Unsere Segelschiff-Fahrten in Spitzbergen und anderen Polargebieten sind keine kurzen, oberflächlichen Kreuzfahrten, sondern wir wollen ein Naturerlebnis mit Tiefgang. Dazu machen wir praktisch jeden Tag ein oder zwei Landgänge mit mehr oder weniger kurzen Touren. Die Dauer bewegt sich typischerweise zwischen zwei und vier Stunden pro Landgang. Die zurückgelegte Strecke variiert, liegt aber meistens zwischen zwei und acht Kilometern. Aber was heißt das schon? Ein Kilometer in arktischem Gelände ist gefühlt deutlich länger als ein Kilometer im gewohnten Wandergelände, am Strand oder im Mittelgebirge. Dort kennen wir ausgebaute Wanderwege, in der Arktis gibt es das nicht. Jeder Kilometer macht sich hier doppelt bemerkbar, und nach einer Wanderung von eigentlich überschaubaren sechs Kilometern Länge fühlt man sich oft wie nach zwölf Kilometern auf einem Wanderweg in zivilisierteren Gefilden.
Die Frage »kann ich das?« muss jeder für sich beantworten. Eine realistische Eigeneinschätzung ist wichtig. Es ist ein guter Start, sich die Frage »kann ich das« überhaupt zu stellen und nicht nur die Frage »will ich das«. Richtig, es geht sowohl um Wollen als auch um Können, das Eine bringt ohne das Andere nichts. Man muss die Anforderungen, die die Touren in der Arktis an den Einzelnen stellen, ernst nehmen, ohne sich davon verrückt machen zu lassen. Der folgende Satz findet sich so oder ähnlich in so ziemlich allen Reisebeschreibungen unserer Touren: »Das Gelände ist naturgemäß generell weglos und oft auch unwegsam: Der Boden ist oft steinig-felsig, Steigungen wollen überwunden werden, diese können auch schon mal steiler sein (sicher aber keine Kletterei, die Erfahrung und Ausrüstung erfordern würde). Grundlegende Trittsicherheit und eine gewisse Ausdauer setzen wir bei unseren Gästen voraus, wie auch die Motivation, regelmäßig an mehrstündigen Wanderungen teilzunehmen.«
Das trifft es eigentlich ganz gut, und trotzdem ergibt sich unterwegs ab und an das Gefühl, dass noch konkreter illustriert werden sollte, was das bedeutet. Es bedeutet vor allem: steiniges Gelände. Frostsprengung zerlegt den felsigen Untergrund, den es in der Arktis fast überall gibt, in grobe, scharfkantige Blöcke. Darauf zu gehen ist anspruchsvoll mit Blick auf Trittsicherheit und Gleichgewicht. Das gilt bereits in ebenem Gelände, und bei Steigungen, die es natürlich häufig gibt, wird es nicht einfacher. Oft ist der Gesteinsschutt lose und ein Stein dreht sich, sobald man das Gewicht darauf verlagert. Dann sind gute Reaktion und Gleichgewicht gefragt, sonst landet man auf der Nase.
Galerie 1: einfaches Gelände
Das Gelände, das in dieser Fotosammlung gezeigt wird, ist Alltag und wird uns so oder ähnlich sicher auf jeder Spitzbergen-Fahrt begegnen. Damit sollte wirklich jeder klarkommen.
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Daneben ist die arktische Tundra oft feucht und nass. Nicht nur bei den Bachläufen und kleinen Flüssen, die gelegentlich gequert werden wollen, sondern je nach Gelände auch in der Fläche. Man kann mehr als knöcheltief in zäher, schlammiger Fließerde versinken. Auch dann sind Gleichgewichtsgefühl und Kraft gefragt, und mancher kommt nicht ohne Hilfe wieder auf sicheren Grund. Aber auch die Querung von Bächen und kleinen Flüssen ist für die meisten ungewohnt, und schon der Blick auf das strömende Wasser um die Stiefel kann den einen oder die andere aus dem Gleichgewicht bringen. Natürlich sind bei Flussquerungen und in feuchter Tundra robuste, kniehohe Gummistiefel mit solider Profilsohle sehr hilfreich, und da wir keine alpinen Klettereien machen, ist solches Schuhwerk für unsere Touren ideal (wo zusätzlich Wanderstiefel erforderlich sind, etwa weil Gletschertouren anstehen können, bei denen wir Steigeisen verwenden, wird darauf in der Reisebeschreibung im Einzelfall explizit hingewiesen. Das betrifft etwa die Fahrt »Spitzbergen für Fortgeschrittene« mit der Arctica II, aber nicht die Antigua-Fahrten. Wenn man ein gutes und gut passendes Paar solcher Gummistiefel hat, ist man normalerweise für die Touren, die wir etwa während der Antigua-Fahrten machen, bestens gerüstet. Wandern in steinigem Gelände erfordert ein gutes Auge, Trittsicherheit und Gleichgewicht. Das hat man oder man hat es nicht, und zwar unabhängig vom Schuhwerk. Oft und gerne wird den Gummistiefeln die »Schuld« in die Schuhe geschoben (Vorsicht Wortspiel 🙂 ), wenn das Laufen in steinigem Gelände sich doch als schwieriger herausstellt als erwartet. Mitunter hat es aber weniger mit den Stiefeln zu tun als mit dem Menschen, der sie an den Füßen hat.
Nicht zuletzt sind Gummistiefel auch viel einfacher zu reinigen, was nach der Tour an Land zuerst im flachen Wasser am Strand und dann noch einmal an Deck geschieht, also täglich. Die einfacher zu reinigenden Gummistiefel sind auch im Sinne von Schiff und Mannschaft, da so erfahrungsgemäß deutlich weniger Dreck in die Boote und aufs Schiff gelangt.
Natürlich kann es im Einzelfall vorkommen, dass Gummistiefel tatsächlich ungeeignet sind, etwa wenn Sie besonders anfällige Fußgelenke haben. Dann sind Wanderstiefel tatsächlich wahrscheinlich die bessere Lösung. Im Zweifel sind nasse Füße auch besser als ein umgeknickter Knöchel. Letztlich entscheiden Sie selbst, und nichts geht über einen realitätsnahen Praxistest vor der Arktis-Reise, damit Sie nicht dort feststellen, das falsche Schuhwerk zu haben!
Galerie 2: anspruchsvolles Gelände
Hier wird es etwas steiler und steiniger. Gelände dieser Art wird der Wandergruppe (im Gegensatz zur »gemütlichen Gruppe«) auf den Antigua-Reisen regelmäßig begegnen. Auch auf der Fahrt »Spitzbergen für Fortgeschrittene« mit der Arctica II oder den Fotowandertouren Pyramiden werden wir uns öfter in steinigem Gelände bewegen, so wie diese Bilder es zeigen.
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Ich halte solide, kniehohe Gummistiefel von Aigle für empfehlenswert, es gibt aber natürlich auch andere gute Hersteller: Viking, Tretorn, Muck Boots, … Seit vielen Jahren laufe ich mit Aigle-Stiefeln jeden Sommer täglich durch arktisches Gelände und ich komme damit bestens klar. Für schnell frierende Füße gibt es neoprengefütterte Varianten, die bei den Fahrten im September sicher grundsätzlich überlegenswert sind, wenn die Temperaturen schon eher wieder gen Nullpunkt streben, anders als im Juli oder um Mitte August. Aber das ist individuell verschieden. Solche Stiefel findet man im gut ausgestatteten Jagd- und Angelbedarf oder bei Outdoor-Ausrüstern, auch im Online-Versand (z.B. bei gummistiefelprofi.de). Hierbei kann man sich meist auch mehrere Größen zur Probe zuschicken lassen und behält dann die am besten passende Variante. Passen muss der Schuh, sonst nützt der beste Stiefel nichts!
Mittlerweile gibt es in Longyearbyen bei Spitzbergen Reisen auch einen Gummistiefelverleih (möglichst frühzeitige Reservierung erforderlich, die Kapazitäten sind nicht unbegrenzt).
Abschließend gilt: Natürlich sind Ausrüstung und Bekleidung, insbesondere Schuhe/Stiefel, etwas Persönliches. Wir können nur auf Basis unserer langjährigen Erfahrung Hinweise und Empfehlungen geben – entscheiden und mit dem Ergebnis leben müssen Sie selbst.
Galerie 3: Flussquerung
Bäche und kleine Flüsse finden sich immer wieder in der arktischen Tundra, und manchmal müssen sie überquert werden. Arktische Wildnis ist weglos, d.h. niemand hat dort für uns eine Brücke gebaut! Aber: Flussquerungen gehören zum arktischen Wandern dazu und machen auch Spaß, richtiges Schuhwerk und etwas Gleichgewichtsgefühl vorausgesetzt.
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Natürlich hängt es im Einzelfall von der Reise ab, von der Gegend, der Jahreszeit und den Aktivitäten, welches Schuhwerk wirklich am besten geeignet ist. Spitzbergen ist im Juli feuchter als im September, und die Landschaft in Grönland ist wiederum meistens trockener als in Spitzbergen. Auf landbasierten Wandertouren ohne Landgänge vom Schiff aus gibt es ohnehin keinen Bedarf an Gummistiefeln, hier sind kräftige, gute Wanderstiefel gefragt.
Viele empfinden Teleskop-Wanderstöcke unterwegs als hilfreich, aber das ist individuell verschieden, so dass Sie es selbst probieren müssen. Für weitere Ausrüstungshinweise haben wir eine spezielle Ausrüstungs-Infoseite.
Galerie 4: Fließerde
Fließerde gibt es an manchen feuchten Hängen, je nach geologischem Untergrund, und in Moränen. Solche Begegnungen mit Fließerde sind auf unseren Fahrten sicher nicht alltäglich, können aber vorkommen. Meistens kann man sie mit etwa Übung erkennen und ausweichen, aber Ausnahmen bestätigen gelegentlich die Regel, und dann gibt es mitunter schöne Schlammschlachten. Ich habe nicht allzu viele Fotos davon, da ich dann meistens damit beschäftigt bin, Leute aus dem Schlamm zu ziehen …
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Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte, und daher sollen die Fotogalerien das Gelände illustrieren, auf das wir unterwegs in seinen vielen Varianten stoßen werden. Auch wenn der Guide den richtigen Weg sucht (und hoffentlich auch findet): gehen müssen Sie schon selbst!
Ich will hier aber auch noch mal daran erinnern, dass wir uns beispielsweise während der Antigua-Fahrten an Land meistens in 2 oder auch in 3 Gruppen aufteilen, um verschiedenen Interessen und Lauffreudigkeiten gerecht zu werden. Es soll hier ja nicht darum gehen, Sie abzuschrecken. Aber ein Stückchen weit müssen Sie schon mithalten, und ich denke, das wollen Sie sicher auch, wenn Sie sich für eine solche Fahrt interessieren, denn sonst hat man auch wenig davon. Wenn Sie also nun diese Fotos sehen und denken, dass das absolut kein Gelände ist, in dem Sie unterwegs sein wollen und können, dann sollten Sie überlegen, ob eine Teilnahme an einer unserer Reisen tatsächlich sinnvoll ist.
Das gilt so vor allem für unsere Fahrten mit dem Segelschiff Antigua und ähnlichen, schiffsbasierten Reisen. Anders gelagert ist der Fall für Wandertouren wie der Fotowanderreise Pyramiden, wo die Touren länger sind und wir die ohnehin schon sehr kleine Gruppe nicht regelmäßig aufteilen wollen. Hier ist es wirklich wichtig, die Reisebeschreibung sorgfältig zu lesen und realistisch einzuschätzen: passt diese Reise zu mir, passe ich zu dieser Reise?
Gute Tour!
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Letzte Änderung: 09. Oktober 2024 ·
Copyright: Rolf Stange