Die Borebukta und die Erdmannflya liegen auf der Isfjord-Nordseite.
Die Borebukta besteht eigentlich aus zwei Buchten, getrennt von einem Bergrücken und mit jeweils einem Gletscher mit Abbruchkante. Diese beiden Buchten haben aber keinen gemeinsamen Namen, sie heißen einfach zusammen Borebukta, nach Boreas, dem altgriechischen Gott des kalten Nordwindes. Das passt ja zur Gegend.
Blick über die Erdmannflya (vorne links) und die Borebukta
aus dem Linienflugzeug, Ende Mai.
Der Nansenbreen in der südlichen Borebukt weicht wie die meisten Gletscher Spitzbergens (und weltweit) derzeit zurück und fällt daher im Vergleich nicht allzu sehr auf.
Der Nansenbreen (2009).
Ganz anders sein Nachbar im Norden, der Borebreen. Dieser ist in den letzten Jahren (2024, 2025) kräftig vorgestoßen.
Der Borebreen (2024).
Zur weiten Tundraebene, die im Süden an die Borebukta anschließt, der Erdmannflya, steht auf der Seite Ymerbukta-Erdmannflya schon eine ganze Menge. Aber der nördliche Teil der Erdmannflya im Bereich Tundraodden ist auch sehr spannend und passt aufgrund der Nachbarschaft zur Borebukta gut auf diese Seite. Zur Bohemanflya, der großen, im Osten an die Borebukta anschließenden Tundraebene, gibt es ebenfalls eine eigene Seite.
Borebukta und Umgebung liegen im Nationalpark Nördlicher Isfjord.
Geologie
Um die Borebukta herum findet man überall Sedimente aus dem Erdmittelalter (Mesozoikum). Überwiegend bewegt man sich da in der oberen Trias und im unteren Jura, also in Ablagerungen mit einem Alter um 230 Millionen Jahre. Konkret sind das Sand- und Siltsteine, die in einem eher flachen Schelfmeer abgelagert wurden, das man sich ungefähr so wie die heutige Nordsee vorstellen kann. Auch vom Klima her, das damals herrschte, liegt man dann sicher nicht ganz falsch.
Schichtung in Trias-Gestein beim Borebreen.
Aber es gab Unterschiede. Damals gab es nämlich keine Schiffe und keine Öl- und Gasplattformen, sondern Muscheln, Ammoniten, Fische und marine Saurier wie Plesio-, Plio- und Ichthyosaurier. Reste dieser Tiere kann man prinzipiell in diesen Schichten finden, wobei man sicher nicht bei einem kleinen Strandspaziergang auf Saurierknochen stoßen wird, leider. Aber Abdrücke von Ammoniten und Muscheln sind nicht unrealistisch (mitnehmen verboten, Nationalpark).
Am Tundraodden findet man recht auffällige, grobbankige, quarzreiche Sandsteine. Diese sind deutlich jünger, sie stammen aus der unteren Kreidezeit. Mit 110-120 Millionen Jahren sind sie gerade einmal etwa halb so alt wie nördlich anschließende Trias. Dieser Sandstein wurde ebenfalls im Meer abgelagert, aber in einem küstennäheren Bereich, wo Flüsse und Strände den Sand anliefern können.
Sandstein aus der Unterkreide am Tundraodden.
Landschaft
Alle Ufer der Borebukta sind von weitläufigen Moränenlandschaften gesäumt, die deutlich machen, wie stark die Gletscher sich seit dem 18./19. Jahrhundert („Kleine Eiszeit“) zurückgezogen haben. Der Trend zum Rückzug hat sich seit den 1990er Jahren aufgrund des aktuellen Klimawandels deutlich verstärkt.
Weitläufige Moränenlandschaft am Ufer des Tundraodden.
Der Borebreen ist in den Jahren 2014 und 2015 kräftig vorgestoßen, um mindestens zwei Kilometer. Damit ist der Klimawandel nicht abgesagt, sondern es handelt sich um ein Verhalten, das auf neudeutsch als „Surge“ („Woge“) bezeichnet wird. Dabei baut der Gletscher im oberen Bereich (Nährgebiet) über Jahrzehnte hinweg langsam einen Massenüberschuss auf, da er nicht schnell genug fließt, um die sich ansammelnden Eismassen stetig abzuführen. Irgendwann führt das zunehmende Gewicht dazu, dass der gesamte Gletscher abrutscht und sich in Bewegung setzt. Dann kann er seine Geschwindigkeit über einen kürzeren Zeitraum, meist ein bis zwei Jahre, um ein Vielfaches erhöhen, wobei bis über 10 Meter pro Tag erreicht werden können! Ein surgender Gletscher (das hat sich so auch im deutschen Sprachgebrauch eingebürgert) ist entsprechend sehr wild und zerklüftet und hat, wenn er das Ufer erreicht, eine sehr aktive Kalbungsfront.
Die Abbruchkante des Borebreen (2024).
2023 haben wir eine Landung auf einer kleinen Insel gemacht, die ungefähr 600-700 Meter von der Gletscherfront des Borebreen entfernt gewesen ist. Als wir 2024 wieder dorthin kamen, mit der Idee, dem Inselchen wieder einen Besuch abzustatten, war sie unter dem Gletscher verschwunden. Dieser war noch ein gutes Stück über sie hinaus in die Borebukta vorgestoßen!
Kleine Insel vor dem Borebreen (2023). 2024 lag diese Insel unter der Gletscherzunge.
Damit ist der Borebreen ganz klar die landschaftliche Hauptattraktion in der Borebukta. Zudem ist er von markanten Bergen eingerahmt.
Unterwegs im treibenden Gletschereis vor dem Borebreen.
Auffällig sind die weitläufigen, insgesamt flachen Tundraebenen, die sich auf beiden Seiten erstrecken: Im Süden der Borebukta liegt die Erdmannflya mit dem Tundraodden an der Nordspitze, im Norden erstreckt sich die Bohemanflya. Beide sind, wie erwähnt, zur Borebukta hin am Ufer von riesigen Moränenlandschaften gesäumt.
Weitläufige Tundra mit Bächen, Seen und Feuchtgebieten auf der Erdmannflya.
Die weitläufige, flache Landschaft dieser Ebenen ist in sich jeweils ein auffälliges, spannendes Landschaftselement, wo man im Kleinen viel Reizvolles findet: Eiskeile und Steinringe, gehobene Strandwälle als Zeugen der nacheiszeitlichen Landhebung, kleine Seen, Bäche und Feuchtgebiete, …
Tundra auf der Erdmannflya.
Flora und Fauna
Man kann in der Borebukta prinzipiell alle Tiere sehen, die durch Spitzbergens Fjorde streifen: Manchmal liegen ein paar Walrosse irgendwo am Strand, vielleicht streift irgendwo ein Eisbär über die Moränenhügel am Ufer oder über das Fjordeis, wenn die Bucht früh im Sommer noch zugefroren ist. Aber diese Tiere ziehen durch weite Landschaften, manchmal sind sie da, manchmal sind sie woanders. Oft schwimmen Robben im Wasser und gelegentlich liegt eine Bartrobbe oder eine Ringelrobbe auf einem Stück Eis.
Bartrobbe in der Borebukta.
In der Tundra der Erdmannflya und der Bohemanflya sind natürlich die für diese Landschaft typischen Tiere unterwegs. Das sind neben zahlreichen Rentieren und dem einen oder anderen Eisfuchs vor allem die verschiedensten Vögel, darunter auch eher seltene wie Prachteiderenten und Thorshühnchen, und natürlich die „üblichen Verdächtigen“ der Tundra wie verschiedene Gänse, Meerstrandläufer und andere mehr.
Rentier auf der Erdmannflya.
An windstillen Sommertagen kann man in den Tundragebieten schon mal den einen oder anderen Mückenschwarm erleben.
Geschichte
Dieser Abschnitt kann kurz bleiben, hier ist nicht viel passiert. Irgendwann in der nicht allzu fernen Vergangenheit, vermutlich in den 1970ern, hat jemand am Tundraodden mal einen kleinen Kutter am Ufer aufs Trockene gesetzt, um eine Art Hütte zu haben; der Straumsjøen, ein rund drei Kilometer weiter südwestlich gelegener See, war und ist unter Einheimischen ein beliebtes Gewässer zum Angeln und Netzfischen von Seesaiblingen.
Altes Schiff am Ufer des Tundraodden.
Fotogalerie Borebukta: Borebreen
Zunächst einige Bilder vom eisigen Hauptblickfang in der Borebukta, dem Borebreen.
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