Die Zeiten, wo die Polarnacht den Menschen nur Dunkelheit und Skorbut zu bieten hatte, sind lange vorbei. Heute bietet Longyearbyen auch im dunklen Winter jede Menge Abwechslung. Ständig bietet der kulturelle Kalender einen Vortrag (oft allerdings auf Norwegisch) oder sonstige kleinere Veranstaltungen.
Manchmal sind es auch größere Veranstaltungen, wie das Jazzfestival „Polarjazz“ am vergangenen Wochenende. Wie schon zum Dark Seasons Blues Festival Ende Oktober, sind dabei neben lokalen Künstlern vor allem namhafte norwegische und internationale Musiker auf den Bühnen Longyearbyens zu sehen. Beide Festivals sind seit vielen Jahren fester Bestandteil im Kulturkalender Spitzbergens.
Longyearbyens Musikszene macht den Auftakt
Das Polarjazz wurde am Donnerstag Abend im Kulturhaus von verschiedenen lokalen Künstlern eröffnet. Es ist beeindruckend, wie viele davon Longyearbyen zu bieten hat – letztlich ist es doch ein Dorf mit etwa 2500 Menschen. Aber wie viele 2500-Seelen-Nester bekommen ein fast dreistündiges Programm zusammen, bei dem kaum jemand für mehr als ein Lied auf der Bühne steht? Wobei es nur im weitesten Sinne um „Jazz“ ging, was sicher auch auf einen großen Teil der weiteren Konzerte zutraf.
Eröffungsabend des Polarjazz mit Musikern aus Longyearbyen im Kulturhaus.
Auftragswerk zum Spitzbergenvertrag
Das Programm wurde mit zahlreichen Veranstaltungen bis Sonntag fortgesetzt. Zu den Höhepunkten gehörte zweifellos die Uraufführung eines Werkes von Bugge Wesseltoft im Huset, das anlässlich des dieses Jahr anstehenden 100. Jubiläum des Inkrafttretens des Spitzbergenvertrages in Auftrag gegeben und umgesetzt wurde. Wesseltoft brachte dabei in den neun sehr unterschiedlichen Sequenzen seines Werkes klanglich und visuell alles unter, was er mit Svalbard assoziert und begeisterte Publikum und Kritik.
Uraufführung des Werkes von Bugge Wesseltoft im Huset.
Dass Wesseltoft sich für den Teil, der der dramatischen Expeditionsgeschichte gewidmet ist, mit der Wellman-Bjørvig-Bentsen-Geschichte ausgerechnet ein Drama ausgesucht hatte, dass sich 1898-99 im russischen Franz Josefs Land abgespielt hat, scheint nur wenigen, wenn überhaupt, aufgefallen zu sein oder man hat gelassen darüber hinweg gesehen.
Ella Marie Hætta Isaksen
Ein weiterer Höhepunkt war der Auftritt der samischen Sängerin und Schauspielerin Ella Marie im Kulturhaus. Hier wurde musikalisch ordentlich Dampf gemacht, mit modernen Klängen, denen die kulturellen Wurzeln nicht abhanden gekommen sind. Auch die politischen Botschaften kamen nicht zu kurz, etwa mit einem unmissverständlichen Gruß der politisch engagierten Samin an die norwegische Regierung, bei dem zwei Mittelfinger die Hauptrollen spielten. Wer die Gelegenheit hat, Ella Marie Hætta Isaksen, wie sie vollständig heißt, mal auf der Bühne zu erleben, sollte sie sich nicht entgehen lassen.
Ella Marie und Band im Kulturhaus.
Wer überlegt, mal eine Kulturreise in die Polarnacht zu machen, kann sich direkt auf der Seite des Veranstalters das Programm anschauen (2026 ist allerdings noch Zukunftsmusik, wobei die Vorbereitungen hinter den Kulissen schon laufen).
Und ansonsten? Langsam kommt das Licht sichtlich wieder zurück, die dunkle Kernzeit der Polarnacht weicht tagsüber der Dämmerung. Bis die Sonne sich wieder blicken lässt, dauert es aber noch ein paar Wochen.
Blick über den Campingplatz am Dienstag Mittag: die Polarnacht nähert sich dem Ende.
Wie üblich noch ein paar Bilder für weitere Eindrücke: