Ein unglaublicher Tag. Er begann zu recht früher Stunde in dichtem Nebel mit einer Herde Walrosse, die bester Laune und recht aktiv waren. Er ging weiter im Nebel und mit mehr und mehr Eis. Das Eis blieb, der Nebel ging, und so verbrachten wir einen wunderbaren Nachmittag damit, unter gleißender Sonne durch das Eis zu kreuzen, nach den zahlreichen Robben und Vögel Ausschau zu halten, wunderbare Arktis pur.
Dann die spannende Frage, ob der Heleysund sich als passierbar erweisen würde. Angesichts der weiten, immer dichter werdenden Eisfelder davor war die spontane Antwort eigentlich: nein, das würde wohl nicht klappen, die weitere Fahrt würde zurück durch die Hinlopenstraße nach Norden führen. Aber mal sehen. Die Strömung nahm zu, und irgendwann waren wir an dem Punkt, wo die Passage ein Fakt war, selbst wenn wir nicht gewollt hätten. Leider kann ich kein Video schicken (kommt ja dann später noch nach), und mit Worten lässt sich diese Passage kaum beschreiben. Eine Achterbahnfahrt in starker Strömung, zusammen mit einem großen Eisfeld, dessen Schollen hierhin, dahin und dorthin trieben. Skipper Pål manövrierte so und anders, um den Schollen einigermaßen auszuweichen, was natürlich nur so halbwegs klappen konnte, aber die Arctica II ist ja dazu gebaut, um ein paar kräftige Schläge einstecken zu können. Jedes Segelboot mit einem schwächeren Rumpf aus einem anderen Material als gutem Stahl wäre dabei zu Brennholz verarbeitet worden. Der Blick auf die umgebenden Eisschollen schien insgesamt eine Art achterbahnartigen Stillstand anzudeuten, aber die Perspektive zu den felsigen Ufern machte klar, wie rasant es durch den Sund ging; solche Geschwindigkeiten hätte die Maschine alleine nie erreicht.
Galerie Walrosse, Eis und Strömung – 30. Juli 2015
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Nun sind wir durch, um ein sehr spannendes Erlebnis reicher, freuen uns auf eine Ankerstelle im Schutz der Barentsøya und einen kleinen Abendspaziergang unter der Mitternachtssonne, und definitiv einige Stunden guten Schlaf.
Jawoll, gutes Wetter, das war genau das, was wir wollen und brauchen. Der Wind hatte sich weitgehend gelegt und sogar die Sonne zeigte sich zumindest zeitweise. Also los, Stullen und Thermoskannen klar und ab in die Tundra und auf die Berge. Schöne Aussichten in Nähe und Ferne, bizarr in der Sonne verwitternde Schneereste in Bachbetten, Schneehühner und Rentiere, Blümchen und Findlinge, Blicke über Gletscher, Moränen und Täler. Sechs Stunden so, wie sie sein sollen.
Foto Faksevagen – 29. Juli 2015 – 1/2
Die Hinlopenstraße präsentiert sich hingegen weniger gastlich, aber immerhin mit deutlich weniger Wind als gestern. Und das lebhafte Treiben hunderttausender Dickschnabellummen am Alkefjellet ist auch bei grauem Himmel unvergesslich.
Foto Faksevagen – 29. Juli 2015 – 2/2
Nun sind wir gespannt, was die nächsten Stunden und Tage bringen. Wir hoffen auf weniger Wind, Walrosse, einen kleinen Besuch am Inlandeis des Nordaustland und Treibeis. Genug, damit es Freude macht, aber nicht zuviel, so dass die Passage in den Storfjord und damit die Umrundung Spitzbergens gelingt.
Es ist, als hätte jemand vor ein paar Tagen einen Schalter umgelegt im Wettersystem hier im hohen Norden. Nach den windarmen Wochen bis gut Mitte Juli geht nun schon die zweite Starkwindperiode über Spitzbergen hinweg. Die erste hatten wir ja bestens im Kongsfjord abgewettert und so wenig davon mitbekommen. Nun soll ums Südkap gerade ein ausgewachsener Sturm toben, und auch in Longyearbyen hängen Segelboote wegen Wind fest.
Heute Nacht wollte der Anker im Murchisonfjord nicht so recht halten, zu stark riss und ruckelte die Arctica II an der Kette. Es ging so gerade bis heute früh, aber es war klar, das war kein Platz für den längeren Aufenthalt. Eine Bucht, die nicht nur vor Seegang, sondern auch besser vor Wind schützt, das wäre fein.
Foto Hinlopen – 28. Juli 2015
Zudem hat uns die Information erreicht, dass das Eis an der östlichen Spitze Spitzbergens sich in Bewegung gesetzt hat. Die Strecke zwischen der südlichen Hinlopenstraße und dem Heleysund, bislang völlig blockiert, scheint offen zu sein. Diese Passage ist nicht sehr lang, aber für eine eventuelle Umrundung bei derzeitigem Stand der Dinge entscheidend. Nun sind wir schon in der Mitte der Fahrt. Wenn wir Spitzbergen umrunden wollen, dann wird Zeit ab jetzt ein Faktor, den wir im Auge behalten müssen.
Foto Faksevagen – 28. Juli 2015
Alles in allem genug Gründe, den Murchisonfjord zu verlassen und Kurs nach Süden zu setzen. Auch wenn das ein paar Stunden Seegang in der Hinlopenstraße bringt.
Es tat später gut, im Lomfjord wieder festen Tundraboden unter die Gummistiefelsohlen zu bekommen.
Der innere Murchisonfjord lockte mit seinen weiten, kargen, dann aber doch so detailreichen Landschaften und der Nähe zum Inlandeis. Also machten wir uns auf, Thermoskannen und Stullen im Rucksack, entlang von kleinen Tälern ins Inland, eine Mondlandschaft, aber doch so farbenfroh, also eher eine Marslandschaft? Präkambrische Farben zaubern kräftiges Rot in die Berge, gepriesen seien die Stromatolithen, denen wir den Rost verdanken.
Foto Triodalen 27. Juli 2015 – 1/2
Selbst die Flüsse scheinen sich streckenweise vor dem harten Klima verstecken zu wollen und haben sich daher Tunnel aus Schnee gebaut. Blicke auf das Inlandeis, Vestfonna, die letzten Kilometer dorthin verhindert eine sich lösende Schuhsohle. Aber um die Größe eines Berges (oder einer Eiskappe) würdigen zu können, geht man ohnehin besser nicht zu nah heran.
Foto Triodalen 27. Juli 2015 – 2/2
Und sieben Stunden unterwegs an der frischen Luft reichen auch aus für einen guten Tag. Frische Luft gibt es derzeit reichlich, sie scheint es eilig zu haben. Nach Rückkehr aufs Boot verstecken wir uns vor dem Wind in einer kleineren Bucht. Die Seile schlagen gegen den Mast und der Anker arbeitet, um die Arctica II in Position zu halten. Es wäre schon ganz gut, wenn der Wind etwas abnähme.
Im inneren Bereich der Mosselbukta weiß die Landschaft nicht so recht, ob sie Land oder Meer sein will. Verschiedene Nehrungen trennen kleinere und größere Lagunen ab, Halbinselchen reichen in die Bucht, diverse Bäche fließen über die Tundra. Inmitten dieser abwechslungsreichen Landschaft lässt es sich aber schön wandern. Reste einer alten Hütte zeigen, wo einst russische Jäger hausten; zwei Gräber zeigen, dass nicht alle wieder in die Heimat zurückgekehrt sind.
Foto Mosselbukta – 26. Juli 2015 – 1/3
Reste hölzerner Schiffswracks am Ufer. Vielleicht auch vom Katastrophenwinter 1872-73, als der berühmte Schwede Nordenskiöld hier in einem komfortablen Haus überwinterte, sein Expeditionsschiff aber vom Eis eingeschlossen wurde, so dass es ebenfalls den Winter in der Mosselbukta zubringen musste? Nordenskiölds Schiff kam gut über den Winter, aber andere Schiffe wurden in der Nähe vom Eis zerdrückt. Die Winterstürme können brutal sein, davon zeugen auch die gewaltigen Mengen Treibholz, die hier an den Stränden liegen, leider zusammen mit viel Plastikmüll, angeschwemmt von weither. Die Mosselbukta kommt auf die Liste für eine Müll-Sammelaktion.
Abseits des Mülls haben die Strände aber so viel Schönes und Spannendes zu bieten. Geschützt zwischen ein paar dicken Treibholzstämmen blüht die salztolerante Mertensie.
Foto Mosselbukta – 26. Juli 2015 – 2/3
Es folgten: Fischsuppe mit frischem Seesaibling aus lokalem Fang, die Querung des 80. Breitengrades, die Umrundung von Verlegenhuken und die Querung der nördlichen Hinlopenstraße Richtung Nordaustland, nicht ganz frei von Seegang.
Foto Mosselbukta – 26. Juli 2015 – 3/3
Der Murchisonfjord brachte Schutz vor Wind und Wellen und eine kleine abendliche Tour in die nordostländliche Polarwüste bei schönstem Abendlicht.
Bei der weiteren Fahrt durch den Nordwesten begegneten wir erneut einer Eisbärin, die über ein paar kleine Inselchen im Fuglefjord spazierte. Die Gegend hier ist derzeit gutes Eisbärenland, hier ist was los.
Foto Fugleholmane – 25. Juli 2015
Auf der Suche nach Resten alter Walfangstationen, die nicht ständig besucht werden wie Smeerenburg, habe ich mir unterwegs zwei kleine Inselchen aus der Nähe angesehen, die aber walfangtechnisch nicht so ergiebig waren wie erhofft. Also blieb es bei Plan A, und der hieß Indre Norskøya. Kennt auch kaum jemand, und das ist gut so, das hier ist ja schließlich „Spitzbergen für Fortgeschrittene“, da muss man sich schon zumindest zu guten Teilen etwas abseits der bekannten Stellen halten.
Foto Indre Norskoya – 25. Juli 2015
Was nicht heißt, dass man nicht auch gut bekannte Stellen besuchen kann. Natürlich haben wir Christiane Ritter Fans dabei, und ein kleiner Abstecher nach Gråhuken ist bei der ruhige See genau die richtige Gelegenheit für einen Nachmittagsspaziergang, um die Strecke nach Osten aufzulockern. Vor allem, wenn man den Spaziergang bis an die Nordspitze des Andrée Landes ausdehnt, nach Gråhukpynten, wo das flache Land in weitgeschwungenen Buchten mit malerischen Lagunen und Uferfelsen ausläuft. Nächster Nachbar im Norden ist das kleine, flache Inselchen Moffen und danach der Nordpol. Und als wir am Ufer ankamen, hatte Skipper Pål schon frische Ishavsrøye (ein lachsartiger Fisch) gefangen J
Nun wurde es aber langsam doch Zeit, nach Norden zu kommen. Der Wind ist zwar nicht ganz weg, aber doch deutlich entschärft, im Vergleich zu neulich, als wir uns doch lieber noch in den Krossfjord verzogen hatten. Dennoch gab es Seegang, so dass die einen draußen und die anderen drinnen ausharrten, sich am Anblick der Küste erfreuten und an der Aussicht, dass die Passage nur ein paar Stunden dauern würde. Wir passierten das uns entgegenkommende, etwas kleinere Schwesterschiff, die Arctica I, und vollzogen auf offener See ein bemerkenswertes Manöver zur Übergabe von Waren. Mittels Wurfleine, Schnur und wasserdichten Beuteln kamen Lesestoff für den Skipper und schwarzer Tee zu uns, während Erdnussbutter in Gegenrichtung ging.
Foto – Nach Norden – 24. Juli 2015 – 1/3
Die Passage südlich der Danskøya brachte uns die Sichtung der ersten Eisbären, gleich zwei, eine Kleinfamilie, Mutter mit erstjährigem Kind, das also etwa sieben Monate als sein muss.
Foto – Nach Norden – 24. Juli 2015 – 2/3
Nun liegt der Anker in Virgohamna auf Grund, Ruhe ums Schiff und an Bord. Die arktischen Aeronauten Andrée und Wellman in Theorie und Praxis bildeten die historische Abrundung des Tages.
Foto – Nach Norden – 24. Juli 2015 – 3/3
Ein Höhepunkt war definitiv der Eisfuchs, der von Denkmalschutz offensichtlich wenig hielt und quer über Wellmans alte Anlagen spazierte.
Aller guten Dinge sind drei, und daher sind wir noch einen dritten Tag im Kongsfjord geblieben. Gut, es war ein wenig anders. Im Krossfjord war es auch heute früh noch so windig, so dass wir uns wieder in den Kongsfjord verzogen haben, wo es nach Stand der Dinge ruhiger war. Dafür haben wir uns schön in Ny London auf der Blomstrandhalvøya den alten englischen Marmorbruch angesehen, mit Hütten, Dampfbohrmaschine, Steinbruch und Verladekran. Interessant zu sehen, wie die Natur sich ihr Terrain langsam zurückerobert. Durch die Löcher in alten Eisenteilen schauen Blumen wie der Nickende Steinbrech.
Foto zu Kongsfjord III – 23. Juli 2015 – 1/3
Später haben wir auch die schöne Blomstrand-Gipfeltour noch gemacht. Feine Aussichten über das berühmte Kongsfjord-Panorama, und eine sehr aktive Gletscherhöhle im Blomstrandbreen. Ständiges Abbrechen und Gedonner als Untermalung während der Gipfelpause.
Foto zu Kongsfjord III – 23. Juli 2015 – 2/3
Völlige Stille jetzt auf dem Boot, draußen ist es ruhig, Eisberge dümpeln in der Nähe. Morgen sollte auch der Wind auf See nachlassen, so dass wir dann an die Weiterfahrt nach Norden denken können.
Das Ossian Sarsfjellet hat noch noch mehr zu bieten als Vogelfelsen und Blumen. Im Osten grenzt es direkt an die weiten Gletscherfelder an, und da es dorthin gar nicht weit war, zogen wir los, über Tundra und Steinfelder, Rentiere hier und dort, bis wir die Aussichtsterrasse oberhalb von Rødvika erreicht hatten.
Foto Ossian Sarsfjellet – 22. Juli 2015 – 1/2
Eine gletscherpolierte Marmorplatte, uralte Falten und Brüche mit Gletscherschrammen dekoriert, allein das wäre in Mitteleuropa schon ein geologisches Denkmal. Vom Blick auf die von Abbruchkanten gesäumte Bucht und die großen Gletscher dahinter ganz zu schweigen.
Foto Ossian Sarsfjellet – 22. Juli 2015 – 2/2
Nach einer kleinen, sonnigen Kreuzfahrt entlang von Eisbergen und Gletschern im inneren Kongsfjord beschlossen wir aufgrund des völlig windstillen Wetters, Richtung Außenküste zu schauen. Über kurz oder lang wollen wir ja weiter nach Norden. Da vor der Küste aber eine kräftige Brise die Schaumkronen tanzen ließ, verziehen wir uns nun zunächst in den schönen Krossfjord.
Was für ein Tag. Lang, voll und schön. Und da es Zeit wird, den Tag zu beenden, wird dieser Blogbeitrag wohl auch nicht allzu lang.
Der Ort des Geschehens ist in diesem Fall ja auch nicht unbekannt. Der Kongsfjord ist ein Klassiker, Ny Ålesund ganz vorneweg. Weniger klassisch ist, den Ort nach Osten zu verlassen. Man kann schön in den Kongsfjord hineinwandern.
Foto Kongsfjord – 21. Juli 2015
Die Gletscher im Kongsfjord müssen sehr aktiv gewesen sein in den letzten Tagen, die ja ziemlich warm gewesen sind. Im Wasser treibt sehr viel Eis. Mindestens so spannend war nach der Wanderung allerdings der riesige Haufen frischer Waffeln.
Foto Ossian Sarsfjellet – 21. Juli 2015 – 1/2
Die Blümchen sind nun auf dem Höhepunkt ihres Sommers. Hoch und kräftig stehen sie, mit Blüten, die in allen Farben weithin leuchten. Und wo in Spitzbergen wachsen sie schöner als im inneren Kongsfjord?
Foto Ossian Sarsfjellet – 21. Juli 2015 – 2/2
Auch die Seevögel sind auf dem Scheitel ihrer Brutsaison. Dickschnabellummen und Dreizehenmöwen hüten und füttern ihre Küken. Ein reges Treiben in den Brutfelsen.
Nun liegen wir vor Anker und lassen den Tag gemütlich ausklingen, während die Abendsonne ihr mittlerweile wieder warm werdendes Licht über Fjord und Land wirft.
Kleine Schiffe und Boote fahren normalerweise durch den besser geschützten Forlandsund und nicht entlang der exponierten Westseite von Prins Karls Forland, wo die See oft unangenehm hoch geht. Wer kann, fährt innen, und wer außen fährt, tut es, weil er muss. Das sind die größeren Schiffe, die zuviel Tiefgang haben für die Untiefe im nördlichen Forlandsund.
Wir sind ganz freiwillig und ziemlich spontan auf die Westseite des Prins Karls Forland gefahren. Das Wetter war gestern Abend so gut, die See so ruhig, dass wir die Chance wahrnehmen wollten, der Außenküste einen näheren Besuch abzustatten. Als der Anker gestern Nacht gefallen war, war es zunächst Zeit, etwas zu schlafen, bevor wir am Aitkenodden an Land gingen. Praktisch unberührte Natur, dort geht kaum ein Mensch je hin. Die meisten haben sowieso keine Zeit, sondern fahren direkt Richtung Kongsfjord. Und wer Zeit hat, schaut sich üblicherweise im Forlandsund um. Gute Gründe, es mal anders zu machen, wenn die Gelegenheit da ist. Und heute war sie da. Spitzbergen für Fortgeschrittene, abseits der ausgetretenen Pfade.
Am Aitkenodden steht eine ziemlich alte Trapperhütte, bei einem kleinen See namens Nesungen. Die Hütte stammt aus dem Jahr 1909 und ist ruinös, aber malerisch gelegen an einer flachen, weitläufigen Küste mit schönen Küstenfelsen und kleinen Buchten.
Foto Vestflya – 20. Juli 2015
Nach ausgiebigem Umschauen in dieser schönen Umgebung ging es über die flache Küstenebene ins Land hinein. Trockene Moos- und Flechtentundra überall, flache Felsrücken aus schiefrigem Gestein. Eine Rentiermutter mit Kalb umrundete uns in vorsichtigem Abstand. Nach einer Pause stiegen wir hinauf zum Persiskammen, ein langer Rücken, der sich bis 334 Meter Höhe erhebt. Bei einem Steinmann genossen wir die herrliche Aussicht auf den flachen, aber an Strukturen und Details sehr reichen mittleren Teil von Prins Karls Forland und den Blick über den Forlandsund auf Spitzbergen. Die Sonne brutzelte kräftig vom blauen Himmel herunter, aber eine leichte Brise kühlte angenehm, beste Bedingungen für eine ausgiebige Genusspause vor dem Abstieg zur Küstenebene auf der Ostseite der Insel. Inzwischen hatte Pål mit der Arctica II die Südspitze der Insel umrundet und war in der Sandbukta vor Anker gegangen, wo sich alle nach einer schönen, langen Tour wieder trafen. Eine sehr schöne Wanderung, mit der seltenen Gelegenheit, den südlichen Bergrücken vom Prins Karls Forland zu ersteigen und die Insel dabei auch noch zu queren!
Foto Persiskammen – 20. Juli 2015
Nach einem abkühlenden Sprung in den Forlandsund ging es weiter nach Norden. Bei der Passage von Poolepynten zeigte sich, dass dort etwa 10 Walrosse faul in der Sonne lagen. Nun dampfen wir Richtung Kongsfjord und genießen dabei die sonnige Aussicht auf die Berge und Gletscher beiderseits des Forlandundes.
Bislang ist die Saison ja grandios gut gelaufen, und es geht nun direkt auf hohem Niveau weiter. Vorhin sind wir mit der Arctica II aus dem Adventfjord ausgelaufen. 12 Leute einschließlich Skipper Pål aus Longyearbyen und mir auf einem robusten 60 Fuß Segelboot, um abgelegene Ecken Spitzbergens kennenzulernen. Alle sind sehr gespannt, was die nächsten 18 Tage bringen. Mit leichter östlicher Brise fahren wir durch den Isfjord Richtung Westküste, um uns dort ein schönes, erstes Ankerplätzchen für die Nacht zu suchen.
Keine Spitzbergen-Fahrt ist vollständig ohne einen Eindruck von einer der russischen Siedlungen, und so waren wir heute Vormittag in Pyramiden. Wieder einmal Glück gehabt mit dem Wetter – gestern Abend ging es gegen starken Wind den Billefjord hinauf, nachts gab es Schneeregen, und als wir heute früh losgingen – schien die Sonne. Unglaublich! Irgendwer in dieser Gruppe muss einen sehr guten Draht nach GANZ oben haben.
So konnten wir aufs Angenehmste abwechslungsreiche Eindrücke in der alten Geistersiedlung sammeln. Und als es gegen Mittag wieder grau, trübe und feucht wurde, schmeckten Tee und russisches Gebäck in der Bar im Hotel Tulipan umso besser.
Der Wind im Billefjord war nicht mehr ganz so heftig wie gestern, aber noch mehr als ausreichend, um uns unter Segeln bis fast in den Hafen von Longyearbyen zu tragen. Ein schöner, ruhiger Abschluss für eine an schönen Erlebnissen äußerst reichen, langen, intensiven Spitzbergen-Reise, die ein eindrücklicher Beleg ist dafür, dass es nicht schadet, wenn man die Insel nicht umrunden kann, sondern irgendwo die „Weiterreise in Gegenrichtung“ beginnt. Was die meisten als Umkehr bezeichnen würden. Halbvolles oder halb leeres Glas Wasser? Die Eindrücke und Erlebnisse zählen, und die gab es reichlich, gute Stimmung dazu, man könnte einfach weiterfahren …
Aber zum Zeitpunkt des Schreibens ist die Antigua schon wieder mit der nächsten Gruppe unterwegs, gestern Abend fuhr sie – wieder unter Segeln – aus dem Adventfjord hinaus. Und wir steigen heute mit einer kleinen Gruppe auf die kleine, kräftige Arctica II: Spitzbergen für Fortgeschrittene 2015. Da wird’s auch genug Stoff für den Blog geben.
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An alle Teilnehmer der Antigua-Reise und natürlich die Mannschaft von Kapitän Joachim noch einmal ein ganz herzlicher Dank für eine wunderbar schöne Tour in sehr angenehmer Stimmung!
Der Isfjord ist Spitzbergens größter Fjord, eigentlich sollte man mal eine Fahrt nur dort machen. Eine Woche wäre überhaupt kein Problem. Es gibt dort fast alles, was man sich von Spitzbergen erhoffen könnte, verschiedene Landschafts- und Vegetationstypen, flache Tundra, schöne Berge, Gletscher, Tiere, diverse Teile der Polargeschichte sind dort vertreten …
Unser Ziel war der Ekmanfjord. Eine weite Tundrafläche bot beliebig viel Platz für Touren, und so teilten wir uns auf in die Freunde der Botanik („Krabbelgruppe“), mittlere und längere Tour. Die Tundra? Ein Meer an Blumen: Roter Steinbrech, Silberwurz, Stengelloses Leimkraut auf weiten Flächen in Blüte, um nur die augenfälligsten Arten zu nennen. Die Berge? Tiefrote, geschwungene Hänge aus Old Red im Norden, festungsartige Erosionstürme an den markanten Massiven Kolosseum und Kapitol in der Umgebung. Herrlich ließ die Sonne die Farben leuchten, und der Wind spielte angenehm um die Nase und vertrieb die Mücken, die sich in dieser als „Innere Fjordzone“ bezeichneten Tundra sonst an warmen Sommertagen schon mal herumtreiben können.
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Ein Besuch am späten Nachmittag in der Skansbukta brachte weitere botanische Höhepunkte, insbesondere die prächtige Nördliche Himmelsleiter, ein Gruppenfoto und ein paar Leute waren soweit vom Polarkoller befallen, dass sie sich sogar ins kalte Fjordwasser gestürzt haben sollen. Anschließend zog die Serviceabteilung an Bord, also Smutje Sascha, Jana, Nadia and Clara, alle Register, um der morgen zu Ende gehenden Fahrt einen würdigen Abschluss zu verleihen.
Man kann so viel entdecken, wenn man sich nur mal richtig Zeit nimmt und sich auf eine Gegend einlässt. Mit einer Kleingruppe machten wir eine Zodiac-Rundtour Recherchefjord par excellence. Die polnischen Wissenschaftler in Calypsobyen mit ihrem Chef Piotr Zagórski erwiesen sich als sehr gastfreundliche Menschen und erklärten uns bei Kaffee und Tee ihre Arbeit, geomorphologische Feldforschung mit Erfassung langfristigen Datenreihen. Die Gletscher in der Umgebung werden jedes Jahr etwa 10 Meter kürzer, was für auf Land endende Gletscher eine ganze Menge ist, sammeln im Nährgebiet allerdings Masse an, vielleicht gibt das mal einen Surge? Der sommerliche Auftauboden ist schon 1,40 Meter tief, normal sind in den vergangenen Jahren 1,20 Meter gewesen. Der Sommer ist im Bellsund bislang sehr warm gewesen. Auf jeden Fall hat die Sonne Blüten auf eine große Zahl Polster des Stengellosen Leimkrauts gezaubert und die Tundra dadurch zart violett gefärbt.
Foto Recherchebreen – 14. Juli 2015
Nach einem gemütlichen Picknick auf einem Moränenhügel vor dem Renardbreen (Fuchsgletscher), wo bunte Tillite von der weitgehenden Vergletscherung der Erde vor über 600 Millionen Jahre Zeugnis geben, lockte die Lagune vor dem Recherchebreen – die Gelegenheit war günstig, es gab gerade Hochwasser, so dass der Eingang gut zu befahren ist. Die kräftige Strömung ließ die Eisberge mit beachtlicher Geschwindigkeit durch den natürlichen Kanal driften, und dann genossen wir den Blick auf treibende Eisstücke und die Abbruchkante des Gletschers in Ruhe. Die zweite Gruppe, die zu Fuß unterwegs war, hatte an gleicher Stelle etwas später sogar das Glück, Weißwale zu sehen.
Foto Calypsobyen – 14. Juli 2015
Eine sehr windschiefe Hütte zeugt am Ostufer des Recherchefjord noch von den Versuchen der Northern Exploration Company von Ernest Mansfield, den „Berg aus Eisen“ in klingende Münze zu verwandeln. Allerdings stellte sich heraus, dass der Berg doch aus Fels besteht und nicht aus Eisen. Schlecht für Mansfield und seine Northern Exploration Company, die dort 1918-19 viel Geld verlor. Gut für die Tundra, die hinter der Hütte in den schönsten Farben blüht und nicht vom Bergbau umgegraben wurde.