Das ist ein bemerkenswerter Vorstoß in Rahmen einer Politik, die man durchaus mitunter nationalistisch bezeichnen kann: Das für Spitzbergen zuständige norwegische Justizministerium plant laut Svalbardposten, in Longyearbyen ansässigen nicht-Norwegern das Stimmrecht für die Kommunalwahlen in Longyearbyen zu entziehen, wenn sie nicht früher mindestens drei Jahre auf dem norwegischen Festland gewohnt haben. Selbst wählbar wären die davon Betroffenen dann natürlich auch nicht.
Der Hintergrund: Lokaldemokratie in Longyearbyen
Kurz zum Hintergrund: Dem Spitzbergenvertrag entsprechend, ist Spitzbergen, im Gegensatz zu einem norwegischen Fylke (Provinz) auf dem Festland, nicht demokratisch angelegt. Es gibt keine Wahlen, der Sysselmannen wird nicht gewählt, sondern von der Regierung ernannt. Auch auf kommunaler Ebene waren die Siedlungen Spitzbergens nicht nach demokratisch-lokalpolitischen Prinzipien, sondern als „Company Towns“ organisiert, also als Betriebsgelände einer Bergbaugesellschaft, der der Ort gehörte und die dort frei schaltete und waltete, so wie eine Firma das auf ihrem Betriebsgelände eben tut. Mehrfach wurde im 20. Jahrhundert über eine mögliche Einführung demokratischer Elemente in Spitzbergen gesprochen, aber das wurde erst in den 1990er Jahren konkret und seit 2002 gibt es mit Longyearbyen Lokalstyre (LL) in Longyearbyen eine von den Einwohnern Longyearbyens gewählten Gemeinderat mit Bürgermeister (Lokalstyreleder). Die lokaldemokratischen Elemente in Spitzbergens politischer Struktur sind also sehr jung und existieren nur in Longyearbyen.
Bislang haben alle gemeldeten Bewohner Longyearbyens unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit nach einer gewissen Zeit Stimmrecht sowie das Recht, sich selbst zur Wahl zu stellen. Genau das steht der Vorstellung der Osloer Regierung zufolge nun zur Disposition.
Longyearbyen: ein bunt zusammengesetzter Ort,
bald möglicherweise aber deutlich weniger demokratisch.
In Spitzbergen sind rund 3000 Menschen gemeldet, von denen gut 900 eine andere Staatsangehörigkeit haben als die norwegische. Longyearbyen ist mit rund 2500 Einwohnern entsprechend vielfältig zusammengesetzt.
Ausländern sollen Wahlrecht und Wählbarkeit weitgehend entzogen werden
Nun tauchte ein zur öffentlichen Hörung vorgelegter Entwurf des norwegischen Justizministeriums auf, demzufolge Wahlrecht und Wählbarkeit in Longyearbyen voraussetzen würden, dass man zuvor drei Jahre auf dem norwegischen Festland gemeldet war. Diese Bedingung erfüllen die wenigsten „Ausländer“, die in Longyearbyen leben.
Hintergrund ist die norwegische Svalbardpolitik, die Longyearbyen als norwegische Siedlung entwickeln will. Das ist nicht gleichbedeutend mit einer möglichst norwegischen Bevölkerung, wie auch Statssekretär Lars Jacob Hiim vom Justizministerium im aktuellen Zusammenhang sagt. Hiim zufolge zielt der aktuelle Vorschlag nicht auf eine Änderung der Bevölkerungszusammensetzung ab, sondern soll u.a. sicherstellen, dass Wähler und Gewählte in Longyearbyen „Ziele und Rahmenbedingungen der (norwegischen) Svalbardpolitik“ kennen.
Lokale Ablehnung
Bürgermeister Arild Olsen zeigte sich völlig überrascht von diesem Vorstoß, über den er und der Gemeinderat erst mit der Veröffentlichung informiert wurden. Olsen äußerte sich der Svalbardposten gegenüber entschieden ablehnend gegenüber dem Vorschlag.
Kommentar
Der Vorschlag stößt in Longyearbyen auf scharfe Ablehnung und bei Betroffenen teilweise auf Entsetzen: Der Entzug des Wahlrechts und der Wählbarkeit auf kommunaler Ebene für Menschen, die teilweise viele Jahre im betreffenden Ort gelebt haben, wirkt politisch sehr unappetitlich und im Kontext einer westlichen Demokratie des 21. Jahrhundert völlig fehl am Platz, zumal in einem Land wie Norwegen, das gesellschaftlich, demokratisch und politisch generell als fortschrittlich und oft als wegweisend gilt. Einen Vorschlag dieser Art hätte man eher etwa von einem osteuropäischen Land erwartet, das sich auf einer demokratisch abschüssigen Bahn befindet.