Mo
20. Jun
2016
Die Ankunft im Camp war grandios, alle haben Geschichten zu erzählen, die um einen isländischen Lammeintopf herum ausgetauscht werden. Anneli und Martin haben mit Gletscherguide Magnus den Beerenberg-Gipfel erreicht. Gute Sache, Glückwunsch!
Und darüber hinaus haben alle den Norden ausgiebig erkundet, mit allem, was er so zu bieten hat. Nachdem ich nun als letzter Mohikaner zurück ins Küchenzelt gestolpert bin, wollen natürlich auch alle wissen, was der Süden so alles zu bieten hat.
Nach den vielen Kilometern der letzten Tagen meldet das Fahrwerk meinerseits Bedarf für einen ruhigeren Tag an. Ich leiste mir den Luxus, zunächst ein paar Stunden reine Erholung zu betreiben, bevor ich einen kleinen Tagesrucksack packe und einen kleinen Strandspaziergang mache. Der Haugenstranda stand ebenfalls schon länger auf meiner Wunschliste. Drei Kilometer lang, erstreckt er sich nordöstlich vom Kvalrossen, zunächst ewig weit, dann schmaler werdend.
Er ist mit riesigen Mengen von Treibholz bedeckt, und das ist immer spannend. So laufe ich langsam den Haugenstranda entlang und schaue mir das ganze alte Treibholz an. Viele Stücke sind stark verwittert, andere erscheinen frischer. Wie auch in Spitzbergen, sind die meisten Stämme abgesägt, Wurzeln haben die wenigsten. Auch in Jan Mayen hat das Treibholz größtenteils diese lange Drift on Sibirien über den arktischen Ozean hinweg gemacht, bis es hier ankam. Nur bei wenigen Stücken zeigen die größeren Löcher von Bohrwürmern ihre Herkunft aus wärmeren Gewässern an.
Leider gibt es auch hier die unvermeidlichen Mengen Plastikmülls, größtenteils aus der Fischerei. Aber auch allerhand abstruses gibt es, von Schuhen über Hygieneartikel bis hin zu nicht identifizierbaren Objekten. Ja, schade, dass Touristen hier nicht mehr Anlandungen machen dürfen. Die machen die Strände nämlich schon mal gerne sauber, wie jeder weiß, der diesem Blog schon ein Weilchen folgt. So bleibt der Plastikmüll eben an den arktischen Stränden liegen. Ganz toll gemacht, Oslo.
Am Ende des Strandes liegt schließlich auf einer kleinen Anhöhe ein einsames Grab. Sivert Eide 1909 steht auf einer Metallplatte auf dem hölzernen Kreuz. Sivert gehörte der zweiten Gruppe norwegischer Trapper an, die sich zur Fallenstellerei auf Füchse über einen Winter nach Jan Mayen begab. Im Februar 1909 starb er an Skorbut. Seine Gruppe nutzte neben der österreichischen Station in der Maria Muschbukta noch eine eigens gebaute Hütte, die ein paar Meter nördlich des Grabkreuzes gestanden hat. Die Stürme haben sie komplett rasiert, nur noch verrostete Teile des Ofens und ein paar unscheinbare Reste der hölzernen Wände lassen das aufmerksame Auge wissen, wo sie einmal gestanden hat.
Galerie 1 – Haugenstranda – 20. Juni 2016
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Der Rückweg führt über den niedrigen Hügelrücken Lågheia, der die Küsten beiderseits von Mid Jan voneinander trennt. Bereits wenige Höhenmeter verändern die Perspektive und erlauben schöne Blicke auf den mächtigen Haugenstranda, während Steinbrech und Stengelloses Leimkraut das Auge am Boden erfreuen. Aufgeregte Eismöwen schreien und vertreiben den Wanderer mit heftigen Sturzangriffen. Mehr noch als die Vögel bringt ein leichter Regen dazu, den Weg Richtung Camp einzuschlagen; der Neumayerkrater, ansonsten ein schönes Ziel auf dieser Strecke, hat sich schweigend in tiefgraue Wolken gehüllt.
Verschiedene Bodenstrukturen sprechen eine klare Sprache ob der Heftigkeit der Stürme, die hier toben können. Heute streicht hier aber nur eine Brise über die vulkanischen Hügel.
Galerie 2 – Haugenstranda – 20. Juni 2016
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Der auf der Anhöhe recht stetige Wind fällt allerdings in heftigen Böen in die Kvalrossbukta hinab, um sich in Ruhepausen wieder auf den nächsten Angriff vorzubereiten. Nachts müssen wir alle noch einmal aus den Schlafsäcken und Steine und Treibholzstücke heranschleppen, um das Küchenzelt stärker zu sichern, das sich auf Wanderschaft begeben wollte.