschaft steht, wie eine etwas kleinere Ausgabe der Teufelsmauer im Nordharz. Sie bildet eine mauerartige Fortsetzung vor der Küste: ein kleines Inselchen, das sehr schmal, aber langgezogen ist und aufgrund seiner Erscheinung ‚Festningen‘ heißt, »die Festung«. Bei Festningen wurden in den 60er Jahren Spuren von Dinosauriern gefunden (Iguanodons), ein Gipsabdruck befindet sich im Museum von Longyearbyen. Die Felswand ist allerdings längst von der Erosion zerstört, neue Fußspuren sollen gelegentlich vorübergehend sichtbar sein, ich habe vor Ort allerdings noch nie welche gesehen. Wenn Sie welche entdecken – lassen Sie es mich wissen! Fußspuren von Iguanodons kann man noch am Boltodden im Kvalvågen an der Ostküste Spitzbergens sehen, das ist allerdings ziemlich abgelegen und schwer zugänglich.
Senkrecht stehende Sandsteinschicht bei Festningen.
Auf Festningen steht ein kleiner Leuchtturm, hier und auf dem nahen Festland brüten im Sommer Gänse (Abstand halten! Wer hier geologische Streifzüge unternehmen will, sollte außerhalb der Brutsaison kommen, am besten im August/Anfang September).
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Landschaft
Manch einer mag die Landschaft im Vergleich zu anderen Gegenden relativ unspektakulär finden, da es nahe der Küste zwischen Kapp Linné und dem Grønfjord keine Gletscher gibt. Sie hat aber eine Menge zu bieten. Dies ist eine der Ecken von Spitzbergen, die mir persönlich am besten gefallen – keine Ahnung, wie oft ich die Küste zwischen Kapp Linné und Festningen schon auf- und abgelatscht bin, und ich freue mich schon wieder aufs nächste Mal.
Die küstennahen Bereiche sind weitläufig flach, vielfach gibt es schöne Frostmusterböden. Beiderseits des Linné-Sees gibt es schöne, etwa N-S verlaufende Gebirgszüge. Besonders die Tundra östlich des Linné-Flusses, zwischen dem Fluss und Kapp Starostin bzw. dem südlich davon verlaufenden Gebirgsrücken, ist reizvoll, hier gibt es Dolinen (Karstlöcher, entstanden durch unterirdische Höhlenbildung durch Lösung karbonatischer Gesteine und anschließenden Einsturz der Höhlen) und Strandwälle sowie eine schöne Aussicht über den Linné-See.
Steinringe (Frostmusterboden) bei Kapp Linné.
Eine weitere, landschaftlich besondere Stelle ist Festningen (siehe oben, Abschnitt Geologie), eine mauerartige Felswand an der Ecke zum Grønfjord. Annäherung bitte nur außerhalb der Brutsaison, da hier leicht störbare Gänse brüten. Zwischen Kapp Starostin und Festningen wird die Tundra eher sumpfig und von unangenehmen Einschnitten durchzogen, westlich vom Kapp Starostin ist der Untergrund insgesamt sehr schön trocken und einfach begehbar. Der Linné-Fluss ist meist auf halber Strecke zwischen See und Küste einigermaßen einfach querbar.
Flora und Fauna
Wer nach Spitzbergen kommt, um die großen Tiere der Arktis zu sehen, wird auf Kapp Linné wahrscheinlich nicht glücklich werden. Die alte Station bekommt zwar mehr oder weniger regelmäßig Eisbärenbesuch, so dass auch die entsprechende Vorsicht dringend notwendig ist, und mit etwas Glück kann man ein paar Kilometer weiter südlich an der Westküste auch Walrosse am Ufer sehen, aber neben den häufig vorkommenden Rentieren und Eisfüchsen sind es vor allem die Vögel, für die Naturfreunde sich hier begeistern können. Früher haben hunderte von Eiderenten dicht bei der Station Isfjord Radio bei Kapp Linné gebrütet, mit Nestern direkt bei den Hauseingängen.
Eisbärenbesuch bei Kapp Linné.
Seit die Station nicht mehr besetzt ist, haben Füchse, die sich früher nicht hergetraut haben, die Nester weitgehend geplündert und die Eiderpopulation entsprechend dezimiert. Trotzdem hat die Avifauna einige Vielfalt zu bieten, gerade was die kleineren Bodenbrüter und Bewohner der Feuchtgebiete sowie Gänse betrifft.
Geschichte
Am Küstenstreifen zwischen Kapp Linné und Festningen gibt es historisch viel aus den verschiedenen Phasen der Geschichte Spitzbergens zu sehen, wenn die Überreste oft auch eher unscheinbar sind – erwarten Sie keinen Kölner Dom.
Die Walfänger sollen bei Festningen eine Station gehabt, von der allerdings nichts mehr zu sehen ist. Pomoren haben die Gegend ebenfalls als Jagdrevier genutzt. Bei Russekeila, direkt bei der Mündung des Linné-Flusses, hat eine große Station gestanden, von der einige Überreste gut sichtbar sind (es handelt sich um die Fundamentreste; die vollständig stehenden Hütten sind jüngeren Datums). Hier hat auch der legendäre Ivan Starostin gelebt, er soll 32 Jahre hier verbracht haben und kaum aufs Festland zurückgekehrt sein. Er soll in der Nähe begraben sein, ein Steinhaufen auf dem Rücken beim Kapp Starostin (in der Nähe der Richtfunkantennen) ist vielleicht sein Grab, er starb 1826.
Reste einer Pomorensiedlung bei Russekeila.
Zeugnisse aus der »Goldrausch«-Zeit in Spitzbergen, während der verschiedene Bodenschätze untersucht und Claims abgesteckt wurden, gibt es beim Kapp Mineral östlich von Kapp Linné: ein Schachteingang ist hier noch sichtbar.
Reste eines Bergbau-Probebetriebs bei Kapp Mineral.
Bei Kapp Linné selbst steht schließlich seit 1933 die Radiostation Isfjord Radio. Diese hat die Radiostation am Finneset im Grønfjord ersetzt und hat über lange Zeit hinweg die Kommunikation zwischen den norwegischen Siedlungen Spitzbergens und dem Festland besorgt, später über Richtfunk-Antennen, die zwischen Kapp Linné und den jeweiligen Siedlungen im Gelände stehen. Seit 1999 wird diese Station automatisiert betrieben, ihr Betrieb ist seit Verlegung eines Glasfaserkabels aber nicht mehr notwendig. Die Gebäude werden seitdem als Hotel genutzt (siehe oben).
Galerie – Kapp Linné und Umgebung
Ein paar Eindrücke von der Isfjord-Küste: Kapp Linné – Kapp Mineral – Russekeila – Kapp Starostin – Festningen.
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Spitzbergen – Svalbard. Arktische Naturkunde und Geschichte in Wort und Bild. Hintergründe, Routen & Regionen, Praktisches. Umfassender Reiseführer zur arktischen Inselgruppe Spitzbergen mit 592 Seiten.
Scoresbysund Hot Dogs – Mit Hundeschlitten in Grönland
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