Auch wenn das Treibeis den Osten und Norden Spitzbergens nun doch mehr und mehr umschließt, bleiben die Fjorde weitgehend eisfrei. Selbst sonst einigermaßen zuverlässig zufrierende Fjorde wie Tempelfjord, Billefjord, Dicksonfjord, Ekmanfjord (alle Nebenarme des Isfjord) sowie Wijdefjord und Van Mijenfjord sind dieses Jahr viel offener als sonst, zum Leidwesen derer, die sich derzeit mit Ski und Motorschlitten in Spitzbergen bewegen – und, viel wichtiger, der Tierwelt, die auf das Fjordeis angewiesen ist: Ringelrobben bringen dort ihren Nachwuchs zur Welt, Eisbären finden dort Nahrung.
Bescheidenen Trost bot der Umstand, dass wenigstens die innersten Bereiche dieser Fjordarme mittlerweile doch zugefroren sind. Der einzige Fjord, der wenigstens näherungsweise normale Bedingungen aufwies, war der Dicksonfjord.
Am 8.-10. April hat das Forschungsschiff Lance im Auftrag von UNIS eine mehrere Kilometer lange Rinne in das Eis im Dicksonfjord gebrochen. Die Fahrt fand im Rahmen eines Feldkurses Meereis statt und als Ort war ursprünglich der Hornsund vorgesehen, wo sich jedoch keine geeigneten Eisbedingungen einstellten. Daher suchte UNIS beim Sysselmann um Erlaubnis, im Dicksonfjord eine Rinne von „mehrere Schiffslängen“ Länge zu brechen.
Das Ergebnis ist eine Rinne von mehreren Kilometern Länge. An der innersten Position betrug die Eisdicke spärliche 35 Zentimeter und weiter außen noch weniger, so dass nicht damit gerechnet werden kann, dass der Fjord wieder zufriert. Eher muss man vermuten, dass der Riss die Stabilität der gesamten Eisdecke beeinträchtigt, so dass auch das verbliebene Eis früher aufbricht.
Das Aufbrechen des Eises durch die Lance mit dem UNIS-Kurs wird von verschiedener Seite kritisiert. Nicht zuletzt beschwerte sich der im Dicksonfjord ansässige norwegische Trapper Harald Soleim, dass man ihn nicht einmal informiert hatte. Soleim fährt mit dem Motorschlitten über das Fjordeis und bezeichnete das unerwartete Hindernis als „direkt lebensgefährlich“. UNIS bedauerte, Soleim nicht informiert zu haben. Ob das Aufbrechen des für Tier und Mensch wichtigen Eises in Zeiten, wo dieses Mangelware ist, zu Zwecken eines Feldkurses angemessen ist, kann man bezweifeln. Würden an wissenschaftliche Exkursionen ähnlich strenge Anforderungen gestellt wie an touristische Aktivitäten, wäre die Genehmigung zum Brechen der Rinne wohl kaum erteilt worden.
Fjordeis im Tempelfjord: viel geringer in Ausdehnung und Dicke als normal. Zu welchen Zwecken solches Eis aufgebrochen werden darf, scheidet die Geister.
Die Ähnlichkeit der Überschrift zum vorletzten Beitrag ist kein Zufall: Schon wieder ist ein Skitourenläufer auf Spitzbergen in eine Gletscherspalte gefallen. Auch dieses Mal ist letztlich alles glücklich verlaufen.
Es handelte sich um eine Touristengruppe aus 6 Personen einschließlich Guide, die auf dem Rückweg von einer Tour zum Newtontoppen waren, Spitzbergens höchstem Berg. Im Bereich des Conwayjøkulen, einem Gletscher nordöstlich des Billefjord, geriet die Gruppe in Spaltengelände. Zur betreffenden Zeit (Donnerstag, 16.4.) herrschte in der fraglichen Gegend starker Wind mit Schneetreiben und entsprechend deutlich eingeschränkte Sicht. Die sechs Skiläufer waren jeweils zu dritt in zwei Seilschaften gesichert, als der vorweg laufende Guide in eine Spalte stürzte. Die zwei ihm folgenden Skiläufer konnten den Sturz jedoch nach sechs Metern abfangen. Das zweite Team bewegte sich gesichert zur Spalte vor und konnte zunächst den Notpeilsender hochziehen, den der in die Spalte gefallene Guide bei sich getragen hatte.
Wegen des bodennahen Schneetreibens konnte der Rettungshubschrauber jedoch trotz mehrfacher Versuche nicht bei der Gruppe landen, so dass die Rettungskräfte in Longyearbyen ihrerseits eine Skigruppe vorbereiteten. Unterdessen gelang es der Gruppe vor Ort, den gestürzten Guide aus der Spalte zu holen, der sich beim Sturz eine leichte Schulterverletzung zugezogen hatte, sonst jedoch wohlauf war.
Schließlich konnte der Rettungshubschrauber in einem Moment leichter Wetterbesserung bei der Gruppe landen und alle 6 Personen sowie ihren Hund aufnehmen und nach Longyearbyen bringen.
Die genaue Position der Spalte ist nicht öffentlich bekannt. Ingesamt gelten die weiten Gletschergebiete im Bereich Lomonossovfonna als spaltenarm. Möglicherweise geriet die Gruppe bei der schlechten Sicht in Spaltengelände. Ob dies zumindest bei guter Sicht erkennbar gewesen wäre, ist nicht bekannt.
Gletscherlandschaft im Bereich Lomonossovfonna. In dieser Region liegt auch der Conwayjøkulen, wo ein Mann am Donnerstag 6 Meter tief in eine Gletscherspalte stürzte.