Aus verschiedenen Gründen musste das Schreiben neuer Beiträge in den letzten Tagen zurückstehen, aber hier geht ja (fast) nichts verloren … was hat sich also jüngst im hohen Norden getan?
Eine ganze Menge:
Sonnenfest
Die Sonne ist zurück! Der Tradition entsprechend, wurde das Sonnenfest mit dem Höhepunkt am 8. März gefeiert. An diesem Tag erscheint die Sonne erstmalig in Longyearbyen wieder über dem bergigen Horizont, jedenfalls im älteren Teil des Ortes; ufernah am Adventfjord kann man sie schon ein paar Tage früher wieder sehen, und an passenden Stellen in der Umgebung sowieso, etwa auf den Bergen oder in Hiorthhamn. Hauptsache, freiere Sicht nach Süden.
Das alles bringt allerdings nicht allzu viel, wenn die Sonne sich hinter einer Wolkendecke versteckt. So war es dieses Mal. Nichtsdestotrotz hatten Einheimische und Touristen viel Freude an den kulturellen Veranstaltungen, mit denen die Rückkehr des Lichts gefeiert wird.
Sonnenfest bei klarem Himmel (Archivbild; dieses Mal war der Himmel bedeckt).
Bereitschaftsdienste auf Trab: Unglücke
Die Wintersaison ist in vollem Gang, und die Bereitschaftsdienste haben zu tun. Am Samstag musste ein Skiwanderer im Sturm vom Rabotbreen geholt werden. Das Wetter hatte einen ersten Rettungsversuch verhindert, aber ein brauchbares Wetterfenster erlaubte am Samstag früh den rettenden Flug. Mittlerweile hat der Mann, ein polnischer Staatsbürger, mit verschiedenen Medien geredet. Er war zur Vorbereitung auf eine künftige Antarktis-Expedition auf dem Weg zum Newtontoppen und hatte zwei Tage bei Sturm in Orkanstärke im Zelt gesessen. Mit früheren Skiwanderungen in der kanadischen und sibirischen Arktis ist er ein erfahrener Mann.
Das ist nur eines von mehreren Beispielen; in der Wintersaison kommt es regelmäßig vor, dass Menschen nach Unfällen mit dem Motorschlitten von Rettungskräften aus dem Gelände geholt werden müssen, was üblicherweise per Hubschrauber geschieht. Das passiert nicht nur Touristen, sondern auch Einheimischen. Die lokale Abteilung des Roten Kreuzes, die an Such- und Rettungsaktionen oft beteiligt ist, hat neulich daran erinnert, dass auch die Retter mit den Launen der Natur umgehen müssen und nicht bei jeder Wetter- oder Gefahrenlage zeitnah helfen können.
Motorschlittengruppe auf Tour im Adventdalen.
Zu den kurioseren Ereignissen dieser Art gehörte der Brand eines Motorschlittens am Dienstag in Hiorthhamn. Personen kamen nicht zu Schaden. Die Ursache ist im fraglichen Fall nicht bekannt, aber es kann beispielsweise dazu kommen, wenn man versehentlich mit angezogener Handbremse fährt. Alles schon vorgekommen.
Während diese Zeilen am Mittwoch geschrieben wurden, ereignete sich während einer Motorschlittentour ein tragisches Unglück, bei dem ein Mann starb. Mehr dazu hier in einem speziellen Beitrag (aus Pietätsgründen habe ich zunächst den verlinkten Beitrag veröffentlicht und diesen Beitrag, in dem diese Information eine unter vielen ist, zunächst zurückgehalten). Mittlerweile ist zu diesem tragischen Unglück mehr Information öffentlich verfügbar. Der allein reisende, zwischen 60 und 70 Jahre alte Mann war am Ende der Gruppe mit seinem Motorschlitten von der Route abgekommen und in einen 10-12 Meter tiefen, steilen Einschnitt im Gelände gestürzt. Trotz der eingeleiteten Erste-Hilfe-Maßnahmen konnte der mit dem Rettungshubschrauber herbeigekommene Arzt dem Mann nicht mehr helfen.
Kleine Schiffe unter Druck, große Schiffe im Anmarsch
Für größere Schiffe könnte eine Rekordsaison bevorstehen. Ein Spektrum an Schiffen von kleineren Kreuzfahrtschiffen mit einer Kapazität von mehreren hundert Passagieren bis hin zu Ozeanriesen mit mehreren tausend Betten könnte diesen Sommer bis zu 75000 Passagiere nach Longyearbyen bringen. Das wird etwa über Hafengebühren in Longyearbyen eine Menge Geld in die Kassen spülen, aber viele sehen diesen Besucherzahlen mit gemischten Gefühlen entgegen. Unter der Bevölkerung in Longyearbyen stehen viele vor allem den großen Schiffen skeptisch gegenüber, aber auch das Krankenhaus hat schon Besorgnis geäußert, ob die Kapazitäten im Fall vieler Fälle ausreichend sind.
Touristen bereisen Spitzbergen auf einem großen Spektrum verschiedener Schiffe,
von kleinen Segelbooten bis zu großen Kreuzfahrtschiffen.
Gleichzeitig machen sich insbesondere Anbieter von Reisen auf kleinen Schiffen weiterhin aufgrund drohender Beschränkungen Sorgen um die Zukunft dieser Art des Reisens in Spitzbergen. Hier gibt es weiterhin keine Neuigkeiten; man hört, dass hinter den Kulissen immerhin geredet wird, aber was das bedeutet und was dabei herauskommt, bleibt weiterhin abzuwarten. Am Mittwoch sind Vertreter der lokalen Wirtschaft aus Longyearbyen nach Oslo gereist, um dort ihre Sicht auf die verschiedenen politischen Entwicklungen und ihre Sorgen zu Gehör zu bringen. Mittlerweile scheint es immerhin, als könnten sie Gehör nicht nur gesucht, sondern auch gefunden haben: Mehrere Parlamentsabgeordnete haben nach dem Treffen geäußert, dass die Gesetzvorhaben schlecht begründet und möglicherweise zumindest teilweise kontraproduktiv seien. Sie forderten, das Verfahren auszusetzen, bis 2024 die neue „Svalbardmeldung“ erscheint. Die Svalbardmelding ist normalerweise alle fünf Jahre veröffentlichte Regierungserklärung, die den Rahmen für die künftige Svalbardpolitik setzt. Die letzte Svalbardmelding erschien 2016. In diesen Erklärungen ist immer davon die Rede, dass Umweltbelange generell politisch die höchste Priorität haben, aber in der Erklärung von 2016 war ganz sicher nicht die Rede davon, große Teile Svalbards zu sperren.
Mehr zu dem, was diesbezüglich wohl droht, ist hier nachzulesen. Dem aktuellen Wissensstand zufolge gehen wir davon aus, dass relevante Änderungen ab 2024 in Kraft treten, aber wie bereits erwähnt, bleibt weiterhin abzuwarten, was tatsächlich kommt.
Gleichzeitig feiert die norwegische Öl- und Gasbranche laut NRK infolge der hohen Öl- und Gaspreise im Schatten des russischen Krieges in der Ukraine Milliardengewinne in Rekordhöhe und die Funde weiterer Vorkommen in der Nordsee. Der politische Druck auf den Tourismus in der Arktis bei gleichzeitiger Sicherung der langfristigen Förderung von Öl und Gas wirft ein merkwürdiges Licht auf die Balance verschiedener Umweltschutzbelange in der norwegischen Politik.
Umweltgifte am Hotellneset
Seit Jahren ist bekannt, dass das alte Feuerlöschübungsgelände am Hotellneset, in der Nähe des Flughafens, mit Löschchemikalien belastet ist, darunter PFAS, also organische Verbindungen, die teilweise im Verdacht stehen, krebserzeugend zu sein. Jørn Dybdahl, früher Betreiber des im fraglichen Bereich angesiedelten Pferdehofes, führt seine Krebserkrankung auf die Belastung zurück. Infolge dieser Erkrankung musste Dybdahl seinen Betrieb aufgeben. Der Umgang der zuständigen Behörden mit diesen Umweltgiften steht damit schon lange in der Kritik.
Das Hotellneset in der Umgebung des Flughafens von Longyearbyen hat eine lange Geschichte industrieller Nutzung und damit einhergehender Belastungen.
Nun hat der Naturschutzbund (Naturvernforbundet) in Troms (Nordnorwegen) weitere Kritik nachgelegt: während auf dem norwegischen Festland ein Grenzwert von 100 Milligram PFAS gilt, der sogar auf 2 Milligramm reduziert werden soll, hat das Umweltamt (miljødirektorat) für das fragliche Gelände vorgeschlagen, 150 Milligramm zu akzeptieren. Der Naturvernforbund Troms befürchtet, dass hier aus Kostengründen ohne nachvollziehbare Begründung eine erhöhte Umweltbelastung in Kauf genommen wird, obwohl die Arktis aufgrund der Kälte gerade gegenüber chemischen Umwelteinflüssen sehr sensibel ist.