Über eine mögliche, weitergehende Sperrung des Ostens der Spitzbergen-Inselgruppe wurde hier schon mehrfach berichtet (siehe etwa Juni 2009). Stand der Dinge war, dass die norwegische Behörde für »Naturverwaltung« (Direktoratet for naturforvaltning, (DN)) einen Plan vorgelegt hatte, der den Osten Svalbards weitestgehend zum Sperrgebiet für Touristen erklärt, von einer kleineren Anzahl vorbestimmter Stellen abgesehen. Nach einer Hörung lehnte der Sysselmannen den Plan ab. Der Vorschlag wurde dennoch vom DN ohne nennenswerte Änderungen in den weiteren Gesetzgebungsprozess eingebracht, was in hohem Maße unüblich ist.
Der Hauptgrund für die Sperrungen ist, dass die Region als »unberührt wissenschaftliches Referenzgebiet« gepflegt werden soll. Nachdem diese sehr ungefähre Begründung nicht substantiell erläutert werden konnte, wurde später noch die Erhaltung der Naturregion hinzugefügt.
Erwartungsgemäß stößt der Vorschlag auf erhebliche Kritik, u.a.
Ziele sind nicht definiert bzw. nicht begründet. So konnten führende Wissenschaftler, etwa vom Norwegischen Polarinstitut während einer Konferenz in Longyearbyen im Oktober 2008, auch auf Nachfrage nicht erklären, worin der wissenschaftliche Wert der »unberührten Referenzgebiete« bestehen soll. Die Forscher hatten hingegen keine grundsätzlichen Bedenken gegen (kontrollierten) Tourismus in der Region, weder aus wissenschaftlicher Sicht noch aus Perspektive des Umweltschutzes.
Die Möglichkeit der Erhaltung »unberührter Referenzgebiete« durch Ausschluss von Touristen wird bezweifelt, da Forscher in den relevanten Gebieten deutlich mehr Zeit verbringen (Wochen anstelle von Stunden), deutlich mehr in abgelegene, küstenferne Regionen vorstoßen und mehr »Natur verbrauchen« (wochenlange Unterbringung in großen Camps, intensiver Gebrauch von Hubschraubern und Motorschlitten in Schutzgebieten. All dies ist Touristen schon lange verboten)
Stark erhöhter Druck auf verbleibende Lokalitäten. Damit ist eine Reihe von Problemen verbunden: verstärkte Erosion, weniger Flexibilität. Tatsächlich ist Flexibilität ein wesentlicher Bestandteil nicht zuletzt der Sicherheit touristischer Reisen in dieser Region: Steht bei Stelle A ein Eisbär an Land, oder sind Wind und Wellen dort zu stark? Bislang konnte man ausweichen. Befürchtet wird, dass künftig der Druck steigt, Risiken in Kauf zu nehmen – was natürlich prinzipiell inakzeptabel ist, aber problematisch werden kann, wenn keine Ausweichmöglichkeiten vorhanden sind.
Angeführt wird das »andauernde Ansteigen« des touristischen Verkehrs. Tatsächlich ist der Verkehr in den letzten 2 Jahren rückläufig, was nicht nur an der Wirtschaftskrise liegt (was vermutlich ein vorübergehender Effekt ist), sondern auch an bereits geltenden Neuregelungen, wie dem Verbot von Schweröl als Schiffstreibstoff in Schutzgebieten. Dies schließt größere Schiffe de facto aus den betroffenen Regionen aus. Ähnliche, deutliche Wirkung sind von neuen technischen Sicherheitsanforderungen an Schiffe zu erwarten, die dazu führen werden, dass eine Reihe von Schiffen, die noch 2009 nach Spitzbergen kamen, 2010 fernbleiben werden.
Intransparenter Diskussionsprozess weitgehend hinter verschlossenen Türen, unter Ausschluss der Öffentlichkeit sowie wichtiger involvierter (nichtstaatlicher) Akteure, einschließlich Missachtung der Zurückweisung der Vorlage etwa durch den Sysselmannen.
Trotz Ablehung durch den Sysselmannen wurde die Vorlage vom Naturdirektorat an das übergeordnete Umweltministerium weitergereicht, wo nun entschieden werden muss, wie weiter verfahren wird.
Intern wird befürchtet, dass das Argument »Wissenschaft« auf hoher Verwaltungsebene politisch eingesetzt wird, was angesichts mangelnder inhaltlicher und wissenschaftlicher Substanz zu einem Vertrauensverlust in Verwaltung und Wissenschaft führen kann, ähnlich etwa wie beim Walfang zu »wissenschaftlichen Zwecken« in Japan.
Schutzgebiet oder exklusiver Spielplatz für Forscher? (Für größere Ansicht auf Karte klicken.)
Quelle: Svalbardposten, Sysselmannen, mündliche Mitteilungen und Diskussionen
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