Eine Landschaft zum Zuhausefühlen! Hier an der Westküste nördlich des Isfjord möchte man doch das Zelt aufbauen und mindestens eine Woche bleiben. Weite Tundra, unterbrochen von kleinen Hügeln und Seen, gesäumt von einer schönen, felsigen Küstenlinie mit versteckten Buchten. Rentiere so neugierig, dass man sie kaum wieder los wird 🙂 Thorshühnchen und Schneeammern, Moos, das auf Eis wächst.
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Kann es noch schöner werden? Ja, kann es. Dafür haben schon die Walrosse auf dem Prins Karls Forland gesorgt. Die waren nicht nur neugierig, sondern schon beinahe zudringlich. Wir haben uns bedankt, indem wir einen großen Strandstreifen von Plastikmüll befreit haben, den es hier ja leider wie fast überall in den Weltmeeren in furchterregenden Mengen gibt.
Aus der Welt des Eises im Hornsund in die Welt der Tundra im Bellsund. Frühe Blumenwelten auf erdgeschichtlich gut sortiertem Untergrund, darauf unterwegs arktische Paarhufer. In den hintersten Buchten dieser Fjorde gibt es letzte Reste von Fjordeis. Traurige Verhältnisse für die Jahreszeit, aber so ist es nun. Acht Kilometer Eisdecke bis zum Gletscher. Der Eisbär, der kurz vor der eingefrorenen Abbruchkante herumläuft, erscheint nach langem Suchen als flimmernder, einzelner Pixel im Fernglas.
28./29. Mai 2016 – Schließlich steigt Spitzbergen vor uns aus dem Meer auf, und natürlich freuen sich nach der Überfahrt alle, geschützte Gewässer zu erreichen. Wobei die Dünung noch ein Stück weit in den Hornsund hinein reicht und die Antigua am ersten Ankerplatz recht kräftig schaukelt.
Der erste Landgang bringt schöne Blicke auf den nahen Gletscher und auf die beeindruckende Brandung am äußeren Ufer der kleinen Halbinsel. Noch versteckt der Hornsundtind sich in den Wolken, was sich aber im Laufe der nächsten Stunden ändert. Am späteren Abend stehen Bautaen und Hornsundtind in voller Pracht vor dem blauen Himmel. Das Panorama aus weiten Gletschern, Eis und Bergen genießen wir noch einen weiteren Tag lang. Wobei es bei weitem nicht so viel Eis gibt, wie es eigentlich sollte.
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Es ist gar nicht so lange her, dass wir zu gleicher Jahreszeit dem Hornsund nicht einmal nahe kamen, nun sind wir ganz drin. Praktisch kein Treibeis weit und breit, nur die Eisberge von den Gletschern. Auch von Fjordeis kaum eine Spur, nur ein paar einzelne, lose treibende, verwitternde Platten. Traurig.
Gerade 24 Stunden von der Bäreninsel bis zum Hornsund – gar nicht schlecht. Der Wind pustete auch erstens ordentlich und zweitens aus der richtigen Richtung, um Beaufort 5-6 aus West, da können die Tücher in den Wind. Das Leben an Bord ist schon einigermaßen sportlich, aber das ist schon ordentliches Segeln 🙂 nur ist es schwierig, bei dem Wetter nach Walen Ausschau zu halten, 2 oder 3 mal haben wir einen Blas gesehen, aber wie viele Wale wirklich da gewesen sein mögen … man weiß es nicht.
26./27. Mai 2016 − Norwegen zog schnell an uns vorbei. Ein Tag in Tromsø mit diversen Eindrücken, Begegnungen und natürlich ist immer dies & das zu erledigen, da vergeht die Zeit schneller als einem lieb ist. Die Fugløya präsentierte sich des späten Abends dann erstaunlich vogelarm, so gar nicht ihrem Namen gerecht. Vielleicht waren sie ausgeflogen.
Die Barentssee: nicht wirklich ruhig und nicht wirklich wild. Eine Brise, schöner Segelwind, die Maschine kann Pause machen. Vorträge ersetzen die Wale, die sich nicht blicken lassen wollen.
Die Bäreninsel: nicht wirklich gut und nicht wirklich schlecht gelaunt. Windig, grau, feucht. Immerhin eine Landung geht, in einer kleinen, geschützten Bucht im Südosten. Mehr darf man realistischerweise an einem durchschnittlichen Tag nicht erwarten, und es ist tatsächlich durchschnittlich, oder: normal. Steife Brise, lebhafte Dünung, tiefe Wolken, Regenschauer. Solcherlei Wetter soll in diesen Breiten schon mal vorkommen. Da kann man sich nur ein möglichst geschütztes Plätzchen suchen und das Beste draus machen. Das haben wir auch getan, da kann man nicht meckern.
Für die Station hat das Wetter aber leider nicht mehr gereicht, zu sehr kamen Wind, Wellen und Dünung um die Küste herum. Schade, wir hätten uns gefreut, die Station zu besuchen, und die Leute dort waren sehr nett am Radio und hatten sich schon auf die frischen Zeitungen gefreut, die Birgit in Norwegen extra noch gekauft hatte.
Galerie – Barentssee & Bäreninsel – 26./27. Mai 2016
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Bei frischem, halbem Wind geht es jetzt unter Segeln Richtung Hornsund, immer schön die Wellen auf und ab. Man lässt sich Gesehenes und mitunter auch Gegessenes noch einmal durch den Kopf gehen und freut sich auf die Sunde und Buchten Spitzbergens.
Nun müssen wir so langsam mal an die vielen Meilen denken, die wir auf dem Weg nach Norden noch zurückzulegen haben. Eine ganze Menge davon konnten wir heute sehr angenehm und stilvoll unter Segeln zurücklegen. Für zwei Stops haben wir zwischen den Lofoten und Tromsø heute aber noch Zeit. In Harstad kam ich nicht zum Fotografieren, manchmal hat man hier tatsächlich auch andere Dinge zu erledigen. Aber bei den Seeadlern musste die Kamera natürlich heraus.
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Im Süden von Senja ergab sich noch die Gelegenheit zu einem kleinen Abendspaziergang. Aber wenn ich nur die (wasserdichte) GoPro mit an Land nehme und eine Tankstelle fotografieren, sagt das ja auch schon etwas. Nun, es ging darum, sich die Füße zu vertreten.
Das schönste Bild von Skrova war für dieses Mal vielleicht schon das letzte Foto von gestern Abend (siehe letzter Blog-Beitrag). Diese Perspektive ist schon unschlagbar. Aber die weißen Sandstrände und die bunten Blümchen muss man sich aus der Nähe ansehen, man muss den Sand unter den Füßen spüren. Das Badehandtuch blieb mangels Sonne aber dieses Mal im Rucksack.
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Nachdem sich am Himmel schon Finsteres zusammenbraute, kam im Trollfjord beinahe die Sonne wieder heraus und die Berge zeigten sich bis hinauf zu den Spitzen.
Was für ein Gefühl, die heißen Sonnenstrahlen auf der Haut, beim ersten Herausschauen früh am Morgen! Was für ein Kontrast zum feuchten, dunklen Grau gestern Abend!
Die Gegend ist immer für eine Überraschung gut. Man geht in eine Telefonzelle und entdeckt eine Bibliothek. Es gibt sicherlich nicht viele Bibliotheken auf der Welt, die kleiner sind.
Kabelvåg war in mittelalterlichen Zeiten die Haupstadt der Lofoten, hier ging es vor über 1000 Jahren los. Im sehr empfehlenswerten Freilichtmuseum kann man den alten Zeiten auf die Spur kommen.
Jüngere Spuren führen von Kabelvåg weg, hinein in die schöne Natur, entlang an einem See und hinauf auf den Kjeldbergtinden. Eine erstklassige Aussicht in alle Richtungen im feinsten Sonnenschein. Die schöne Schärenküste, die schneebedeckten, schroffen Berge, Seen, Wälder und Feuchtgebiete, die umliegenden Orte … alles glänzt unter uns und um uns herum.
Galerie Kabelvåg, Tjeldbergtinden – 22. Mai 2016
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Nach ein paar Stunden Tour geht es wieder mit der Antigua weiter, bis wir einen gemütlichen Abend und eine ruhige Nacht im Hafen von Skrova verbringen.
Rainy day, dream away, let the sunshine take a holiday … vermutlich hat Jimi Hendrix, als er diese Zeilen schrieb, nicht an die Lofoten gedacht. Aber vielleicht auch doch. An manchen Tagen würde es gut passen. Heute war so ein Tag, grau und feucht.
Was uns – nun, ein paar von uns – nicht davon abgehalten hat, sich die Aussicht auf Reine aus 438 Metern Höhe zu erarbeiten. Und gelohnt hat es sich doch! Zunächst sah es ja nach einem Blick in die Erbsensuppe aus, aber dann verzog sich die Wolke freundlicherweise noch einmal. Der Blick auf Reine aus der Höhe ist unschlagbar.
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Dann ging der Vorhang endgültig herunter und wir auch.
Nach einem nachmittäglichen Besuch in Nusfjord haben wir uns abends in den Hafen von Kabelvåg verzogen.
Es ist im wahrsten Sinne ein fliegender Wechsel vom Winter in den Sommer: In der Tat mit so einigen Flugmeilen verbunden, was ätzend, aber leider nicht vermeidbar ist. Ein besonderer nordischer Sommer für mich: mein zwanzigster Spitzbergen-Sommer. Ein wenig stolz bin ich schon, andererseits macht diese Zahl unmissverständlich klar, wie die Jahre ins Land ziehen … nun, so ist das eben.
Gestern bin ich so nach Bodø gekommen, in 30.000 Fuß (vielleicht ein paar weniger, ich weiß es nicht, ich habe nicht gemessen) Höhe über den Polarkreis hinweg, den ich nicht gesehen habe. Aber ich weiß ganz genau, dass er irgendwo da unten war.
In Bodø liegt die gute alte Antigua im Hafen, oder vielmehr die gute neue. Die Antigua ist auf wundersame Art acht Meter länger geworden, seit ich sie im November zum letzten Mal gesehen hatte. Am gleichen Ort, aber wie anders war doch alles, dunkel und kalt. Jetzt ist es warm, und die Sonne scheint. So lässt es sich leben. Ich war sehr gespannt, sie nun in natura zu sehen, und gefühlt entspricht das Mitteldeck jetzt tatsächlich einer 100 Meter Bahn. Auch die neuen Kabinen sind wirklich beeindruckend geworden, wenn man die alten kennt. Der Platzgewinn ist doch erheblich.
Alte Bekannte und neue Gesichter, gute Stimmung und ein fröhlicher Start in die Saison. Der Vestfjord zeigt sich von seiner besten Seite, die 40 Seemeilen (so ungefähr, auch hier habe ich nachgemessen, und der Computer mit der Seekarte ist gerade besetzt) vergehen auf angenehmste Art. Die berühmte „Lofotveggen“, die wie eine Mauer aus dem Meer steigende Bergkette der Lofoten, kommt langsam aber sicher näher, die Außenposten Mosken und Værøy leuchten schön im Abendlicht.
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Zu später Stunde, kurz bevor wir in den Hafen von Reine einlaufen, begegnen wir noch einer kleinen Schule Schwertwale, die wir ein Stückchen weit begleiten. Ein Bulle mit beeindruckender Finne und mehrere kleinere Tiere, darunter ein oder zwei Kälber, ziehen hier ihrer Wege.
So könnte es den ganzen Sommer weitergehen 🙂
Alle paar Jahre veröffentlicht die norwegische Regierung eine „Svalbardmelding“, die auch vom Parlament abgesegnet wird und die Leitlinien für die norwegische Spitzbergen-Politik der nächsten Jahre definiert. Die letzte Svalbardmelding kam 2009, eine neue politische Strategieerklärung war bereits vor einer Weile für 2016 angekündigt worden.
Nun ist es soweit, diese Woche ist das Papier öffentlich gemacht worden, von dem der zuständige norwegische Justizminister Anundsen schon vorher gesagt hatte, es würde „knallbra“ (supergut) sein. Die Strategieerklärung ist nun großes Thema in den regionalen Medien.
Unter „knallbra“ hätte man sich vielleicht doch etwas anderes vorgestellt. Die neue Svalbardmelding ist eher eine Beschreibung vom Stand der Dinge und gibt wenig konkrete Impulse, um die Entwicklungen zu beeinflussen. Kommentare zur Erklärung verlieren sich schnell im Klein-Klein der Wirtschaftspolitik, und das ist vielleicht auch das Neue: Der Fokus auf der wirtschaftlichen Entwicklung ist deutlich stärker erkennbar als in der Svalbardmelding von 2009.
Aber dass etwa der Kohlebergbau nun eine deutlich geringere Rolle spielt als noch vor ein paar Jahren, ist nun wirklich keine Nachricht mit Neuigkeitswert. Mehr Ganzjahresjobs sollen geschaffen werden, vorzugsweise in einem divers aufgestellten privaten Sektor, sonst aber auch durch erweiterte Präsenz öffentlicher Einrichtungen. Das langfristige Schicksal der Bergbaugesellschaft Store Norske bleibt auch mit der neuen Erklärung im Ungewissen, genauso wie die Antwort auf die Frage, wer künftig möglicherweise die Lücke füllen kann, die von der schrumpfenden Store Norske als ehemaligem industriellen Großbetrieb in Longyearbyen hinterlassen wird. Das ist aber eine der Kernfragen, auf die man in Longyearbyen gerne eine Antwort hätte. Lokale Ideen, Longyearbyen mit einem Fischereihafen als Industriestandort zu entwickeln, wurden kaum aufgegriffen.
Ebenso wenig gibt es nun mehr Klarheit über die Entwicklung des Flugverkehrs. Derzeit ist Longyearbyen als Reiseziel für Linienflieger von nicht-norwegischen Flughäfen aufgrund eines historisch überholten Vertrags gesperrt, so dass Finnair die für diesen Sommer bereits geplanten wieder abgesagt hat, sehr zum Bedauern des touristischen Dienstleistungssektors in Longyearbyen. Ein weiteres Zukunftsthema für Longyearbyen ist die Energieversorgung: Das 1983 gebaute Kohlekraftwerk wird nicht für alle Zeiten im Betrieb bleiben können.
Die Frage der Stromversorgung kann für Longyearbyen weit mehr bedeuten als die Frage, wie der Saft in die Steckdose kommt: Oft ist die Vision gezeichnet worden, das kleine und stromtechnisch in sich geschlossene Longyearbyen als Labor für eine Energieversorgung der Zukunft zu nutzen, um so Wissen von globaler Bedeutung und lokal Arbeitsplätze zu erzeugen. Die neue Svalbardmelding greift diese Visionen nicht auf. Größere Impulse, um solche und andere Ideen zu entwickeln, werden von ihr nicht erwartet.
Konkret ist nur die Zusage von 10 Millionen Kronen für den Bau von Wohnungen in Longyearbyen, auch im Blick auf den Verlust von 11 Häusern durch die Lawine im Dezember 2015. Für 10 Millionen Kronen, nur wenig über eine Million Euro, braucht es aber auch in Norwegen keine ganze Regierungserklärung.
Das neue Strategiepapier zur Spitzbergenpolitik bietet wenig Konkretes zur künftigen Entwicklung von Longyearbyen.
Auf der Expedition Jan Mayen 2016 ist wegen einer Absage wieder ein Platz kurzfristig verfügbar. Ein kurzentschlossener Expeditionist kann sich mit uns am 13. Juni 2016 in Ísafjörður in Nordwest-Island einschiffen und etwa 6 Tage auf der wilden Vulkaninsel Jan Mayen verbringen, potenziell mit der Möglichkeit, den Beerenberg zu besteigen, oder mit Touren, so weit die Füße tragen.