Das Finneset ist heute ein wenig beachteter Ort wenige Kilometer südlich von Barentsburg im Grønfjord, der aber früher zeitweise eine wichtige Rolle gespielt hat. Die Lage war strategisch günstig: Nicht so weit wie etwa der Adventfjord vom offenen Meer entfernt, aber dennoch hinreichend gut geschützt, um als Naturhafen brauchbar zu sein, mit gut zugänglichen Stränden auf beiden Seiten der kleinen, flachen Halbinsel, die Platz bot, um dort ein paar Gebäude zu errichten.
Finneset, Juni 2019, aus der Luft. Reste der Walfangstation liegen am rechten, oberen (südlichen) Strand (die Flensplattform – s.u. – ist gut erkennbar). Weiter links, näher am nördlichen (unteren) Ufer, befand sich die Radiostation.
Daher nannte der norwegische Walfänger Lars Iversen aus Tromsø die kleine Landzunge 1904 Finneset („Feine Halbinsel“).
Finneset, Oktober 2008.
Ganz links stand damals noch eine kleine Hütte, wahrscheinlich eine russische Freizeithütte.
Finneset: Die Walfangstation (1905-1912)
1905 ließ die Walfanggesellschaft A/S Spitsbergen aus Tønsberg am Finneset eine Walfangstation bauen. Es handelte sich um eine von zwei Walfangstationen aus jener Zeit in Svalbard, da die technische Entwicklung mit dampfgetriebenen Fangschiffen und Granatharpunen, die von Kanonen aus abgeschossen wurden, dem Walfang noch einmal einen Schub gab. Nun konnten auch große, schnelle Wale wie Finn- und Blauwale gejagt werden, die in der frühen Walfangzeit mit den damals einfachen Methoden – Ruderboote und handgeworfene Harpunen – nicht gefangen werden konnten. Das änderte sich im späten 19. Jahrhundert. Oft wurden die Wale auf Fabrikschiffen verarbeitet, aber Landstationen waren immer noch mitunter nützlich, und so wurden in der Kvalrossbukta auf der Bäreninsel (Bjørnøya) und eben am Finneset in Green Harbour (heute: Grønfjord) jeweils eine Walfangstation gebaut.
Bei diesem alten Eisenteil, das wie das Messer einer riesigen Küchenmaschine aussieht, kann man nur vermuten, dass es zur Winde gehörte, mit der die Wale auf die Flensplattform gezogen wurden.
Finneset: Die Walfangstation – die Flensplattform
Auf der Walfangstation ging es primär darum, den Wal zu zerlegen und in großen Öfen aus den Stücken das Öl auszulassen. Das Öl diente nach wie vor, wie schon im 17. Jahrhundert, als Brennstoff, aber nun auch als feines Mechaniköl, wofür es zur Zeit der Industrialisierung viel Bedarf gab. Darüber hinaus wurde es in der chemischen Industrie als Rohstoff für alles Mögliche verwendet, von Lebensmittelfetten (Margarine) bis hin zu Sprengstoff, auch zu militärischen Zwecken. Die Vorstellung, dass Wale getötet wurden, um aus ihrem Fett einen Grundstoff für die Herstellung von Bomben zu gewinnen, ist wirklich widerlich! Aber so war es mitunter tatsächlich, traurigerweise.
Zurück zu den Resten der Walfangstation am Finneset. Die Flensplattform war ein wesentlicher Teil der Infrastruktur. Hier wurde der Wal mit einer kräftigen Winde auf eine hölzerne Plattform gezogen und dort zerlegt („geflenst“). Diese Plattform ist auch nach über 100 Jahren noch gut zu erkennen.
Finneset: Die Walfangstation – Gebäude
Natürlich gehörte zur Walfangstation eine ganze Reihe von Gebäuden: Einfache Wohnhäuser für die Arbeiter, bessere Unterkünfte für die Funktionäre, Lager und Werkstätten. Auf diesem Bild von einer alten Postkarte sieht es fast so aus, als befände sich eine ganze, kleine Siedlung am Finneset!
Finneset auf einer alten Postkarte. Im Hintergrund Barentsburg. Als Aufnahmejahr vermutete der kenntnisreiche Leif Trønnes 1925-1932. Die Walfangstation war da schon seit Jahren nicht mehr in Betrieb.
Tatsächlich haben in der Walfangstation teilweise mehrere Dutzend Männer gearbeitet, und ab 1911 befand sich ein paar Meter weiter – auf dem Bild von der alten Postkarte im Hintergrund sichtbar – zusätzlich noch die Funkstation Spitsbergen Radio.
Hier haben wir Reste von Gebäuden, die zur Walfangstation gehörten. Mehr als Fundamentreste ist nicht mehr übrig. Die Walfangstation war nur für einige Jahre in Betrieb und wurde schon 1912 wieder aufgegeben. Wahrscheinlich wurden die Baumaterialien später teilweise in Barentsburg weiter verwendet, teilweise wurde auch während der Evakuierung 1941, im Zweiten Weltkrieg, noch vorhandene Infrastruktur zerstört, damit sie nicht von den Deutschen in Betrieb genommen werden konnte.
Finneset: Spitsbergen Radio – Treibstofflager
1911 baute Norwegen in direkter Nachbarschaft zur Walfangstation, auf der Nordseite der Halbinsel Finneset, die Funkstation Spitsbergen Radio. Diese ermöglichte erstmals direkte Kommunikation von Spitzbergen mit der Außenwelt, ohne eine langwierige Schifffahrt. Beim Bau spielten politische Erwägungen eine Rolle: Spitzbergen war noch Niemandsland, der Spitzbergenvertrag wurde erst 1920 unterzeichnet, zehn Jahre vorher wusste niemand, wer die Suveränität über Spitzbergen erhalten würde, wann und wie. 1906 hatte eine amerikanische Gesellschaft Longyear City (heute Longyearbyen) gegründet, die britische Northern Exploration Company hatte sich auf vielen Flächen wie etwa der Blomstrandhalvøya Bergbaurechte gesichert. Die Norweger waren unter Zugzwang, wenn sie als Staat Präsenz zeigen wollten, um bei der sich abzeichnenden Diskussion um die Hoheitsrechte mitreden zu können. Post und Fermeldewesen waren hoheitliche Angelegenheiten, hier konnte man also eine gute Gelegenheit nutzen, die zudem auch echten Praxiswert hatte: Der drahtlose Telegraph wurde schnell für alle, die in Spitzbergen aktiv waren, ein wichtiger Kanal für die Kommunikation mit der Außenwelt, und Spitsbergen Radio am Finneset war eine zentrale Anlaufstelle in Spitzbergen.
Auch die Radiostation verfügte über etliche Gebäude, von denen heute nur noch spärliche Überreste wie Fundamente zu sehen sind. Nur das solide aus Beton gebaute Treibstofflager ist noch weitgehend erhalten.
Finneset: Spitsbergen Radio – Antennen
Um den Funkkontakt zum Festland gewährleisten zu können, verfügte Spitsbergen Radio über zwei hoch aufragende Antennenmasten. Diese sind natürlich längst weg – einer soll Mitte der 1990er Jahre noch am Finneset auf dem Boden gelegen haben, rechtlich hätte er unter Denkmalschutz gestanden, aber er soll einer Aufräumaktion der Russen aus Barentsburg zum Opfer gefallen sein.
Finneset, Juni 2019. Die im Bild oben zu sehende russische Freizeithütte ist längst weg. Das Treibstofflager und die Bestigungen der nicht mehr vorhandenen Antennen sind gut sichtbar.
Hier stehen wir auf dem Fundament von einem der beiden Antennenmasten.
Um die beiden Antennen herum waren insgesamt sechs solide Abspannvorrichtungen aus Beton errichtet. Drei davon haben wir in jeweils gleicher Entfernung zu unserem Standpunkt des obigen Panoramas.
Hier stehen wir mitten in der alten, kleinen „Siedlung“. An dieser Stelle, in der Nähe des auffälligen Treibstofflagers, muss sich ein großes, solides Gebäude befunden haben. Wobei es sich dabei genau handelte, weiß ich aber nicht. Die Fundamente der Abspannungen für die Antennen sind von hier aus gut sichtbar.
Spitsbergen Radio war bis 1930 am Finneset in Betrieb. Dann wurde die Radiostation nach Kapp Linné an der Westküste verlagert. Dort waren im Süden, Richtung Festland, weniger Berge im Weg, die die Funkverbindung störten, und der Abstand zu den mittlerweile russischen Nachbarn in Barentsburg war etwas größer. Die norwegische Walfangstation war da schon lange nicht mehr in Gebrauch.
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