Auf dem Grund der Barentssee und der Karasee (östlich von Novaya Zemlya) liegen umfangreiche Altlasten von Atommüll, Atomreaktoren aus Schiffen und U-Booten sowie versenkte und gesunkene Schiffe und U-Boote mit Atomantrieb oder anderen radioaktiven Stoffen. Soweit nichts Neues. Die nun von russischer Seite den norwegischen Behörden zugänglich gemachte Inventarliste offenbart allerdings erschreckende Mengen, die bislang deutlich unterschätzt wurden. So „lagern“ auf dem Boden der arktischen Meere nicht etwa 11000 (ja, elftausend!) Container mit Atommüll, sondern mindestens 17000, dazu 19 versenkte Schiffe mit radioaktivem Abfall, 5 „Reaktorsektionen“, 3 Atom-U-Boote mit radioaktivem Brennstoff, Brennstoff des Eisbrechers „Lenin“ sowie „735 weitere radioaktive Einheiten“, was auch immer man sich darunter vorzustellen hat. Ob die Liste tatsächlich vollständig ist, ist unbekannt.
Neu ist die Offenheit, mit der Russlands Behörden den Umfang der strahlenden Erbschaft ihrem Nachbarn Norwegen mitteilen. Derzeit ist eine russisch-norwegische Forschergruppe damit beschäftigt, dem genauen Verbleib und Zustand der gefährlichen Altlast nachzuspüren.
Frühere Untersuchungen haben ergeben, dass das Niveau der Radioaktivität im Bereich der Barentssee sehr gering ist, erstaunlich gering angesichts der geschilderten Mengen von Atommüll. Dies mag sich künftig aber ändern, wenn Behälter und Reaktionen durchrosten. Im Einzelfall soll sogar die Gefahr von Kettenreaktionen bis hin zu Atomexplosionen drohen können, was die Behörden bislang jedoch nicht bestätigt haben.
Bis 1985 war es international üblich, Atommüll im Meer zu verklappen. Die Sowjetunion tat dies bis 1992. In jüngerer Vergangenheit wurden, auch mit substantieller Hilfen der EU und Deutschlands, bereits erhebliche Mengen radioaktiver Stoffe aus Küstengebieten und Häfen rückgeholt.
Der langfristige Verbleib radioaktiver Stoffe, die teilweise über äußerst lange Zeiträume gefährlich bleiben, ist ein Problem, das für Menschen vom Einzelnen bis hin zu Gesellschaften und Volkswirtschaften massive Auswirkungen hat und bislang nicht geklärt ist.
Der russische Atomeisbrecher Yamal in Franz Josef Land (2004). Foto: Christine Reinke-Kunze.
Quelle: Aftenposten, 28. August 2012
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