Beschreibung: Das Walross ist die größte Robbenart in der Arktis und weltweit die zweitgrößte (See-Elefantenbullen erreichen noch gewaltigere Dimensionen). Die bis zu 1 m langen Eckzähne machen es unverwechselbar, sie sind bei Weibchen etwas kleiner als bei Bullen. Die Farbe von Walrossen ist braun, variiert jedoch erheblich je nachdem, wie die Tiere die Zeit vor der Beobachtung verbracht haben: Waren sie einige Zeit an Land, färbt sich die Haut vor allem bei warmem Wetter mehr und mehr ins Rosafarbene hin, da eine gesteigerte Durchblutung der Haut der Wärmeabfuhr dient. Umgekehrt sind Walrosse fast grau, wenn sie aus dem Wasser kommen, da die Durchblutung der Haut zwecks Minimierung der Wärmeabgabe verringert ist.
Walrossbullen werden bis zu 3,5 m lang und 1500 kg schwer, Kühe erreichen 2,5 m Länge und ein Gewicht von 900 kg. Bei der Geburt bringt das Walrossbaby es immerhin auf 60-85 kg und 1,3 m.
Das Pazifische Walross (O.r. divergens) in der Beringstraße wird noch etwas größer als das Atlantische Walross (O.r. rosmarus), daher werden beide als Unterarten derselben Art betrachtet.
Die Unterscheidung der Geschlechter ist mitunter schwierig. Bei ausgewachsenen Bullen ist die Größe ein eindeutiges Merkmal, aber jüngere Männchen und Weibchen sind schwer auseinanderzuhalten. Männchen haben mehr Narben und charakteristische Haut mit vielen Unebenheiten (»Warzen«) um den Hals und Nacken.
Walrosse bei der Lågøya. Zumindest bei dem Tier rechts handelt es sich ziemlich eindeutig um ein Männchen.
Die Bedeutung der langen Eckzähne ist unklar, bei der Nahrungssuche spielen sie keine Rolle. Bei der Verteidigung gegen Eisbären (selten erforderlich) wie auch beim Heraufsteigen auf Eisschollen sind sie sicherlich nützlich, ihre größte Bedeutung zumindest für die Bullen mögen sie bei Paarungskämpfen haben. Wenn diese Zähne abbrechen, können Walrosse ohne weiteres weiterleben, wie auch alle anderen Robbenarten, die von vornherein ohne lange Eckzähne auskommen.
Walrosse sind sehr soziale Tiere. Einzelne Walrosse sind die Ausnahme, meist sieht man mindestens zwanzig. Herden von über 100 Walrossen sind in Svalbard ungewöhnlich, kommen aber vor. Im Sommer 2006 hatten wir das Glück, eine Walrossherde von 250-300 Tieren beobachten zu können.
Verbreitung/Zugverhalten: Walrosse kommen in mehreren Gebieten in der Arktis vor. Es gibt verschiedene, mehr oder weniger getrennte Populationen in Nordostkanada und Westgrönland und ein weiteres Verbreitungsgebiet in der Beringstraße und in der östlichen russischen Arktis. Das Atlantische Walross ist von Nordostgrönland über Svalbard und Franz Josef Land bis in die südliche Karasee verbreitet. Ein Schwerpunktgebiet ist die Region Svalbard-Franz Josef Land, wobei die Mehrzahl der Tiere sich eher weiter im Osten, bei und in Franz Josef Land, aufhält. Interessant ist die Geschlechtertrennung: Während in Svalbard vor allem Bullen zu sehen sind, halten sich Kühe und Kälber überwiegend in Franz Josef Land und in den nordöstlichen, abgelegensten Bereichen von Svalbard auf. Mittlerweile sind aber auch in anderen Regionen Svalbards immer häufiger Kühe und Kälber zu sehen, diese erfreuliche Tendenz hat ihre Ursache in der Rückkehr der Walrosse in ihr früheres Verbreitungsgebiet, nachdem sie durch jahrhundertelange Jagd in den 1950er Jahren in Svalbard praktisch ausgerottet waren.
Walrosse am Liegeplatz am Strand auf der Amsterdamøya.
Auch heute noch findet man Walrosse in Svalbard vor allem im Norden und Osten. Eine bekannte Kolonie gibt es an der Südspitze von Moffen. Um den Schutz dieser Kolonie zu gewährleisten, ist auf Moffen in der Zeit 15. Mai bis 15. September eine Annäherung auf weniger als 300 Meter verboten. Weitere Kolonien gibt es in der Hinlopenstraße, der Nord- und Ostseite des Nordaustland (inklusive Storøya und Kvitøya), auf der Edgeøya und südlich davon, in den Tusenøyane. An der Westküste gibt es bislang (wieder) nur eine Kolonie im Forlandssund. Diese Tiere halten sich vor allem auf der Ostseite von Prins Karls Forland auf, streifen aber soweit umher, dass sie selten auch im Bellsund, Isfjord oder Kongsfjord zu sehen sind.
Walrosse verbringen das ganze Jahr in etwa der gleichen Region, ziehen sich aber in Gegenden mit offenem Wasser zurück. Dabei handelt es sich oft um Polynyas, also rund ums Jahr offene Wasserflächen innerhalb ansonsten eisbedeckter Gewässer. Diese gibt es auch nördlich von Svalbard und Franz Josef Land. Sobald die angestammten Ruheplätze an Land frei von Eis und Schnee sind, kehren sie an diese zurück. Sie benutzen Jahr für Jahr die gleichen Ruheplätze: Flache Strände in der Nähe von produktiven, nicht zu tiefen Gewässern mit schlammigem Grund, wo sie gute Weidegründe finden. Nach der Nahrungssuche ruhen Walrosse sich am Strand für einige Tage aus – beobachtet wurden Ruheperioden von bis zu elf Tagen (wer hat das elf Tage lang beobachtet!?) und historisch sogar bis zu 7 Wochen!
Biologisches: Walrosse ernähren sich fast ausschließlich von der Sandklaffmuschel, die im Schlamm am Meeresgrund steckt und Plankton filtert. Mit seinen sensitiven Barthaaren stöbert das Walross die Muschel auf (die Zähne spielen dabei keine Rolle) und saugt das Fleisch mit seinen extrem kräftigen Lippen aus der Schale. Als Mageninhalt von Walrossen wurden schon gute 70 kg Muschelfleisch gefunden, jedoch keine einzige Schale! Entsprechend brauchen Walrosse recht flache (vorzugsweise weniger als 20 m tief), sehr produktive Gewässer.
Sandklaffmuscheln (Mya arenaria), die bevorzugte Nahrung von Walrossen in Svalbard. Tausende Jahre alte Exemplare in marinen Sedimenten (nacheiszeitlich gehobene Strandwälle) auf Nordaustland.
Einzelne Walrosse haben einen anderen Speiseplan und ernähren sich von Robben. Diese Walrosse sind einer besonders hohen Belastung durch Umweltgifte (Schwermetalle, PCBs) ausgesetzt.
Die Paarung erfolgt zwischen Dezember und Februar an der Eiskante. Bullen fechten heftige Paarungskämpfe aus, bei denen es immer wieder zu mitunter schweren Verletzungen kommt. Die Kopulation findet im Wasser statt. Nach einer Schwangerschaft von 15 Monaten Dauer wird das einzelne Kalb im Mai geboren, hierzu trennt sich die Kuh von der Herde und zieht sich auf eine Eisscholle zurück. Das Kalb ernährt sich etwa zwei Jahre lang von Muttermilch, die in steigendem Maße von Muscheln ergänzt wird.
Walross-Familienglück bei der Edgeøya: Kuh mit säugendem Kalb.
Sonstiges: Im Nordatlantik gibt es etwa 20 000-30 000 Walrosse (Beringstraße: 230 000). Die Größe der Walrosspopulation in Svalbard und Franz Josef Land wird auf 3000-4000 Tiere geschätzt, mit steigender Tendenz. Früher waren das kräftige Leder, aus dem unter anderem zu Zeiten der Industrialisierung Treibriemen hergestellt wurden, sowie das Elfenbein der Eckzähne, das sich im Gegensatz zu Elefanten-Elfenbein auch nach längerer Zeit kaum verfärbt, begehrte Güter. Daher wurden Walrosse spätestens seit dem 17. Jahrhundert in Svalbard intensiv gejagt, eventuell schon früher durch die Pomoren. Die Jagd war relativ einfach: Von einer an Land ruhenden Walrossherde musste man zunächst nur die am nächsten am Wasser liegenden Tiere töten und somit den anderen den Fluchtweg abschneiden. Anschließend konnte man in Ruhe die übrigen Walrosse mit Lanzen abstechen. Oft wurde nur schnell die Schnauze mit den Eckzähnen abgehackt und der übrige, fast noch vollständige Kadaver den Bären, Füchsen und Vögeln überlassen. So wurden vielfach innerhalb von Stunden hunderte von Walrossen abgeschlachtet. Vor diesem Gemetzel müssen Walrosse überall in Svalbard sehr zahlreich gewesen sein (wie auch der heute in dieser Region praktisch ausgerottete Grönlandwal), in frühen Berichten kann man von großen Kolonien selbst auf der Bjørnøya lesen – heute ein fast unvorstellbares Bild.
1952 wurden Walrosse in Svalbard unter Totalschutz gestellt, unter dem sie auch immer noch stehen. Die Population hat ihre ursprüngliche Größe bei weitem noch nicht erreicht, nimmt aber langsam, aber sicher und sichtbar zu. Heutige Bedrohungen für Walrosse liegen in Störungen am Ruheplatz, schleichender Vergiftung durch Schwermetalle, PCBs etc (vor allem bei Walrossen, die sich entgegen der Normalität von Robben ernähren) und – im schlimmstmöglichen Fall – durch Ölverschmutzung. Da Walrosse an ganz bestimmte Gebiete gebunden sind (flache, produktive Gewässer nahe bei geeigneten Ruheplätzen), können sie im Falle einer Ölpest nicht einfach irgendwohin ausweichen und sind daher bei Ölunfällen oder anderen Verschmutzungen stark gefährdet.
Bedrohung durch andere Tiere haben Walrosse kaum zu befürchten. Eisbären können gelegentlich versuchen, Kälber oder schwache Tiere von einer Herde zu trennen, haben aber sonst großen Respekt vor den wehrhaften Walrossen. Orkas können im Wasser für Walrosse gefährlich werden. Über die Lebenserwartung ist wenig bekannt, sie wird sicherlich bei über 30, möglicherweise bei gut 40 Jahren liegen.
Vor allem an Land sind Walrosse leicht störbar. Flieht eine Walrossherde panikartig ins Wasser, können in Extremfällen sogar verletzte oder gar getötete Tiere (v.a. Jungtiere) zurückbleiben, und nach mehreren derartigen Vorfällen wird ein Ruheplatz mittelfristig aufgegeben. Bei Annäherung an Walrosse, die am Strand liegen, muss man daher äußerste Vorsicht walten lassen: Wichtig sind langsame Annäherung, Vermeidung von Lärm und plötzlichen Bewegungen und vor allem die Einhaltung eines großzügigen Mindestabstand (offizielle Empfehlung: 30 m. Je nach Situation ist das eher noch zu knapp). Die Beobachtung von Walrossen gehört zu den schönsten Erlebnissen, die man in der Arktis haben kann. Für wirklich gute Fotos sollten Sie aber auf jeden Fall ein Teleobjektiv haben, 300 mm Brennweite sind meist völlig ausreichend.
Sehr beeindruckend ist neben dem Anblick auch die Geräuschkulisse einer Herde von Walrossen, die sich primär der Verdauung von bis zu 70 kg rohem Muschelfleisch pro Tier widmet. Wenn man windabwärts steht, kann auch der Geruch unvergessliche Eindrücke hinterlassen.
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