Die Giævervilla am Snatcherpynten im Recherchefjord
Früher Spitzbergen-Tourismus?
Die Giævervilla ist eine alte, recht verfallende Hütte am Snatcherpynten im Recherchefjord. Die Geschichte hinter dieser Hütte ist aber recht speziell. Ihren Namen gibt es übrigens in verschiedenen Varianten, darunter Gjævervilla (mit „j“), Giæverhuset (auch hier scheint es beide Varianten zu geben, mit „i“ und mit „j“), oder Villa Giæver (dito). Der Name soll übrigens ursprünglich vom Ort Jever in Norddeutschland abgeleitet sein. Zum Wohl!
Die Giævervilla liegt am Snatcherpynten im Recherchefjord, Bellsund.
Die Giævervilla gehört zu den ältesten, noch mehr oder weniger stehenden Gebäuden Spitzbergens. Gebaut wurde sie 1904 im Auftrag von Konsul Johannes Giæver in Tromsø. Giævers Name taucht in allerlei Zusammenhängen mit Eismeerexpeditionen jener Zeit auf, er scheint diesbezüglich ein interessierter und umtriebiger Mann gewesen zu sein.
Was für Pläne er tatsächlich mit dem nach ihm benannten Häuschen hatte, weiß man nicht mehr genau. Man kann aber durchaus vermuten, dass er seinen Interessen entsprechend nicht nur die Vorstellung reizvoll fand, in schöner Umgebung in Spitzbergen ein Haus zu besitzen, sondern dass er durchaus auch den Gedanken verfolgte, darauf Gewinn Form von klingender Münze zu ziehen.
Damals war der Spitzbergen-Tourismus in seiner frühen Form mit Kreuzfahrten und Jagdtourismus bereits recht gut etabliert, und es war für wohlhabendes, oft jagdinteressiertes Publikum zeitweise ein gängiges Prozedere, mit einem Schiff etwa von der Vesteraalen Dambskipselskab (der Vorläufer der Hurtigruten) nach Spitzbergen zu fahren und dort ein paar Tage in einer recht komfortablen Unterkunft zu verbringen. Zu diesem Zweck hatte die Vesteraalen Dambskipselskab am Hotellneset im Adventfjord, ganz in der Nähe des Flughafens von Longyearbyen, schon 1896 ein Hotel errichten lassen, das aber bereits 1898 wieder geschlossen wurde.
Davon hatte Giæver natürlich gewusst, und möglicherweise hatte er vor, mit dem gleichen Geschäftsmodell einen neuen Anlauf zu machen. Immerhin war und ist der Recherchefjord landschaftlich sehr reizvoll, und das Gelände bietet dem interessierten Publikum reichlich Möglichkeiten für Jagd v.a. auf Rentiere und sonstige Touren. Darüber hinaus war der Recherchefjord schon seit den Walfängerzeiten als guter Ankerplatz bekannt und daher einer von wenigen Naturhäfen, die die Kreuzfahrtschiffe jener Zeit routinemäßig besuchten. Die Giævervilla bot den Touristen einen Anlaufpunkt und soll bis 1907 als „Postamt Bellsund“ gedient haben (1908 zog die Poststation um zur Walfangstation am Finneset im Grønfjord).
Die Giævervilla ist eines von sehr wenigen zweigestöckigen Gebäuden aus jener Zeit. Nach 1907 verfiel sie und ist mittlerweile in einem sehr windschiefen Zustand. Vor 2014 wurde sie mit ein paar Balken abgestürzt, sonst wäre sie wohl mittlerweile komplett kollabiert. Wegen der Neigung war es ein interessantes Erlebnis, in der Giævervilla diese Panoramen aufzunehmen, da die visuelle Wahrnehmung der Senkrechten nur scheinbar durch die Wände gegeben war, tatsächlich aber kräftig mit der Wahrnehmung durch den Gleichgewichtssinn kollidierte. Etwa wie auf einem Segelschiff in Schräglage.
Apropos Segelschiff: Ich danke Kapitän Joachim von der Antigua herzlich, der mir zu spätabendlicher Stunde diese Fotosession ermöglichte, als wir mit der Antigua im Recherchefjord vor Anker lagen. Herrliche Zeiten!
Giævervilla und Snatcherpynten – Fotogalerie
Und schließlich noch ein paar Eindrücke von der Giævervilla und ihrer Umgebung. Die alten Kipploren am Ufer gehen auf die britische Northern Exploration Company zurück, die im frühen 20. Jahrhundert vielerorts in Spitzbergen, darunter einige Stellen im Bellsund, auf bergbauliches Potenzial testete. Was genau sie am Snatcherpynten vorhatten, erschließt sich nicht; die lokale Geologie lässt keine wirtschaftlich interessanten Vorkommen vermuten.
Ein Stückchen hangaufwärts der Giævervilla liegen ein paar alte Gräber, deren genauere Geschichte unbekannt ist. Das hölzerne Grabkreuz ist nach 2016 umgefallen. Und ufernah befindet sich das unscheinbare Fundament eines deutlich älteren Bauwerks, wahrscheinlich ein Gebäude und ein Speckofen aus der Walfangzeit im 17. Jahrhundert.
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