Ein Eisbär, der vor einigen Wochen im Norden Spitzbergens mit einer Nylonschnur um den Hals beobachtet wurde, konnte nun lokalisiert und von Mitarbeitern des Norwegischen Polarinstituts aus der Schlinge befreit werden. Der Fall zeigt anschaulich, welche Gefahr von der zunehmenden Menge angetriebenen Plastikmülls für die Tierwelt der Arktis ausgeht.
Bereits Ende Juni war der Eisbär von Teilnehmern einer Bootstour mit der »Arctica II« im Woodfjord gesehen und fotografiert worden. Sie informierten den Sysselmann, der daraufhin verstärkt nach dem Tier Ausschau hielt und darum bat, es zu melden, sollte der Bär von jemandem gesehen werden. Das dünne Seil, das das Tier um den Hals trug, stammte vermutlich aus der Schleppnetzfischerei. Es hatte sich zu einer festen Schlinge verknotet und das lose Ende hing etwa einen Meter herunter. Glücklicherweise hatte die Schlinge noch genug Spiel um das Tier nicht direkt zu verletzen oder es bei der Atmung zu behindern. Experten des Sysselmanns sahen die größte Gefahr darin, dass der Eisbär in kurzer Zeit viel frisst, falls er z.B. einen Kadaver findet oder eine Robbe erbeutet und dadurch so stark zunimmt, dass die Schlinge ihm den Hals einschnürt und in die Haut schneidet.
Die Wahrscheinlichkeit, ein einzelnes Tier in dem großen, fast menschenleeren Gebiet wieder zu finden, ist prinzipiell eher gering. Daher war es umso erfreulicher, als der Sysselmann am 22. Juli die Meldung bekam, dass der Bär in der Nähe der Trapperstation auf Austfjordnes, im inneren Wijdefjord, gesehen wurde. Noch am gleichen Tag flogen Mitarbeiter des Norwegischen Polarinstituts mit dem Helikopter dorthin. Sie konnten den Bären lokalisieren und betäuben. Nachdem sie die Schlinge entfernt und den Eisbären untersucht hatten, vergewisserten sie sich, dass er wieder aufwachte und sich in Bewegung setzte.
Der Eisbär hatte Glück, dass er gefunden wurde, und dass er ein Eisbär war. Für ein Rentier oder für einen einzelnen Vogel hätte man diesen Aufwand nicht betrieben. Gerade einigen Vogelarten droht durch den Plastikmüll eine andere Gefahr: Sie verschlucken kleinere Kunststoffteile, die dann nicht verdaut werden und zum Tod des Tieres führen können. Eine jüngere Untersuchung bei Eissturmvögeln auf Spitzbergen hat ergeben, dass sich bei 90% der Tiere kleine Kunststoffteile im Magen befinden.
Angeschwemmter Müll kann für Tiere zur Falle werden
Das norwegische Polarinstitut hat die jährliche Zählung des lokalen Rentierbestandes im Adventdalen abgeschlossen und das Ergebnis ist für die Forscher recht überraschend ausgefallen: Wiederum ist der Bestand auf einen Rekordwert angewachsen.
Im Juni zählen Forscher des Norwegischen Polarinstituts den Rentierbestand im Adventdalen und in den anliegenden Seitentälern. Dort wurden in diesem Jahr knapp 1500 Tiere gezählt, fast 300 mehr als im letzten Jahr, in dem der Bestand bereits auf ein Rekordniveau angewachsen war. Eine zweite, von der Universität in Tromsø durchgeführte Zählung bestätigt das Ergebnis. Aufgrund des relativ hohen Anteils an Alttieren im letzten Jahr, war in diesem Jahr nicht mit einem Anstieg der Population gerechnet worden. Die Forscher zählten jedoch überraschend viele Kälber, über 300, und auf der anderen Seite war die Anzahl der verendeten Tiere sehr gering. Es wurden lediglich 20 Kadaver gefunden, in schlechten Jahren waren es zwischen 100 und 200.
Als Ursache für den erneuten Anstieg der Population werden günstige klimatische Bedingungen vermutet, die den Tieren bessere Weidemöglichkeiten bescherten. Bereits im letzten Sommer hatten hohe Temperaturen für gutes Futterwachstum gesorgt, sodass die Tiere für die kalte Jahreszeit gerüstet waren. Da der vergangene Winter auf Spitzbergen dann relativ mild verlaufen war, dürfte das Futter wiederum leichter zugänglich gewesen sein. Üblicherweise führen mildere Winter mit gelegentlichen Regenperioden zur Vereisung und damit zur Versiegelung der Oberflächen, was die Futteraufnahme für die Tiere erschwert. Im vergangenen Winter hatte es zwar geregnet, doch war dieser negative Effekt offenbar ausgeblieben. Besonders an den steileren Hängen der Täler hatte der Regen die Vegetation wohl eher ganz frei gelegt.
Seit Beginn der Rentierzählungen im Adventdalen im Jahr 1979 wurden immer wieder natürliche Schwankungen im Bestand registriert. Ein Anwachsen der Population kann im folgenden Jahr zu erhöhter Futterkonkurrenz führen, ein Effekt, der durch ungünstige klimatische Bedingungen verstärkt wird. Nach starken Anstiegen der Population in den letzten beiden Jahren rechnen die Forscher daher nun wieder mit einem stärkeren Rückgang im kommenden Winter.