Mit Waffen haben die meisten im mitteleuropäischen Alltag wenig bis gar nichts zu tun. Das ist im Eisbärenland anders, die Waffendichte in Longyearbyen übersteigt mit etwa 5000 registrierten Schusswaffen bei rund 2500 Einwohnern mutmaßlich texanische Verhältnisse. Tatsächlich ist es nicht gesetzlich vorgeschrieben, eine Waffe mitzuführen, wenn man eine der Siedlungen verlässt und sich in die arktische Wildnis begibt (mehr zu diesem weitverbreiteten Irrtum hier), aber es wird allgemein dringend davon abgeraten, darauf zu verzichten.
Kommerzielles Mieten in Longyearbyen
Wissenschaftler, Touristen und andere, die Bedarf haben, können in Longyearbyen bei autorisierten Waffenhändlern, wovon es zwei gibt, Waffen kommerziell mieten. Es gab einmal die Zeit, wo hierzu nur die Vorlage eines Ausweises notwendig war; seit einer Weile muss der Ausleihende Papiere präsentieren, die dokumentieren, dass er oder sie zum Besitz einer entsprechenden Waffe berechtigt ist, also in der Regel Waffenbesitzkarte der entsprechenden Klasse, Europäischer Feuerwaffenpass oder Jagdschein. War ein entsprechendes Dokument nicht vorhanden, kann man beim Sysselmannen eine Genehmigung beantragen.
Verleihen durch Einzelpersonen oder Betriebe
Was bislang eher hemdsärmelig lief, war der Verleih von Waffen unter Privatpersonen oder innerhalb von Betrieben. Der Besitzer der Waffe musste sich davon überzeugenden, dass der Ausleihende über die entsprechenden Fähigkeiten verfügte und nicht charakterlich oder wegen Alkoholeinfluss o.ä. nicht in der Lage war, eine Waffe zu führen, und konnte dann eine bis zu vier Wochen lang geltende, einfache Ausleiherklärung ausstellen.
Neues norwegisches Waffengesetz seit 1. Juni
Das geht nun nicht mehr, seit in Norwegen – das betrifft nicht nur Spitzbergen – am 1. Juni sein von 1961 stammendes Waffengesetz novelliert hat. Nun liegt die Verantwortung, sich von der Eignung des Ausleihenden zu überzeugen, nicht mehr wie bislang beim Verleihenden, sondern beim Staat, also auf dem Festland bei der Polizei und in Spitzbergen beim Sysselmannen (ab dem 1. Juli gilt die neue Bezeichnung Sysselmester), bei dem Details nachzulesen sind. Diese Bedingung ist erfüllt, wenn man der Ausleihende etwa eine norwegische Waffenkarte oder einen Europäischen Feuerwaffenpass hat. Der Verleiher ist verpflichtet, das vor dem Verleih zun prüfen. Das gilt sowohl für den Verleih zwischen Privatpersonen, auch – wie in Longyearbyen oft üblich – innerhalb der Familie, als auch innerhalb von Betrieben, etwa beim weit verbreiteten Verleih von Waffen an Guides durch Firmen im Tourismus.
Auf Tour in Spitzbergen: das Gewehr ist meist nicht weit weg. Sollte es auch nicht.
Antrag beim Sysselmann
Hat der Ausleihende kein entsprechendes Dokument, bleibt also nur ein Antrag beim Sysselmannen. Dort wird einmal die charakterliche Eignung geprüft, üblicherweise mittels eines polizeilichen Führungszeugnisses. Zudem wird die ausreichende Fähigkeit („tilstrekkelig våpendugleik“) zum Umgang mit Waffen geprüft, was in Deutschland etwa der Sachkunde entspricht. Hier wird laut Sysselmannen beispielsweise der abgeleistete Grundwehrdienst, die aktive Mitgliedschaft in einem anerkannten Schützenverein, der Eintrag ins Jadgregister oder die Teilnahme an einem entsprechenden Sicherheitskurs (wie ihn in Longyearbyen beispielsweise UNIS für Studierende und Mitarbeitende anbietet) akzeptiert. Der Antrag kostet 248 Kronen (rund 25 Euro). Hier gibt es einen Link zu einem Antragsformular, Anträge etwa per Email werden vom Sysselmannen nicht bearbeitet.
Soweit die Theorie – wie es genau in der Praxis läuft, bleibt abzuwarten: muss ein polizeiliches Führungszeugnis in amtlich anerkannter Übersetzung vorliegen oder werden deutschsprachige Dokumente akzeptiert, wird ein deutscher Sachkundenachweis (im Original oder übersetzt?) anerkannt und so weiter. Eine Anfrage mit diesen und anderen Fragen durch diesen Autor an den Sysselmannen ist heraus; sobald Antwort vorliegt, werden weitere Informationen hier ergänzt.
Verleihen versus Vermieten
Das kommerzielle Verleihen (vermieten, norw.: utleie) von Waffen ist Privatpersonen und normalen Betrieben verboten, das ist nur dafür zugelassenen Waffenhändlern erlaubt.
Abschreckmittel sind und bleiben weiterhin vorgeschrieben
Von all dem unberührt ist die Verpflichtung, ein „geeignetes Abschreckmittel“ mitzuführen, etwa eine Signalpistole mit spezieller, geeigneter Muntion, denn natürlich sind Eisbären in Spitzbergen streng geschützt und dürfen nicht einfach abgeschossen werden. Zunächst muss alles getan, um gefährliche Begegnungen zu vermeiden oder unblutig zu beenden. Pfefferspray allerdings, das zumindest in manchen Situationen hierbei sehr hilfreich sein könnte (nicht auf freiem Feld, wenn ein schlechtgelaunter Eisbär mit Tempo angaloppiert kommt, aber das ist ja auch nicht das, was „normalerweise“ passiert) ist in Norwegen verboten.