In Longyearbyen und sonstwo in Spitzbergen herrschen derzeit recht ruhige Wochen. Natürlich ist immer irgend etwas los. Die Abwicklung des Bergbaus in Sveagruva beschäftigt weiter die Gemüter, immerhin steht das Schicksal einer ganzen, kleinen Siedlung zur Debatte. Möglicherweise werden einige Gebäude als Kulturdenkmäler geschützt und andere entfernt. Über eine eventuelle weitere Nutzung – Forschung? Tourismus? – besteht noch keine Klarheit. Klar ist nur, dass das ganze Projekt viele Millionen verschlingen wird. Wie auch die Erschließung der neuen Kohlegrube am Lunckefjellet, die zwischen Erschließung und Rückbau nichts als eine Betriebspause erlebte.
Sveagruva: eine Bergbausiedlung in Abwicklung.
In Longyearbyen muss sich nun eine Frau verantworten, die im März einem Mann im Huset (Kneipe/Disko/Nachtclub) zu später Stunde einen Stein ins Gesicht warf. Der Mann erlitt eine Schnittwunde.
Der Hubschrauber musste aufsteigen, um zwei Studentinnen vom Sarkofagen zu holen, einem Berg bei Longyearbyen. Die beiden hatten sich auf einem steilen Hang in eine gefährliche Lage manövriert und kamen nicht mehr weiter und nicht mehr zurück.
Der Berg Sarkofagen bei Longyearbyen.
Was alles so passiert in einem kleinen, arktischen Dorf, das sich nun vom sommerlichen Touristenstrom erholen kann und der nahenden Polarnacht entgegensieht. Die meisten machen es sich in ihren gemütlichen Wohnungen bequem, gehen dem Alltag nach und genießen die mit der Dunkelheit einkehrende Ruhe.
Für einige wird es allerdings nun ziemlich umgemütlich. Der Wohnungsmarkt in Longyearbyen hat bekanntermaßen mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Dazu tragen einerseits die Lawinen bei, die in jüngerer Vergangenheit ganze Straßenzüge unbewohnbar gemacht haben. Auch Airbnb trägt einen Teil zur angespannten Situation bei. Die Idee dieser Internetplattform war ursprünglich, dass man seine eigene Wohnung etwa während des Urlaubs unkompliziert kurzzeitig vermieten konnte. Mehr und mehr kam es allerdings dazu, dass Investoren ganze Adressen dauerhaft über Airbnb vermieten, weil die Erträge dabei höher sind als bei regulären Mieten. So werden allerdings die normalen Bewohner aus diesen Häusern verdrängt, ein Effekt, der in Longyearbyen zu beobachten war und ist, wie auch in vielen anderen Städten der Welt. Nur kann man in Longyearbyen nicht ins nahe Umland umziehen. Immerhin haben sich wichtige Hauseigentümer mittlerweile von einer Vermietung über Airbnb distanziert. Kürzlich gab Investor Fredrik Eken bekannt, seine 84 Wohnungen in Longyearbyen nicht über Airbnb vermieten zu wollen. Als Hintergrund gab er wirtschaftliche Erwägungen an und keine ethischen oder wohnungspolitischen Beweggründe.
Ein großer Teil der Wohnungen in Longyearbyen gehört darüber hinaus größeren Arbeitgebern wie Sysselmannen, Gemeindeverwaltung, UNIS und größeren Firmen, die dort ihre Angestellten unterbringen.
Auch die Gemeindeverwaltung trägt ihren Teil dazu bei, die Lage schwieriger zu machen, als möglicherweise nötig wäre. Es gibt in Longyearbyen, vor allem im ufernahen Bereich „Sjøområdet“, eine ganze Reihe einfacher Gebäude, in denen teilweise Wohnungen eingerichtet sind. Diese sind allerdings nur als sogenannte Freizeitwohnungen zugelassen, eine dauerhafte Bewohnung ist nicht erlaubt. Jahrelang war dies allerdings üblich. Seit einer Weile wird allerdings ein härteres Durchgreifen diskutiert und auch vollzogen. Vor ein paar Tagen zogen Feuerwehr und Stadtverwaltung gemeinsam zu einer unangekündigten Kontrolle in einige der fraglichen Gebäude, wie die Svalbardposten berichtet. In der Folge wurden 6 Personen aus ihren Unterkünften geworden; sie bekamen 24 Stunden Zeit zum Auszug. Als Gründe werden Brandschutz sowie die fehlende Zulassung der Gebäude als Wohnung im Arealplan (Nutzungsplan) von Longyearbyen.
Das fragliche Gebiet „Sjøområdet“ in Longyearbyen. Hier gibt es etliche Freizeitwohnungen, deren langfristige Benutzung derzeit nicht zugelassen ist.
Naturgemäß zieht dieses Vorgehen Kritik auf sich und bei den Betroffenen führt es zu Verzweiflung. Diese sind sich im Klaren darüber, dass sie ihre Wohnungen eigentlich nicht dauerhaft bewohnen dürfen. Allerdings gibt der private Wohnungsmarkt derzeit einfach keine Wohnmöglichkeiten her, schon gar keine bezahlbaren für kleinere Geldbeutel. So bleibt einigen vorerst nur ein Sofa bei Bekannten oder eine vorübergehende Unterkunft bei Freunden, die sich derzeit woanders aufhalten. Möglichkeiten, in Longyearbyen irgendwo längerfristig bezahlbar unterzukommen? Weitgehend Fehlanzeige.
Ob es vor diesem Hintergrund Aufgabe der Gemeinde sein muss, Bewohner aus Wohnungen zu werfen, die zumindest als Freizeitwohnungen zugelassen werden, darf man zumindest bezweifeln. Die Verwaltung hat grundsätzlich weitere Kontrollen angekündigt, die bei Bedarf auch weitere Rauswürfe nach sich ziehen werden. Dabei lässt sich Brandschutz nachrüsten. Immerhin will man nun einen Prozess starten, in dem man unter anderem nach Möglichkeiten zur Legalisierung der bestehenden Praxis suchen wird.
Das hört sich natürlich äußerst vielversprechend an. Denen, die jetzt in Longyearbyen auf der winterlichen Straße stehen, bringt es allerdings erst mal nichts.