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HomeSpitz­ber­gen Lan­des­kun­de und Rei­se­tippsGeschich­te → Frü­he wis­sen­schaft­li­che Erfor­schung

Beginn der wissenschaftlichen Erforschung

Geschichte(n) von Spitzbergen

Der Schwe­de Adolf Erik Nor­dens­ki­öld

Par­al­lel zu Trap­pern began­nen Wis­sen­schaft­ler ver­schie­de­ner Natio­nen, sich für Sval­bard zu inter­es­sie­ren. Eine der frü­hes­ten Expe­di­tio­nen ist die von Bar­to von Löwenigh im Jah­re 1827. Der nor­we­gi­sche Geo­lo­ge Balt­ha­zar Mat­thi­as Keil­hau war eben­falls dabei und ver­öf­fent­lich­te anschlie­ßend ers­te sys­te­ma­ti­sche geo­lo­gi­sche Beob­ach­tun­gen, die er im Süden Spitz­ber­gens, auf der Edgeøya und Bjørnøya ange­stellt hat­te. Daher steht die­se Expe­di­ti­on im Ruf, die sys­te­ma­ti­sche wis­sen­schaft­li­che Erkun­dung Sval­bards ein­ge­läu­tet zu haben. Im wei­te­ren Ver­lauf des 19. Jahr­hun­derts domi­nie­ren vor allem Schwe­den wie Otto Tor­ell und Adolf Erik von Nor­dens­ki­öld mit ihren Sval­bard­ex­pe­di­tio­nen, bei denen For­schung zumin­dest eine Rol­le spiel­te, wenn auch nicht immer die ein­zi­ge. So hat­te Nor­dens­ki­öld auch Vor­stö­ße in Rich­tung Nord­pol geplant, aus denen aber nicht viel wur­de. Deut­sche Expe­di­tio­nen sind im Gesamt­bild eher zweit­ran­gig, leis­te­ten im Ein­zel­fall jedoch mehr­fach bedeu­ten­de Bei­trä­ge, so bereis­te etwa die deut­sche Eis­meer­ex­pe­di­ti­on von 1898 an Bord der »Hel­go­land« gro­ße Tei­le der Insel­grup­pe und publi­zier­te anschlie­ßend umfang­rei­che Ergeb­nis­se. Eine dabei an Bord befind­li­che Per­son gelang­te spä­ter als »Nebel­fürst« zu gewis­ser Bekannt­heit, vor allem durch eher kurio­se Ereig­nis­se wie der Okku­pa­ti­on der Bjørnøya für das Kai­ser­reich, das dar­an aller­dings über­haupt nicht inter­es­siert war. Den­noch ver­tei­dig­te der »Nebel­fürst« Theo­dor Ler­ner sein Reich bei einer Gele­gen­heit sogar gegen einen rus­si­schen Kreu­zer. 1907/08 über­win­ter­te Ler­ner beim Bohe­man­nes­et im Isfjord zusam­men mit Hjal­mar Johan­sen, dem Gefähr­ten von Fri­dt­jof Nan­sen wäh­rend dem Schlit­ten-Vor­stoß nach Nor­den unter der berühm­ten Fram-Expe­di­ti­on.

Eine wei­te­re grö­ße­re Sval­bard-Expe­di­ti­on unter schwe­di­scher Betei­li­gung war ein in ver­schie­de­ner Hin­sicht bemer­kens­wer­tes Unter­neh­men, dem His­to­ri­ker sich in jün­ge­rer Ver­gan­gen­heit ver­stärkt zuwen­den: Die Schwe­disch-Rus­si­sche Grad­mes­sungs­expe­di­ti­on. Wis­sen­schaft­li­ches Ziel war die Bestim­mung der Form des Erd­kör­pers durch sehr genaue astro­no­mi­sche Orts­be­stim­mung und topo­gra­phi­sche Mes­sun­gen sowie einen Ver­gleich mit ent­spre­chen­den Mes­sun­gen in äqua­tor­na­hen Brei­ten: Wäre die Erde eine Kugel, so müss­te die Län­ge eines Brei­ten­gra­des in Pol­nä­he und in Äqua­tor­nä­he gleich sein. Wäre die Erde aber an den Polen abge­flacht, müss­ten die Brei­ten­gra­de in Pol­nä­he kür­zer wer­den. Man ent­schied sich, ein mög­lichst lan­ges Nord-Süd-Pro­fil durch die Hin­lo­pen­stra­ße und den Storfjord bis zum Süd­kapp Spitz­ber­gens zu ver­mes­sen. Um die not­wen­di­gen Mes­sun­gen unter der­art extre­men Bedin­gun­gen aus­rei­chend prä­zi­se durch­füh­ren zu kön­nen, wur­den Sta­tio­nen im Sorg­fjord sowie im Horn­sund eta­bliert und dazwi­schen jeweils umfang­rei­che Ver­mes­sungs­ar­bei­ten über meh­re­re Som­mer von 1899 bis 1904 durch­ge­führt. Die­se logis­tisch und wis­sen­schaft­lich anspruchs­vol­le Auf­ga­be wur­de durch die Koope­ra­ti­on zwei­er Län­der erfolg­reich gelöst. Sowohl die rein wis­sen­schaft­li­che Ziel­set­zung als auch die inter­na­tio­na­le Koope­ra­ti­on wie die erfolg­rei­che Durch­füh­rung ohne Opfer unter Errei­chung des Ziels macht die Grad­mes­sungs­expe­di­ti­on zu einer der inter­es­san­tes­ten Expe­di­tio­nen ihrer Zeit.

Im frü­hen 20. Jahr­hun­dert tra­ten die Nor­we­ger bei der Erfor­schung Spitz­ber­gens ver­stärkt auf den Plan. Dozent Adolf Hoel, der dabei eine Schlüs­sel­rol­le spiel­te, hat­te dabei sicher­lich nicht nur wis­sen­schaft­li­che Zie­le, son­dern war auch dar­an inter­es­siert, die bis­lang her­ren­lo­se Insel­grup­pe unter nor­we­gi­sche Sou­ve­rä­ni­tät zu brin­gen, was 1920 auch gelang. Hoels Orga­ni­sa­ti­on Nor­ges Sval­bard- og Ishav­sun­dersøkel­ser wur­de spä­ter unbe­nannt und ist der Vor­läu­fer des heu­ti­gen nor­we­gi­schen Polar­in­sti­tuts. Inhalt­lich spiel­te neben der topo­gra­phi­schen Kar­tie­rung die Geo­lo­gie über lan­ge Zeit hin­weg eine gro­ße Rol­le, was sich in der bemer­kens­wer­ten berg­bau­li­chen Tätig­keit auf Spitz­ber­gen nie­der­schlug.

Es gab aber auch immer wie­der eine Rei­he wei­te­rer Expe­di­tio­nen außer­halb der tra­di­tio­nel­len Akti­vi­tä­ten der Skan­di­na­vi­er. Die­se alle auf­zu­füh­ren, wür­de den Rah­men hier spren­gen. Erwäh­nens­wert sind aber sicher die des Prin­zen (spä­ter Fürst) Albert von Mona­co. Die­ser finan­zier­te gleich eine gan­ze Rei­he von Sval­bard-Expe­di­tio­nen (1898, 1899, 1906, 1907, 1909) und nahm selbst teil. Die dabei geleis­te­te wis­sen­schaft­li­che Arbeit war erheb­lich, und polar­his­to­risch bedeut­sa­me Per­so­nen wie Wil­liam Spier­ce Bruce und Gun­nar Isach­sen waren teil­wei­se eben­falls dabei.

Eben­falls erwäh­nens­wert ist eine Expe­di­ti­on, die im August 1912 unter der Lei­tung des deut­schen Leut­nants Her­bert Schrö­der-Stranz an Bord des Motor­kut­ters Her­zog Ernst von Trom­sø aus nach Nor­den auf­brach. Ziel die­ser Expe­di­ti­on war es, den Nor­den des Nord­aus­t­land zu erkun­den als Vor­be­rei­tung für eine wei­te­re, grö­ße­re, Expe­di­ti­on im Bereich der Nord­ost­pas­sa­ge. Zusam­men mit drei wei­te­ren Män­nern, Boo­ten, Hun­den und Schlit­ten nebst wei­te­rer Aus­rüs­tung ver­ließ Schrö­der-Stranz bei der Score­s­by­øya das Schiff zur Erkun­dung der Umge­bung. Die­se Schlit­ten­par­tie ver­schwand auf Nim­mer­wie­der­se­hen, von ihr hat man nie­mals wie­der etwas gese­hen oder gehört, abge­se­hen von eini­gen ver­streu­ten Aus­rüs­tungs­ge­gen­stän­den, die Jah­re spä­ter zufäl­lig gefun­den wur­den. Die Her­zog Ernst zog sich zum Sorg­fjord (gleich Treu­ren­burg Bay oder Sor­ge Bai) zurück. Nach einem kur­zen Aus­flug in die Hin­lo­pen­stra­ße wur­de das Schiff im Sorg­fjord vom Eis ein­ge­schlos­sen. Unei­nig­keit über das wei­te­re Vor­ge­hen führ­te dazu, dass eini­ge Män­ner an Bord blie­ben, wäh­rend ande­re das Schiff ver­lie­ßen, um sich zu Fuß nach Lon­gye­ar­by­en durch­zu­schla­gen. Der ein­zi­ge, der es unter äußerst dra­ma­ti­schen Umstän­den tat­säch­lich schaff­te und mehr tot als leben­dig Ende Dezem­ber 1912 in Lon­gye­ar­by­en ankam, war Kapi­tän Alfred Rit­scher. Die andern waren teil­wei­se ver­schol­len oder war­te­ten in Trap­per­hüt­ten auf Hil­fe. Ver­schie­de­ne Hilfs­expe­di­tio­nen setz­ten sich in Bewe­gung, um zu hel­fen und nach den Ver­schol­le­nen zu suchen. Vom Kongsfjord aus brach der Lei­ter des Geo­phy­si­ka­li­schen Obser­va­to­ri­ums in Ebelt­oft­ham­na, Kurt Wege­ner, Bru­der von Alfred Wege­ner, mit drei wei­te­ren Män­nern und Hun­de­schlit­ten auf, konn­te aber nichts aus­rich­ten. Der oben schon erwähn­te Theo­dor Ler­ner setz­te sich eben­falls in Bewe­gung und char­ter­te ein klei­nes Schiff in Trom­sø, das im Eis nörd­lich des Nord­aus­t­lands sank. Am 12. April brach der Nor­we­ger Stax­rud mit von Hun­den und Ren­tie­ren gezo­ge­nen Schlit­ten von Lon­gye­ar­by­en über das Eis des Isfjords auf, mit dabei waren Per­so­nen mit lang­jäh­ri­ger Sval­bard-Erfah­rung wie die Brü­der Dani­el und Hil­mar Nøis und wei­te­re. Die­se Expe­di­ti­on brach­te die Her­zog Ernst zusam­men mit den ver­blie­ben­den Über­le­ben­den der Schrö­der-Stranz-Expe­di­ti­on sowie der eben­falls im Sorg­fjord ver­sam­mel­ten Ler­nerschen Hilfs­expe­di­ti­on zurück nach Lon­gye­ar­by­en. Die Schrö­der-Stranz-Expe­di­ti­on war ein Dra­ma, das mit mehr Erfah­rung und bes­se­rer Vor­be­rei­tung wohl zumin­dest teil­wei­se ver­meid­bar gewe­sen wäre, so aber kos­te­te sie acht Men­schen­le­ben, und eini­ge über­leb­ten nur mit schwe­ren Erfrie­run­gen.

Der Sorg­fjord im Nord­os­ten von Spitz­ber­gen

Nach dem zwei­ten Welt­krieg nah­men die Schwe­den im Rah­men des Inter­na­tio­na­len Polar­jahrs von 1957/58 die sys­te­ma­ti­sche For­schung auf Sval­bard wie­der auf und errich­te­ten in der Bucht Kinn­vi­ka auf der West­sei­te des Nord­aus­t­land eine Sta­ti­on mit etli­chen Gebäu­den, die auch heu­te noch in gutem Zustand sind. Ein gan­zes Jahr lang wur­de zusam­men mit ande­ren Sta­tio­nen Sta­tio­nen in Ark­tis und Ant­ark­tis eine Rei­he von pri­mär geo­phy­si­ka­li­schen Para­me­tern erho­ben. Einer­seits war die Kinn­vi­ka-Sta­ti­on im Win­ter uner­reich­bar und betrieb neben­bei Eis­bä­ren­jagd, war ande­rer­seits aber in ein moder­nes For­schungs­pro­gramm ein­ge­bun­den. Somit steht sie zwi­schen den älte­ren Expe­di­tio­nen und der moder­nen wis­sen­schaft­li­chen Polar­for­schung.

Die schwe­di­sche Sta­ti­on von 1957/58 in Kinn­vi­ka

Viel­leicht etwas unpas­send unter der Über­schrift »Beginn der wis­sen­schaft­li­chen Erfor­schung«, sol­len hier noch die Stau­f­er­land-Expe­di­tio­nen unter dem deut­schen Geo­gra­phen Prof. Juli­us Büdel aus Würz­burg Erwäh­nung fin­den. Die­se Unter­neh­mun­gen fan­den Ende der 50er und haupt­säch­lich in den 60ern in Ost­sval­bard statt, das Kern­ge­biet war der Süd­wes­ten der Barent­søya, wo eine Hüt­te gebaut wur­de, die heu­te noch dort steht (Würz­bur­ger Hüt­te). Sowohl wis­sen­schaft­lich mit For­schun­gen zu Detail­pro­zes­sen der Land­schafts­ent­wick­lung (Ero­si­ons­vor­gän­ge, Frost­mus­ter­bö­den, …) und ande­rem als auch metho­disch – immer­hin stand der Expe­di­ti­on teil­wei­se ein eige­ner Heli­ko­pter zur Ver­fü­gung – gehö­ren die Stau­f­er­land-Expe­di­tio­nen eigent­lich in die Moder­ne, ande­rer­seits muss­te jedoch zunächst topo­gra­phisch kar­tiert wer­den als Grund­la­ge für alles wei­te­re. Büdel ent­wi­ckel­te eine Theo­rie zur Land­schafts­ent­wick­lung in Per­ma­frost­ge­bie­ten, die »Eis­rin­den­theo­rie«, nach der Ero­si­on bei Per­ma­frost deut­lich aggres­si­ver und wirk­sa­mer sein soll. Es ist sicher­lich ein Ver­dienst Büdels und die­ser Expe­di­tio­nen, eine wis­sen­schaft­li­che Dis­kus­si­on ange­sto­ßen zu haben, die über jahr­zehn­te inten­siv inner­halb der phy­si­schen Geo­gra­phie in Deutsch­land geführt wur­de und Anlass zu meh­re­ren wei­te­ren Expe­di­tio­nen deut­scher For­scher z.B. nach Elles­me­re Island (kana­di­sche Ark­tis) und in den Lief­defjord gab.

Die Würz­bur­ger Hüt­te im Süd­wes­ten der Barent­søya

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Letzte Änderung: 06. März 2019 · Copyright: Rolf Stange
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