Es ist der Traum jedes Spitzbergen Besuchers, einmal einen Eisbären zu Gesicht zu bekommen. Doch Eisbären sind riesige und nicht ungefährliche Raubtiere, und die wenigen Angriffe von Eisbären auf Menschen sorgen immer wieder für Schlagzeilen. Dabei ist der König der Arktis selber bedroht. War es früher die Jagd, sind es heute schwindendes Seeeis und die Belastung mit Schwermetallen, die in Zukunft die Bestände reduzieren könnten.
Beschreibung: Eisbären sind die größte Bärenart weltweit. Männchen werden 300-700 kg schwer (Länge Schwanz-Nase 1,8-2,6 m), Weibchen 150-350 kg (1,8-2 m), das Gewicht variiert kräftig je nach Jahreszeit und Verfügbarkeit von Nahrung. Die Farbe variiert von dreckig-gelb über cremig-gelb bis beinahe weiß, ist aber niemals schneeweiß. Wenn ein Eisbär sich über längere Zeit an Land aufhält, wird das Fell dunkelgelb; leidet der Bär unter Nahrungsmangel und vernachlässigt die Fellpflege, erscheint er irgendwann recht dunkel und dreckig. Die Unterscheidung der Geschlechter aus der Distanz ist schwierig und bedarf guter Beobachtungsmöglichkeiten sowie einiger Erfahrung. Männchen werden größer, aber die Unterscheidung zwischen einem nicht voll ausgewachsenen Männchen und einem ausgewachsenen Weibchen ist nicht einfach. Männchen haben einen sehr kräftigen Nacken und einen breiten Schädel, Weibchen eher einen (relativ!) schlanken Nacken und einen (ebenfalls relativ) länglichen Schädel.
Eisbärenmännchen mit kräftigem Nacken, wuchtigem Schädel und Narbe auf der Nase.
Eisbärenweibchenn mit deutlich schlankerem Nacken und eher langem Schädel.
Verbreitung/Zugverhalten: Zirkumpolar in der Arktis verbreitet, mit mehreren regionalen Populationen, unter denen jedoch Austausch besteht. Die Eisbären der Region Svalbard-Franz Josef Land-Region bilden eine Population, die sich jedoch mit Eisbären der weiter östlich gelegenen russischen Arktis austauscht. Eine Zählung von 2004 mit Helikoptern (213 Flugstunden) hat eine Schätzung des Bestandes in der nördlichen Barentsee auf etwa 3000 Tiere ergeben (Weltweit etwa 25 000), mit steigender Tendenz. Eine weitere Zählung 2017 ergab keine signifikante Veränderung der Bestandzahlen trotz sich verändernder Umweltbedingungen wie dem dramatischen Rückgang des Seeeises.
Innerhalb von Svalbard besteht grundsätzlich immer und überall außerhalb der Ortschaften die Möglichkeit bzw. das Risiko einer Eisbärenbegegnung (siehe Sicherheit im Gelände). Die Wahrscheinlichkeit, auf Eisbären zu treffen, steigt aber deutlich an, je weiter man in Svalbard nach Norden bzw. Osten kommt, also in die Regionen, die länger vom Eis eingeschlossen sind. Seit 1971 sind in Spitzbergen 5 Menschen von Eisbären getötet worden, bislang (November 2014) letztmalig im Tempelfjord im August 2011. Die Anzahl der in Notwehr erschossenen Eisbären liegt deutlich darüber, meist sind es 2-3 Fälle pro Jahr. Diese Zahl ist sogar gesunken, obwohl sich heute mehr Personen in abgelegenen Gebieten aufhalten als in den 1980ern. Man führt das auf gestiegene Vorsicht und Erfahrung zurück.
Einem aggressiven, entschlossenen Eisbären will man nicht mit Pfefferspray oder einer kleinkalibrigen Pistole entgegentreten. Am besten ist man, wie hier, sicher auf einem Boot.
Bei den 5 Fällen, wo Menschen getötet wurden, waren die betreffenden Personen bzw. Gruppen in 3 Fällen gar nicht bewaffnet oder mit Abschreckungsmitteln ausgestattet (Bjørnøya 1971, Magdalenefjord 1977, Platåberg 1995). In einem Fall (Kiepertøya 1995) war die Bewaffnung völlig unzureichend, im jüngsten Fall (Tempelfjord 2011) wurden wahrscheinlich fatale Fehler bei der Sicherung des Camps und der Handhabung der Waffe gemacht, was bislang aber nicht offziell bestätigt wurde. Mittlerweile ist es gesetzlich vorgeschrieben, etwas zur Abschreckung mitzuführen, meist ist das eine großkalibrige Signalpistole mit spezieller Munition („Blitzknall“). Pfefferspray wird in Spitzbergen nicht empfohlen, wobei es im Einzelfall wahrscheinlich das Leben eines Eisbären retten kann. Im April 2013 wurde beispielsweise ein Eisbär aus kurzer Distanz erschossen, als er in eine Hütte eindringen wollte. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass er nach Pfefferspray-Einsatz schnell und endgültig verschwunden wäre. In freiem Gelände wird man Pfefferspray allerdings kaum ohne großes Risiko für sich selbst gegen einen angreifenden Eisbären verwenden können, dazu ist die Reichweite viel zu gering.
Selbst in den Siedlungen sind Begegnungen mit Eisbären nicht hundertprozentig ausgeschlossen. Vor allem in der dunklen Zeit und frühmorgens, wenn wenig Verkehr unterwegs ist, sollte man das im Kopf haben. Im Oktober 2014 schlich frühmorgens in Longyearbyen ein Eisbär um die Häuser. Auch 2017 und 2018 haben sich mehrere Eisbären Longyearbyen genähert oder wurden in der Nähe von Häusern gesehen, darunter auch eine Eisbärmutter mit zwei Jungen. Eisbärforscher Magnus Andersen rechnet sogar damit, dass solche Besuche sich in Zukunft aufgrund mangelnden Seeeises häufen könnten.
Ein neugieriger Eisbär besucht eine Hütte bei Longyearbyen.
Es gibt in Spitzbergen kleine, recht ortsfeste Sub-Populationen im Storfjord (zwischen Spitzbergen und Barentsøya/Edgeøya), im Raudfjord und im Liefdefjord. Auch im Billefjord scheinen sich seit mehreren Jahren ein paar Eisbären aufzuhalten. Ansonsten wandern Eisbären aber normalerweise in größeren Regionen.
Wo sich die Eisbären aufhalten und welche Wege sie nehmen, will man, wie bei dieser Eisbärin, mithilfe von Satellitensender-Halsbändern herausfinden.
Eisbären sind Meerestiere, wie schon der lateinische Name Ursus maritimus sagt. Sie sind hervorragende Schwimmer und können normalerweise ohne weiteres einige Zehnerkilometer im Wasser zurücklegen, mehr als 100 Kilometer Schwimmdistanz wurden schon beobachtet. Ob diese Tiere letztlich aber wieder Eis oder Land erreichen können, ist eine andere Frage. Neuere Untersuchungen haben ergeben, dass Ertrinken beim Langstreckenschwimmen in Jahren mit wenig Treibeis in Alaska die Mortalität heraufsetzt. Ähnliches ist sicherlich auch in Svalbard der Fall, und diese Todesursache wird in Zukunft möglicherweise deutlich zunehmen, je weiter das Treibeis sich saisonal von den Inseln entfernt.
Eisbären sind auch an Land ausdauernde Wanderer und gute Kletterer. Je nach Jagdgeschick muss ein Eisbär nicht auf Treibeis angewiesen sein, um Nahrung zu finden.
Ihr eigentliches Habitat ist das Treibeis, wo die meisten Eisbären den größten Teil ihres Lebens verbringen. Ein Männchen muss nach seiner Geburt theoretisch nie wieder Land betreten. Jedoch bleiben einige Tiere mehr oder weniger freiwillig den Sommer über an Land und warten dort auf die Rückkehr des Eises. Einige davon haben sich recht gut angepasst und verbringen die eisfreie Zeit oft auf kleinen Inseln, wo sie Vogelnester plündern, oder bei Gletscherfronten, wo sie auf kleinen Eisstücken liegende Robben jagen können. Weibchen scheinen tendentiell eher regional gebunden zu sein, während Männchen ein ausgeprägtes Wanderungsverhalten haben und weite Strecken durch die gesamte Arktis zurücklegen können.
Eisbär im Treibeis: Hier ist er in seinem Element.
Eisbären sind Einzelgänger und tolerieren die Anwesenheit anderer Eisbären nur, wenn ein Überangebot an Nahrung vorherrscht, z.B. ein gestrandeter Walkadaver. Weibchen meiden die Nähe von Männchen außerhalb der Paarungszeit, da starke Männchen gelegentlich den bereits vorhandenen Nachwuchs töten, um die Weibchen paarungsbereit zu machen. Selbst die Weibchen sind vor ihren hungrigen, männlichen Artgenossen nicht sicher.
Eisbären bei einem Walkadaver, Edgeøya. Man beachte die unterschiedlichen Ernährungszustände.
Biologisches: Die Paarung erfolgt im April oder Anfang Mai. Während dieser Zeit bleiben Männchen und Weibchen für einige Tage zusammen und trennen sich anschließend wieder. Starke Männchen (ab 10 Jahre Alter) können sich mit mehreren Weibchen paaren, auch Weibchen verschmähen mitunter nicht die wiederholte Paarung mit verschiedenen Partnern. Das befruchtete Ei entwickelt sich erst ab September, und Ende Dezember werden zwei rattengroße Eisbärchen in einer Schneehöhle geboren. Wichtige Gebiete für Geburtshöhlen liegen im Osten Svalbards, auf der Edgeøya und Barentsøya, Kong Karls Land oder Nordaustland. Die größte Dichte von Geburtshöhlen liegt auf Kongsøya im Kong Karls Land mit bis zu 12 Wochenstuben pro km2! Ende März oder Anfang April verlässt die Familie die Höhle, das Weibchen hat nun etwa vier Monate lang keine Nahrung aufgenommen, dafür aber die Jungen gesäugt. Entsprechend ist der Erfolgsdruck bei der Jagd nun groß, und selten überleben beide Jungtiere das erste Jahr. Nach 2 ½ Jahren sind die überlebenden Jungbären selbstständig. Auch im ersten Jahr der Selbstständigkeit ist die Mortalität hoch, bis die Bären eigene Jagderfahrungen gemacht haben.
Eine junge, glückliche Eisbärenfamilie im Tempelfjord, Spitzbergen.
Sind die Bären einmal halbwegs ausgewachsen (ab ca. 5 Jahren Alter), ist ihre Chance, ein Alter von 15-25 Jahren zu erreichen, recht hoch.
Das Lieblingsfutter von Eisbären ist, ganz dem Klischee entsprechend, eine Bart- oder Ringelrobbe, frisch auf Eis gefangen. Aber tatsächlich sind Eisbären Opportunisten und fressen wirklich alles: Sie plündern Vogelnester, fangen gelegentlich sogar Weißwale, Walrosse oder Rentiere, verschmähen auch Aas nicht. Ab und an steht sogar ein wenig Vegetation auf dem Speiseplan, vielleicht der Vitamine wegen.
Dieser Eisbär frisst Vegetation unter einem Vogelfelsen. Barentsøya.
Sonstiges: Eisbären wurden in Svalbard bis 1973 intensiv gejagt, bis zur regionalen Beinahe-Ausrottung. Früh im 20. Jahrhundert wurden alleine in Svalbard jährlich bis zu über 1000 Bären geschossen, nach dem zweiten Weltkrieg bis 1973 immer noch im Durchschnitt 300. Seitdem sind sie global geschützt, mit Ausnahme von begrenzter Jagd für die Bewohner bestimmter Regionen von Grönland, Kanada, Alaska und Russland. In der russischen Arktis fallen jedes Jahr noch etwa 200 bis 300 Eisbären Wilderern zum Opfer. Globale Bedrohungen für Eisbären liegen in der Klimaerwärmung mit ihren Auswirkungen auf das für die Bären überlebenswichtige Treibeis sowie in schleichender Vergiftung durch Umweltgifte (Schwermetalle, PCBs etc), die aus Industrieländern durch Meeresströmungen und Winde in die Arktis gebracht werden und sich dort in der Nahrungskette anreichern. Die oberen Glieder der Nahrungskette (Eisbär, Eismöwe etc.) weisen teilweise beängstigende Konzentrationen von Umweltgiften in Fett und Leber auf. Folgen sind unter anderem die Beeinträchtigung des Immunsystems, eine Abnahme der Fruchtbarkeit und möglicherweise eine erhöhte Sterblichkeitsrate bei Jungtieren.
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