Der neue Umweltbericht Barentssee der norwegischen »Überwachungsgruppe« aus verschiedenen Instituten ist Ende Februar erschienen. Er stellt naturwissenschaftliche Informationen zusammen, die Zustand und aktuelle Entwicklungen der Umwelt der Barentssee beschreiben. Der detailreiche Bericht enthält sowohl erwartbare Entwicklungen als auch Überraschungen. Hier ein paar wichtige Ergebnisse:
Erwartungsgemäß hat die Eisbedeckung von 1979 bis 2009 messbar abgenommen. Extremjahre mit äußerst wenig Eis waren etwa 2005, 2007 und 2008, auch der Anteil des mehrjährigen Eises hat v.a. 2007 merkbar abgenommen
Die Wassertemperaturen haben in diesem Zeitraum ebenfalls weitgehend zugenommen, typischerweise um etwa 1°C. Dies hängt mit einem verstärkten Einfluss von Atlantikwasser zusammen, was auch einen Einfluss auf die Entwicklung verschiedener Fischbestände hat.
Seevogelkolonien in Nordnorwegen und Spitzbergen entwickeln sich unterschiedlich, so gibt es etwa bei den Dickschnabellummen in Spitzbergen einen Rückgang (z.B. um 36 % innerhalb von 5 Jahren bei Fuglehuken, Prins Karls Forland). Auch die Dreizehenmöwenbestände sind insgesamt eher rückläufig, auf der Bäreninsel um nicht weniger als 43 % (letzte 5 Jahre). Dafür hat die eher subarktische Trottellumme im gleichen Zeitraum auf der Bäreninsel um 38 % zugelegt. In Nordnorwegen sind praktische alle Seevogelbestände dramatisch zurückgegangen, teilweise um 99 %.
Die Mengen von Plastikmüll an den Stränden Spitzbergens scheinen leicht rückgängig zu sein. Seit 1998 ist es verboten, Plastikmüll im Meer zu »entsorgen«.
Die Konzentrationen langlebiger Schadstoffe wie PCBs (Polychlorierte Bifenyle) und PAKs (Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe) gingen bis etwa 2004 zurück, stiegen seitdem aber wieder leicht an und sind seitdem näherungsweise stabil.
Die radioaktive Belastung ist nach wie vor gering. Als Hauptquellen werden Kernwaffentests der 1950er/1960er Jahre, Tschernobyl und die Wiederaufbereitungsanlagen in Sellafield (England) und La Hague (Frankreich) genannt. Beim sowjetischen Atom-U-Boot K-278 Komsomolets, das 1989 sank und 180 km südöstlich der Bäreninsel in 1858 Metern Tiefe liegt, gibt es bislang keinen größeren Austritt von Radioaktivität – noch nicht.
Plastikmüll, überwiegend Fischereiausrüstung. Angeschwemmt und gesammelt an einem kleinen Strandabschnitt in der Hinlopenstraße im Nordosten Spitzbergens.
Über eine mögliche, weitergehende Sperrung des Ostens der Spitzbergen-Inselgruppe wurde hier schon mehrfach berichtet (siehe etwa Juni 2009). Stand der Dinge war, dass die norwegische Behörde für »Naturverwaltung« (Direktoratet for naturforvaltning, (DN)) einen Plan vorgelegt hatte, der den Osten Svalbards weitestgehend zum Sperrgebiet für Touristen erklärt, von einer kleineren Anzahl vorbestimmter Stellen abgesehen. Nach einer Hörung lehnte der Sysselmannen den Plan ab. Der Vorschlag wurde dennoch vom DN ohne nennenswerte Änderungen in den weiteren Gesetzgebungsprozess eingebracht, was in hohem Maße unüblich ist.
Der Hauptgrund für die Sperrungen ist, dass die Region als »unberührt wissenschaftliches Referenzgebiet« gepflegt werden soll. Nachdem diese sehr ungefähre Begründung nicht substantiell erläutert werden konnte, wurde später noch die Erhaltung der Naturregion hinzugefügt.
Erwartungsgemäß stößt der Vorschlag auf erhebliche Kritik, u.a.
Ziele sind nicht definiert bzw. nicht begründet. So konnten führende Wissenschaftler, etwa vom Norwegischen Polarinstitut während einer Konferenz in Longyearbyen im Oktober 2008, auch auf Nachfrage nicht erklären, worin der wissenschaftliche Wert der »unberührten Referenzgebiete« bestehen soll. Die Forscher hatten hingegen keine grundsätzlichen Bedenken gegen (kontrollierten) Tourismus in der Region, weder aus wissenschaftlicher Sicht noch aus Perspektive des Umweltschutzes.
Die Möglichkeit der Erhaltung »unberührter Referenzgebiete« durch Ausschluss von Touristen wird bezweifelt, da Forscher in den relevanten Gebieten deutlich mehr Zeit verbringen (Wochen anstelle von Stunden), deutlich mehr in abgelegene, küstenferne Regionen vorstoßen und mehr »Natur verbrauchen« (wochenlange Unterbringung in großen Camps, intensiver Gebrauch von Hubschraubern und Motorschlitten in Schutzgebieten. All dies ist Touristen schon lange verboten)
Stark erhöhter Druck auf verbleibende Lokalitäten. Damit ist eine Reihe von Problemen verbunden: verstärkte Erosion, weniger Flexibilität. Tatsächlich ist Flexibilität ein wesentlicher Bestandteil nicht zuletzt der Sicherheit touristischer Reisen in dieser Region: Steht bei Stelle A ein Eisbär an Land, oder sind Wind und Wellen dort zu stark? Bislang konnte man ausweichen. Befürchtet wird, dass künftig der Druck steigt, Risiken in Kauf zu nehmen – was natürlich prinzipiell inakzeptabel ist, aber problematisch werden kann, wenn keine Ausweichmöglichkeiten vorhanden sind.
Angeführt wird das »andauernde Ansteigen« des touristischen Verkehrs. Tatsächlich ist der Verkehr in den letzten 2 Jahren rückläufig, was nicht nur an der Wirtschaftskrise liegt (was vermutlich ein vorübergehender Effekt ist), sondern auch an bereits geltenden Neuregelungen, wie dem Verbot von Schweröl als Schiffstreibstoff in Schutzgebieten. Dies schließt größere Schiffe de facto aus den betroffenen Regionen aus. Ähnliche, deutliche Wirkung sind von neuen technischen Sicherheitsanforderungen an Schiffe zu erwarten, die dazu führen werden, dass eine Reihe von Schiffen, die noch 2009 nach Spitzbergen kamen, 2010 fernbleiben werden.
Intransparenter Diskussionsprozess weitgehend hinter verschlossenen Türen, unter Ausschluss der Öffentlichkeit sowie wichtiger involvierter (nichtstaatlicher) Akteure, einschließlich Missachtung der Zurückweisung der Vorlage etwa durch den Sysselmannen.
Trotz Ablehung durch den Sysselmannen wurde die Vorlage vom Naturdirektorat an das übergeordnete Umweltministerium weitergereicht, wo nun entschieden werden muss, wie weiter verfahren wird.
Intern wird befürchtet, dass das Argument »Wissenschaft« auf hoher Verwaltungsebene politisch eingesetzt wird, was angesichts mangelnder inhaltlicher und wissenschaftlicher Substanz zu einem Vertrauensverlust in Verwaltung und Wissenschaft führen kann, ähnlich etwa wie beim Walfang zu »wissenschaftlichen Zwecken« in Japan.
Schutzgebiet oder exklusiver Spielplatz für Forscher? (Für größere Ansicht auf Karte klicken.)
Quelle: Svalbardposten, Sysselmannen, mündliche Mitteilungen und Diskussionen
2009 konnte die Bergbaugesellschaft Store Norske zum zweiten Mal in Folge einen Überschuss vorweisen, der Gewinn liegt bei 400 Millionen norwegischen Kronen (ca. 48,7 Millionen Euro). Nach Aussage des Direktors liegt dies allerdings vor allem an den guten Weltmarktpreisen vor Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise. Wesentlich zum guten Ergebnis beigetragen haben auch Finanzgeschäfte (»kull-hedging«). Die Prognosen sind eher düster: Die Store Norske hat mit deutlich gefallenen Weltmarktpreisen, stornierten Bestellungen und sinkender Qualität der Kohle zu tun. Derzeit wird damit gerechnet, dass die Grube »Svea Nord«, wo 2009 zwei Millionen Tonnen gefördert wurden, 2014 geschlossen wird; eine neue Grube am Lunckefjellet nordwestlich von Sveagruva ist geplant.
Unsicher ist auch die Zukunft der defizitären Grube 7, der allerletzten, noch produzierenden Grube in der Nähe von Longyearbyen.
Wie geht es langfristig weiter? Das weiß er auch nicht. (Bergmann in Longyearbyen)
Eine Gruppe Motorschlittenfahrer wurde vor Beginn ihrer Tour vom Sysselmannen kontrolliert. Dabei zeigte sich, dass 10 von 35 Promille hatten; diese durften an der Tour nicht teilnehmen. Der Sysselmannen weist darauf hin, dass Straßenverkehrsregeln und spezielle Regeln gelten, einschließlich Helmpflicht, Geschwindigkeitsgrenzen und einer strikten Null-Promille-Grenze.
Vorsicht, Motorschlitten! Eventuell mit finsterem Hintergrund?
Untersuchungen von Schnee und Eis der Gletscher innerhalb der Inselgruppe Spitzbergen haben ergeben, dass sich noch teilweise erhebliche Mengen von Pestiziden im Boden der Region befinden müssen. Dabei handelt es sich um langlebige Umweltgifte, die in der Natur kaum abgebaut werden, zumal in kalten Gegenden. Die Substanzen sind heute größtenteils verboten. Teilweise werden Mengen von mindestens einer Tonne vermutet. Potentielle Gefahren für die Umwelt hängen von der tatsächlichen lokalen Belastung ab und müssen erst noch untersucht werden.
Erste Untersuchungen der norwegischen Bergbaugesellschaft Store Norske im St. Jonsfjord im Hinblick auf mögliche Goldvorkommen wurden im Sommer 2009 durchgeführt. Ergebnisse liegen jetzt vor: Demzufolge weisen die Proben einen vielversprechenden Goldgehalt auf, so dass die Store Norske im Frühjahr mehrere Bohrungen machen will, um weitere Daten zu bekommen. Die Genehmigung der Behörden (Sysselmannen) für die Bohrungen liegt vor. Bedingung ist u.a., dass nur auf schneebedecktem, gefrorenem Boden gearbeitet wird und dass Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden, um Verschmutzungen mit Treibstoffen oder Bohrflüssigkeit zu verhindern.
Der St. Jonsfjord liegt an der Westküste Spitzbergens nördlich des Isfjord und liegt außerhalb der Schutzgebiete.