Es ist spät am Abend, die Sonne scheint auf Küste und Berge südlich vom Bellsund – also alles andere als eine gute Zeit, vorm Bildschirm zu sitzen und lange Texte zu schreiben. Rausgucken ist besser.
Jede Menge Eis vorm Hornsund, unerwarteterweise, aber trotzdem (oder gerade deswegen) äußerst schön. Und hunderte – ach, was sage ich: tausende! – von Sattelrobben ☺ auch so eine Spezialität der frühen Saison.
Je weiter wir nach Norden kamen, desto schöner wurde das Wetter, der scharfe Nordostwind wurde zur Brise und flaute ganz ab, bis die Oberfläche des Wassers richtig ölig wurde, nur noch von der sanften Dünung bewegt, in der Abendsonne glänzend. Beste Bedingungen, um nun mal ein paar Wale zu sichten!
Allerdings waren wir nicht die einzigen, die hier unterwegs waren in der Hoffnung, Wale zu sehen, nur waren die Absichten des Schiffes, das bald in Sicht kam, deutlich weniger friedlich. Ein zunächst scheinbar unschuldig am Horizont fahrendes Schiff zeigte bald einen Ausguck am Mast und eine Harpune auf dem Bug und erwies sich somit als Walfänger, während wir einen jungen Buckelwal beobachteten. Bald darauf war der erste Knall übers Wasser hinweg zu hören, was sich innerhalb der folgenden Minuten mehrfach wiederholte. Vor dem Bug des Walfängers – wie bald am Heck zu lesen war, heißt das Schiff Reinebuen und kommt aus Svolvær – spritzte es im Wasser, dort war nun ein Zwergwal dabei, einen qualvollen Todeskampf zu kämpfen, der 5-6 Minuten dauern sollte.
Es ist ja kein Geheimnis, dass Norwegen seiner Walfangflotte jedes Jahr weit über 1000 Abschusslizenzen erteilt, und man sieht gelegentlich Walfangschiffe in norwegischen Häfen einschließlich Longyearbyen. Aber ein Walfangschiff in tödlicher Aktion, das hatte ich noch nie gesehen, und ich hatte nicht damit gerechnet, was für einen Eindruck es machen würde, zuzusehen, wie ein Wal harpuniert, stirbt und an Deck gezogen wird. Wobei die Mannschaft der Reinebuen das Schiff mehrfach schnell drehte, um zu verhindern, dass wir allzu viel sehen konnten. Die wissen schon, was die Welt davon hält.
Schließlich zogen sie ihrer Wege und wir unserer. Flau im Magen war mir, als wäre ich Zeuge eines Gewaltverbrechens geworden. War ich ja auch, im weiteren Sinne.
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Bald tauchten im Mitternachtssonnenlicht zwei weitere Buckelwale auf, quicklebendig und ihres Lebens froh, nicht ahnend, dass ein etwas entfernter Verwandter kurz zuvor sein Leben blutig und schmerzhaft hatte lassen müssen. Auch hier an Bord stieg Laune merklich. Zugegeben, ich war innerlich nicht ganz so schnell. Das emotionale Umschalten von Schlachtfest auf Naturgenuss anhand des gleichen wunderbaren Tieres wollte nicht so schlagartig gelingen, und so habe ich etwas mechanisch hingeschaut und Fotos gemacht und war letztlich froh, als der Tag vorbei war.
29./30. Mai 2015 – Von der Überfahrt gibt es nun nicht allzu viel zu berichten. Der Seegang machte sie eher mittelmäßig angenehm, mit deutlich verringerter allgemeiner Präsenz beim Essen. Mit Walen und Delfinen war auch nicht so viel los – hier und da kleinere Gruppen von Delfinen. Umso besser, dass wir trotzdem recht schnell vorwärts kamen und schon am 29. mittags die Bäreninsel erreichten. Bei Wind und Wellen aus Nordosten hielten wir uns auf der Westseite, und bald war in einer kleinen Bucht auch eine passende Landestelle gefunden.
Aus der Entfernung mag die Bäreninsel ja leer und öde erscheinen, aber bei näherem Blick entdeckt man so vieles. Die beeindruckend schroffe Küstenlandschaft und Vogelkolonien, diese und jene landschaftlichen Phänomene wie Frostmusterböden und Karstquellen und dies und das. Am schönsten ist das Gefühl der Abgelegenheit auf dieser ausgesetzten Insel in ruhigen Momenten, in denen man nur den Wind hört. Einen schönen langen Nachmittag sind wir umhergestreift, von der Flussmündung in Ærfuglvika zu den Lummenkolonien am Kapp Ruth, an ein paar kleinen, noch überwiegend gefrorenen Seen in der flachen, kargen Tundra zum Fluss Jordbruelva, in dessen von Schneewänden eingefasstem Lauf wir ein wenig Canyoning light betrieben haben, bis zum Kapp Maria mit dem Felsentor Kvalkjeften (Walkiefer) und einem gewaltigen Loch im Boden, durch das die Brandung 15 m tiefer sichtbar ist.
Eine ruhige Nacht vor Anker im Wellenschatten der Bäreninsel war für viele sicherlich ein weiterer Höhepunkt.
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Am nächsten Vormittag haben wir eine kleine Kreuzfahrt um das Südende der Bäreninsel gemacht, wo die Natur einen der beeindruckendsten Küstenstreifen im Nordatlantik geschaffen hat. Für Zodiac-Aktionen war es definitiv zu windig und wellig, aber der Anblick ist auch vom Schiff aus noch mehr als grandios. Zudem hatten wir Besuch von einer Vielzahl von Eissturmvögeln.
Der 17. Mai ist Nationalfeiertag in Norwegen. Gefeiert wird das norwegische Grundgesetz, das am 17. Mai 1814 im südnorwegischen Örtchen Eidsvoll von der gerade frisch zusammengekommenen Nationalversammlung verabschiedet wurde. Ein bedeutender Akt für das Land und mutig noch dazu, denn zuvor wurde Norwegen fast 300 Jahre lang von Dänemark aus regiert. Offiziell war Norwegen Teil des dänischen Königreichs, die wichtigen Positionen waren von Dänen besetzt und über Kultur- und Schulpolitik versuchte man die Norweger zu Dänen zu machen.
Als 1814, zum Ende der Napoleonischen Kriege, im Kieler Frieden über eine territoriale Neuordnung Skandinaviens verhandelt wurde, nutzten die Norweger die Gelegenheit: Sie ließen eine Nationalversammlung zusammenkommen, gaben sich ein Grundgesetz und wählten einen eigenen König. Doch ganz so einfach ging es dann doch nicht. Norwegen wurde zunächst in eine Union mit Schweden überführt und der schwedische König wurde in Personalunion auch König von Norwegen. Immerhin war Norwegen nun wieder ein eigenes Königreich, aus der Nationalversammlung ging ein Parlament (Storting) hervor und das Grundgesetz, das am 17. Mai gefeiert wird, blieb in Kraft. Vollständig unabhängig ist Norwegen erst seit 1905, als die Union mit Schweden aufgelöst wurde.
Traditionell wird der Nationalfeiertag mit der 17. Mai-Parade gefeiert, einem Umzug mit Musik, einem Meer von norwegischen Fähnchen und einer Vielzahl von Trachten aus den unterschiedlichen Landesteilen. In der Hauptstadt Oslo zieht die Parade am Schloss vorbei über die Flaniermeile der Karl Johans Gate. Im ganzen Land werden zur Feier des Tages die Flaggen gehisst.
Auch in der norwegischen Arktis wurde am 17. Mai kräftig gefeiert. Nicht nur auf Spitzbergen, im Hauptort Longyearbyen, in der Forschersiedlung Ny Ålesund und in der Bergbausiedlung Sveagruva, sondern auch an den meteorologischen Stationen auf den abgelegenen Inseln Bjørnøya, Jan Mayen und Hopen. Sogar die Besatzung des nördlich von Spitzbergen im Eis eingefrorenen Forschungsschiffs RV „Lance“ hatte eine 17. Mai-Parade organisiert: über das Eis, einmal um das Schiff herum. Danach wurde an Bord gefeiert. Die Station auf Bjørnøya bekam Besuch von der Besatzung des norwegischen Küstenwacheschiffs KV „Harstad“, was die Teilnehmerzahl bei der Parade merklich in die Höhe steigen ließ. Angeblich konnten auch neue Mitglieder für den Bjørnøya-Nacktbadeverein gewonnen werden. Die kleinste 17. Mai-Feier fand auf Hopen statt. Immerhin waren mit 4 Personen (und den 4 Stationshunden) sämtliche Einwohner anwesend.
In Longyearbyen zog die Parade von der Kirche aus durchs Stadtzentrum und weiter zum Kriegsdenkmal, wo Blumen niedergelegt und Ansprachen gehalten wurden. Es sprachen Robert Hermansen, der ehemalige Chef des Bergbauunternehmens Store Norske Spitsbergen Kulkompani und der russische Generalkonsul in Barentsburg, Jurij Gribkov, der den Norwegern zur Feier ihres Grundgesetzes gratulierte. Danach ging es weiter zur Svalbardhalle. Dort wurde gemeinsam gegessen und mit verschiedenen Programmpunkten, besonders auch für die Kinder, ausgiebig gefeiert. Der Sysselmann Odd Olsen Ingerø betonte in seiner Festrede die Souveränität Norwegens über Svalbard und bekräftigte die Gültigkeit des Spitzbergenvertrags.
Tromsø, das Paris, des Nordens, traditionsreiches Einfallstor zur Arktis, unser Sprungbrett Richtung Bäreninsel und Spitzbergen, präsentiert sich bei schönstem Sonnenschein. Besuche in den Arktis-Museen, ein Ausflug auf den Hausberg Fløya und etwas Zeit zur Entspannung in der Zivilisation, bevor es weitergeht Richtung Barentssee.
Vor 2 Jahren hatten wir Tinden „entdeckt“, einen alten Handelsposten auf der Außenseite der Vesterålen, malerisch in einer Bucht unter einem schroffen Berg gelegen, versteckt hinter kleinen Inseln. Wir wussten damals nur, dass es dort schön sein sollte, ohne wirklich zu wissen, was uns dort erwarten würde. Und was uns alles erwartet hat! Ein alter Handelsposten aus dem frühen 20. Jahrhundert, seit Jahren stillgelegt, aber liebevoll als Museum erhalten. Ein schönes Ensemble von weißen Gebäuden aus einer vergangenen Zeit, sogar mit Blumenbeet und Regale vollgestopft mit einem Sortiment aus Großväterchens Zeiten. Der temperamentvolle Bestyrer (man würde das wohl mit Manager übersetzen, was es aber nicht so schön trifft) Kjell ist ein unverzichtbarer Teil des Erlebnisses.
Und genau diese wunderbare Kombination durften wir heute dort auch wieder erleben, dieses Mal sogar im Sonnenschein, so dass ein kleiner Gang auf den steilen Hang hinter den Gebäuden zu einer sehr lohnenden Tour wird.
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Vor ein paar Monaten hat hier ein Sturm getobt, der mehrere Gebäude völlig zerstört hat, die schon seit Jahrzehnten dort gestanden hatten. Ein unersetzlicher Verlust der historischen Substanz, denn niemand kann den Wert der alten Gegenstände abschätzen oder diese gar ersetzen. Und man möchte auch nicht wirklich wissen, was für Windstärken da getobt haben mögen. Umso angenehmer ist die leichte Brise von heute.
Übrigens kann man sich Tinden ja schon in Rundumsicht anschauen – müsste ich vielleicht jetzt noch mal überarbeiten, immerhin habe ich heute eine sonnige Ergänzung bekommen.
Während wir Meilen Richtung Norden machen, ziehen die südlichen Vesterålen an uns vorbei. Schöne Landschaften, Seeadler, und sogar Schwertwale lassen den sehr angenehm und abwechslungsreich vergehen.
Schon klar, wir sind nicht die ersten Touristen hier in der Gegend. Kaiser Wilhelm II. war schon 1889 in der Gegend. Hätte er mal mehr Zeit mit seinen Norwegen-Urlauben verbracht und weniger mit Politik, wer weiß, was der Welt alles erspart geblieben wäre.
Bei allem beruflichen Stress, den KW II. schlechterdings und selbstverschuldeterweise so hatte, hat er es dennoch erstaunlich oft nach Norwegen geschafft. Und zweimal war er in Digermulen, einem kleinen Nest – etwa 300 Einwohner – am südlichen Eingang des Raftsund. Das ist die Wasserstraße, die Austvågøya (Lofoten) und Hinnøya (Vesterålen) voneinander trennt.
Hinter Digermulen steht ein Berg, der Digerkollen. Der ist gar nicht so diger, also groß, sondern mit 384 m Höhe sogar recht überschaubar. Das hat schon Willi mit seiner kaiserlichen Entourage geschafft, das schaffen wir auch. Immerhin muss nach uns keiner Granitplatten dort hochschleppen, die später noch von unserem Besuch zeugen, ein Eintrag ins Gipfelbuch reicht uns völlig aus.
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Der Weg nach oben, ober Stock, Stein und schließlich ein paar Flächen aus nassschwerem Schnee, dauert gut 1 ½ Stunden, wobei wir gefühlt alle Jahreszeiten erleben, von einem frühlingshaften Regenschauer über sommerliche Sonne zu einem winterlichem Schneeschauer bis hin zu herbstlichem Wechsel zwischen Wolken und Sonne. Freundlicherweise schlägt das Pendel zur richtigen Zeit auf die Sonnenseite aus, so dass der Blick über Raftsund, Hinnøya, Austvågøya und eine ganze Reihe kleinerer Insel in voller Pracht vor uns liegt. Ein wahrhaft kaiserliches Panorama!
Trotz Tauwetterphasen im April hat die nun zu Ende gehende Wintersaison in Spitzbergen noch lange durchgehalten. Ab Ende April hat sich das Wetter mit Minusgraden und wenig Wind weitgehend stabilisiert und somit noch viele schöne Tourentage gebracht, bis über den 17. Mai (norwegischer Nationalfeiertag) hinweg.
Das Frühjahr hat dem inneren Isfjord einige Bewohner gebracht: Im Billefjord und Tempelfjord halten sich zwei Eisbärenfamilien mit diesjährigen Jungen auf, eine der beiden Mütter hat sogar Drillinge, eine große Seltenheit. Dieser sehr erfreuliche Umstand führte zu Kontroversen bezüglich des Motorschlittenverkehrs in diesen häufig befahrenen Fjorden. Mehrfach rief der Sysselmannen dazu auf, Verkehr dort auf ein Minimum zu beschränken. Dennoch wurden mehrfach kleine Gruppen beobachtet, die sich zu lange und / oder zu nahe bei den Eisbären aufhielten.
Erfahrungen beispielsweise von 2013 zeigen, dass Motorschlittenverkehr auch für Eisbärenfamilien mit jungem Nachwuchs nicht unbedingt nachteilig sein muss. In diesem Frühjahr hielt sich eine Eisbärenfamilie im Tempelfjord auf, wo es gleichzeitig viel und häufig Motorschlittenverkehr gab. Respektvolles Verhalten der Besuchergruppen trug dazu bei, dass die Eisbären sich augenscheinlich nicht durch den Verkehr gestört fühlten. Im Gegenteil war ihnen regelmäßig Jagderfolg beschieden und die Familie konnte trotz hoher Besucherfrequenz zunächst unter guten Bedingungen leben und aufwachsen.
Allerdings sind mittlerweile mit großer Wahrscheinlichkeit beide Jungbären von 2013 tot. Einer starb im Billefjord, kurz nachdem er von Wissenschaftlern betäubt worden war. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Tod des Bären und der Betäubung wurde nicht nachgewiesen, liegt aber nahe.
Der wahrscheinlich zweite Jungbär aus dieser Familie wurde Ende März 2015 bei Fredheim von Skitouristen angeschossen und später von der Polizei erschossen, nachdem er im Zeltlager einen Teilnehmer verletzt hatte.
Diese Beobachtungen legen nahe, dass eine größere Anzahl sich respektvoll verhaltender Touristen auch für Eisbärenfamillien mit Jungtieren nicht unbedingt problematisch ist, aber Besuchergruppen (einschließlich Wissenschaftler) mit speziellem Verhalten ein erhöhtes Risiko bringen. Ein interessantes Bild, da Touristen im Allgemeinen einen deutlich schlechteren öffentlichen Ruf haben als Wissenschaftler.
Aktuell gilt die allgemeine Sorge insbesondere die Familie mit 3 Jungtieren. Mehrfach zeigten intensive Diskussionen in sozialen Netzwerken, dass die Öffentlichkeit, zumindest lokal, Anteil nimmt am Schicksal der Bären und nicht bereit ist, grenzüberschreitendes Verhalten Einzelner zu tolerieren. Die Familie ist aber schon von Wissenschaftlern markiert worden, wobei die Mutter betäubt worden sein muss. Ob die Forscher sich dabei mit Motorschlitten oder mit Hubschrauber in Schussweite gebracht haben, ist nicht öffentlich bekannt. In jedem Fall liegt es nahe, dass ein solcher Eingriff für die Eisbären ein einschneidendes Erlebnis ist, und das in einer Phase, die als so sensibel betrachtet wird, dass der sonstige Verkehr von offizieller Seite zur Zurückhaltung aufgefordert wird.
Nun ist die Motorschlittensaison vorbei und damit auch die Möglichkeit für Einzelpersonen, sich den Tieren individuell ungebührlich zu nähern.
Ein Teil des Spaßes besteht ja darin, neue Orte zu entdecken. Wenn man irgendwo noch nicht war, ist das ja oft ein guter Grund, um da mal hinzufahren. Nach einem interessanten Nachmittag – mitunter braucht der Wind nur Minuten, um seine Richtung 180° zu ändern, was schon interessant ist, wenn man gerade unter Segeln unterwegs ist – kamen wir abends nach Heimøya. Ein winziges Inselchen, von seinem winzigen Nacharbinselchen von einem winzigen Kanälchen getrennt. Die Norweger haben die Heimøya als nettes, ruhiges Plätzchen für Ferienheime entdeckt und einige davon dort aufgestellt. Man fragt sich, ob der Name Programm war oder umgekehrt.
Nusfjord ist der erste Hafen, in dem wir anlegen, und für den Rest der Nacht ist es schön ruhig, abgesehen von der Hintergrundmusik quietschender Fender. Umso größer die Freude, am nächsten Morgen inmitten dieses idyllischen Fleckchens aufzuwachen. Nusfjord ist eine Art Museumsdorf, die Zeit scheint hier stehengeblieben zu sein, und während man hier herumspaziert, fühlt man sich ins frühe 20. Jahrhundert zurückversetzt: im alten Landhandel genauso wie beim Gang um das kleine Hafenbecken mit seinen typischen Rorbuer (schlichte Holzhäuser, wo früher Gastfischer untergebracht waren). An den Felsen krächzen die Dreizehenmöwen genauso wie vor 100 Jahren. Auch die Regenschauer machen einen noch genauso nass wie vor 100 Jahren, Gore Text hin oder her.
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Abschließend fährt Kapitän Joachim die Antigua noch um die kleine Insel Brattholmen herum, ein kurzer Naturkanal mit steilen Felsen zu beiden Seiten. Eine Art Mini-Trollfjord, sozusagen zum Aufwärmen. Besonders schön vom Logenpatz, oben auf dem Mast ☺
Jaha – heute geht es los! Die Antigua liegt in Bodø im Hafen, 2 Wochen hat sie gebraucht, um von Hamburg hierher zu fahren. Ich mache das schneller und mit weniger Bodenhaftung.
Einen Tag später kommt die Gruppe an Bord. Wir sind international unterwegs. Kleine Spracharithmetik: deutsch + niederländisch = englisch.
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Bei mäßiger südlicher Brise fahren wir aus dem Hafen heraus und in den Vestfjord ein. 50 Seemeilen offenes Wasser zwischen Bodø und Reine auf Moskenesøya, im Süden der Lofoten. Bald sind die Segel oben. Der Seegang ist moderat, reicht für einige am ersten Abend aber aus. Andere genießen es, unter Segeln unterwegs zu sein und zu beobachten, wie die berühmte Lofotenwand („Lofotveggen“) voraus langsam unter der tiefstehenden Sonne in einer Wolkenbank sichtbar wird.
Russland lässt keine Gelegenheit aus, um die norwegische Regierung in der Arktis herauszufordern. Bereits Anfang März hat die russische Botschaft in Norwegen dem norwegischen Außenministerium eine scharfe diplomatische Note zugestellt, um gegen die Öffnung von Feldern zur Suche nach Öl und Gas in der Barentssee zu protestieren.
Nach russischer Ansicht fällt das betreffende Schelfmeergebiet unter die Regelungen des Spitzbergenvertrages, was den Unterzeichnerstaaten möglicherweise Mitsprache- und Nutzungsrechte einräumen würde. Jedenfalls wäre das weitere Vorgehen nicht alleine Sache der norwegischen Regierung.
Die russische Begründung wirkt allerdings recht vorgeschoben: Es wird angeführt, dass Spitzbergen einen eigenen Kontinentalschelf habe, auf dem das betreffende Gebiet liege. Daher müsse dieses Gebiet seerechtlich wie ein Teil Spitzbergens behandelt werden und nicht wie norwegisches Hoheitsgebiet.
Die gängige Annahme ist, wie auch das untenstehende Bild illustriert, dass das Schelfgebiet von der norwegischen Küste bis Spitzbergen ein durchgehender Schelf ist, der zu Norwegen gehört. Diese Ansicht vertritt die norwegische Regierung, und nach derselben Rechtslogik erhebt Russland auch Anspruch auf die Schelfgebiete vor der russischen Eismeerküste. Für eine separate Betrachtung des nördlichen Teils als „Spitzbergen-Schelf“ fehlen geologische und rechtliche Argumente.
Der Kontinentalschelf in der Barentssee (hellblau) wird als ein durchgehender Schelf betrachtet. Der Pfeil kennzeichnet die Lage der Bäreninsel (Bjørnøya).
Die norwegische Bergbausgesellschaft auf Spitzbergen, Store Norske Spitsbergen Kulkompani (SNSK), steckt schon seit längerer Zeit tief in den roten Zahlen (siehe auch Dezember-Nachrichten: Kohlebergbau unrentabel: Store Norske plant Entlassungen). Grund sind die niedrigen Kohlepreise auf dem Weltmarkt. Die SNSK hat bereits eine größere Anzahl Angestellter entlassen und in einem kleinen Ort wie Longyearbyen macht sich schnell eine gewisse Nervosität breit, da sich hundert wegfallende Arbeitsplätze und mehrere Dutzend wegziehende Familien im wirtschaftlichen und sozialen Gefüge des Ortes deutlich bemerkbar machen können.
Nun sorgt eine Entscheidung der norwegischen Regierung für Erleichterung: wie die norwegische Wirtschaftsministerin Monica Mæland am Donnerstag in einer Pressekonferenz mitteilte, erhält die SNSK einen Kredit von 500 Millionen Kronen (ca. 60 Millionen Euro). Die Firma hatte um 450 Millionen gebeten, diese Summe wurde seitens der Regierung sogar noch erhöht.
Dennoch legte die Ministerin Wert auf ein paar Bedingungen: Dies sei keine Garantie für den langfristigen Bergbaubetrieb auf Spitzbergen. Die künftige Regierungspolitik für Svalbard, die den Rahmen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung setzen wird, wird wie auch früher in einer Regierungserklärung („Svalbard-melding“) festgelegt. Diese kommt alle 5-10 Jahre, die nächste wird derzeit im Justizministerium vorbereitet. Der zugesagte Kredit muss noch vom Storting (Parlament in Oslo) verabschiedet werden. Und das Grundeigentum der SNSK, die der größte Grundeigner in Longyearbyen ist, soll in den direkten Staatsbesitz übergehen. Dies soll die norwegische Souveränität stärken und hat eher symbolischen Wert, aber wohl keine praktischen Auswirkungen.
In Longyearbyen hat die Mitteilung vielerseits zu Erleichterung geführt.
Kohlebergbau in Spitzbergen: Zukunftsmodell? Auslaufmodell?
Norwegens arktischer Norden (1): Spitzbergen
vom Polarlicht bis zur Mitternachtssonne. Ein erzählend-informativer, üppig illustrierter Bildband, thematisch und geographisch rund um die schönen Inseln im Norden.