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Arktis-Unfug: das angebliche Verbot, in Longyearbyen zu sterben, geboren zu werden und die Waffentragepflicht
Es ist unglaublich, wie hartnäckig sich manche Gerüchte halten. Sie sind so zäh, dass sie nicht nur ständig von schlecht recherchierenden Medien wieder hervorgekramt werden, sondern man bekommt sie mitunter sogar von ebenso schlecht informierten Guides in Spitzbergen zu hören.
Dadurch steigt der Wahrheitsgehalt allerdings nicht.
Wer diese Seite besucht, soll in Sachen Spitzbergen besser informiert sein, und deswegen wird hier in Bezug auf ein paar der blödesten, ständig wiederkehrenden Quatsch-Behauptungen aufgeräumt.
Erstens: Immer wieder ist zu hören, es sei in Longyearbyen oder wahlweise in ganz Spitzbergen verboten, zu sterben. Zunächst fragt man sich, wie so ein Verbot durchzusetzen wäre. Was passiert denn, wenn man in Longyearbyen stirbt? Bekommt man dann eine Geldstrafe oder muss man gar ins Gefängnis statt ins Grab? Spaß beiseite: irgendwo haben solche Behauptungen natürlich ihren Ursprung. Der liegt einmal darin, dass Longyearbyen über lange Zeiten seiner bis 1906 zurückreichenden Geschichte eine „company town“ war, also Betriebsgelände eines produzierenden Kohlebergwerks und nichts anderes. Es gab keinen freien Wohnungsmarkt, sondern nur firmeneigene Unterkünfte für Angestellte. Wer das Arbeitsverhältnis beendete, musste automatisch abreisen. Das galt natürlich auch für ein Arbeitsende aus Altersgründen. Schon aus diesem einfachen Grund war es nicht möglich, in Longyearbyen seinen Lebensabend zu genießen und daher starb zumindest aus Altersgründen dort niemand. Auch heute kommt man aufs Festland, wenn man für größere medizinische Probleme Behandlung braucht oder gesundheitlich oder durch Alter bedingte Pflege, einfach weil es die entsprechenden Einrichtungen in Longyearbyen nicht gibt. Das Krankenhaus ist klein und wäre für viele Spezialfälle nicht ausgestattet, Alters- oder Pflegeheime gibt es nicht. Deshalb fliegt man bei Bedarf logischerweise zum Festland.
In Longyearbyen wird vor allem fleißig gelebt …
Stirbt ein Bewohner von Longyearbyen, dann besteht meistens der Wunsch nach einem Grab in der Heimatgemeinde auf dem Festland. Die wenigsten leben mit ihrer Familie über Generationen in Longyearbyen, stattdessen haben die meisten eine starke Anbindung an einen Ort anderswo und wollen dort begraben werden. Wenn jemand seine letzte Ruhestätte auf dem Friedhof in Longyearbyen haben will, so geht auch dies. Einzige Einschränkung: nur als Urnenbegräbnis. Die bislang letzten Begräbnisse in Longyearbyen gab es 2014, weitere wird es über kurz oder lang sicher geben.
Das und sonst nichts steckt hinter dieser blödsinnigen Behauptung eines Sterbeverbots, das es tatsächlich nie gegeben hat.
… und manchmal, wenn auch selten, wird dort auch gestorben. Ein „Sterbeverbot“ hat es nie gegeben! Der Friedhof in Longyearbyen.
Warum werden solche Behauptungen eigentlich immer wieder aufgestellt? Ist das der Versuch, Longyearbyen irgendwie noch spannender, noch exotischer darzustellen? Ist doch gar nicht nötig, Longyearbyen ist schon interessant genug, so wie es tatsächlich ist. Vielleicht ist es auch einfach zu mühsam, tatsächlich ein wenig zu recherchieren, und vielleicht wird vermutet, in Zeiten von „fake news“ spielten die tatsächlichen faktischen Hintergründe auch gar keine Rolle mehr. Dem muss man entgegentreten und laut sagen: Unfug! Das tat unter anderem Leif-Magne Helgesen, Priester in Longyearbyen, vor ein paar Jahren in einem deutlichen Leserbrief an die Svalbardposten.
Wo wir schon dabei sind, ein kurzer Blick auf das andere, erfreulichere Ende des Lebens, nämlich den Anfang: Meistens wird im gleichen Atemzug behauptet, es wäre auch verboten, in Longyearbyen geboren zu werden. Das ist natürlich genauso Quatsch. Nur ist es aus den erwähnten praktischen Gründen – mangelnde medizinische Möglichkeiten für den Fall von Komplikationen – sicherer, die Geburt in einem größeren Krankenhaus oder zumindest in der Nähe eines solchen stattfinden zu lassen. Daher fliegen schwangere Frauen ein paar Wochen vor Geburt aufs Festland, nach Tromsø oder zu einem Ort ihrer Wahl. Ein gesetzliches Verbot, auf Spitzbergen geboren zu werden, gibt es natürlich nicht, wie man sich eigentlich denken kann.
Andere Baustelle, ähnliches Quatschniveau: immer wieder bekommt man zu hören, man sei auf Spitzbergen „gesetzlich verpflichtet, eine Waffe zu tragen“. Auch das ist echter arktischer Quatsch. Hat jemals jemand so ein Gesetz gesehen? Nein, denn so etwas hat es nie gegeben. Der gesunde Menschenverstand fordert das Tragen einer geeigeneten Waffe außerhalb bewohnter Siedlungen im Eisbärengebiet und das ist auch absolut üblich, das Gesetz fordert aber nur ein „geeignetes Abschreckmittel“, wozu meist eine Signalpistole mit spezieller Munition getragen wird. Die Behörden (Sysselmannen) fordern zwar zur Erteilung einer Genehmigung für Touren in entlegenen Gebieten, dass eine Waffe mitgeführt wird, aber nur aus Vernunftgründen und nicht weil das gesetzlich vorgeschrieben ist (und so eine Genehmigung braucht man ohnehin nur in abgelegeneren Gebieten, außerhalb des sogenannten Verwaltungsgebietes 10). Wer ohne Gewehr außerhalb von Longyearbyen spazierengeht, ist vielleicht etwas lebensmüde, tut aber nichts Illegales. Ein Gesetz, dass zum Tragen einer Waffe verpflichtet, gibt es nicht!
Genausowenig wie ein Sterbeverbot gibt es eine gesetzliche Pflicht, auf Spitzbergen eine Waffe zu tragen. Wer im Eisbärenland keine dabei hat, ist allerdings lebensgefährlich unterwegs.
So, jetzt haben wir einen arktischen Unfug aufgeräumt. Bis demnächst!
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