Erleben Sie von zu Hause Reisen nach Jan Mayen und um Spitzbergen mit! Rolf Stange wird während des arktischen Sommers mehr oder regelmäßig kleine Reiseberichte aus dem hohen Norden als Blog veröffentlichen. Unterhaltsame Schilderungen und Eindrücke von spannenden Reisen aus erster Hand gibt es hier: Spitzbergen.de Arktis-Blog: Jan Mayen, Spitzbergen.
Anflug auf Ísafjörður: Beginn des Jan Mayen Abteneuers.
Seit vielen Jahren ist die MS Langøysund ein beliebtes Boot für Tagestouren im Isfjordgebiet. Von Juni bis September fährt das Schiff mit bis zu etwa 70 Gästen nach Barentsburg oder Pyramiden, auch die Vorbeifahrt an landschaftlichen Schönheiten wie einer Gletscherfront oder einem Vogelfelsen steht auf dem Programm.
Dieses Jahr läuft es aber bislang nicht gut für die Langøysund. Zu Saisonbeginn lief das Schiff in der Borebukta auf Grund. Der Rumpf wurde beschädigt, die Gäste mussten die Fahrt nach Longyearbyen mit einem anderen Schiff fortsetzen. Immerhin dauerte es nicht lange, bis der Schaden repariert und das Schiff für die weitere Fahrt freigegeben war.
Nun steht der Eigner, die Firma Henningsen Transport og Guiding (HTG) aus Longyearbyen, wegen Sozialdumping im Verdacht. Bereits im April hatte die Seefahrtsgewerkschaft (Norsk Sjømannsforbund) eingreifen müssen, damit die teilweise aus Philippinern bestehende Mannschaft norwegische Verträge mit norwegischen Tarifen bekommt, wie es auf Schiffen vorgeschrieben ist, die unter norwegischer Flagge fahren.
Nun stellte sich bei einer Kontrolle in Longyearbyen heraus, dass die Mannschaft zwar norwegische Verträge bekommen hat, aber nach wie vor deutlich geringere Löhne erhält, als ihnen nach Vertrag und Gesetz zusteht.
Bei HTG beruft man sich darauf, dass der Vertragspartner der Mannschaft eine philippinische Agentur in Manila ist, der man vertraue und der man die Löhne überweise.
Die Zusammenarbeit mit den betroffenen Mannschaftsmitgliedern gestaltet sich für die Gewerkschaft schwierig, da diese Angst haben, bei der Vermittlungsagentur auf eine schwarze Liste zu kommen, selbst wenn ihnen nach norwegischem Recht deutlich höhere Löhne zustehen. Die Rede ist von 5000 US-$ Lohn zuzüglich bezahlter Überstunden, was im harten Tagestourengeschäft einen wesentlichen Anteil ausmachen dürfte. Tatsächlich sollen die Löhne bei etwa 1500 US-$ liegen, wovon die Vermittlungsagentur in Manila noch einmal 20 % einkassiert.
Der Eigner, HTG, äußerste gegenüber der Svalbardposten, dass Verträge und Löhne in Ordnung seien und man nicht daran denke, die Zahlungen nachzuweisen. Nachdem diesbezüglich am heutigen Donnerstag eine Frist abgelaufen war, wurde angekündigt, die Langøysund in „Arrest“ zu legen.
Ähnliche Vorwürfe wurden gegenüber der MS Billefjord laut, wo HTG ebenfalls das Management bestreitet, wenn auch nicht als Eigner. Auch hier wurde von der Gewerkschaft schon ein Eingreifen angekündigt.
MS Langøysund auf Tagestour in der Ymerbukta. Werden der Mannschaft illegale Dumpinglöhne gezahlt?
Das Norwegische Polarinstitut hat ein Video aus etwa 1000 Einzelbildern von Satelliten zusammengestellt und auf Youtube veröffentlicht. Es zeigt auf beeindruckende Weise, wie Teile der Gletscherfront von Austfonna über 4 Kilometer vorrücken. Die beschleunigte Bewegung hatte 2012 ihren Höhepunkt.
Mehr zum plötzlichen Vorstoßen von Gletschern (Surge) und zur Eiskappe Austfonna in Steine und Eis.
Das Vorstoßen einer so großen Eiskappe wie Austfonna hat Folgen: Einerseits trägt Austfonna derzeit mehr zum Meeresspiegelanstieg bei als alle anderen Gletscher Spitzbergens zusammen. Lokal führte der „Surge“, wie das beschleunigte Vorstoßen neudeutsch-wissenschaftlich heißt, schon zu Warnungen für die Schifffahrt: Es muss sowohl mit einer größeren Zahl von Eisbergen gerechnet werden als auch mit Veränderungen des Meeresbodens, der unter Wasser zu Stauchendmoränen aufgeschoben sein kann.
Spitzbergens berühmteste Trapperhütte, Fredheim im Tempelfjord, ist jetzt als virtuelle Tour zugänglich. Die zweigeschossige Hütte des legendären norwegischen Jägers Hilmar Nøis liegt landschaftlich schön, aber außerhalb der winterlichen Motorschlittensaison schwer erreichbar, und wer es dorthin schafft, steht vor verschlossener Tür.
Jetzt lässt sich die berühmte Hütte rund ums Jahr ganz ohne Aufwand vollständig besichtigen: Ende März konnte ich Fredheim vollständig mit Panoramatechnik fotografieren und habe daraus eine virtuelle Tour gemacht, die jetzt online ist und den Besuch jederzeit ermöglicht, Raum für Raum. Die Tour läuft wie ein Film von alleine ab; es ist aber auch möglich, die einzelnen Räume (Panoramen) einzeln anzuwählen. Kurze Texte erzählen die zugehörigen Geschichten aus der Trapperzeit in Spitzbergen.
Die Lokalzeitung Svalbardposten hat ihre Leser in ihrer Online-Ausgabe bereits auf die Möglichkeit hingewiesen, Fredheim im Internet zu besuchen. Schon über 1000 Besucher hat die alte Trapperhütte seitdem virtuell zu verzeichnen, deutlich mehr als der „Tag der offenen Tür“, der während der Wintersaison zweimal vor Ort abgehalten wird: Die einzige Gelegenheit für die Öffentlichkeit, einen Blick in das Innenleben von Hilmar Nøis alter Hütte zu werfen.
Fredheim, die berühmte Trapperhütte von Hilmar Nøis im Tempelfjord, ist schwer erreichbar und abgeschlossen. Virtuell kann man jetzt jederzeit durch alle Räume gehen.
Die Umweltprobleme, die für Polargebiete tatsächlich existenzbedrohend sind, lassen sich recht gut eingrenzen: neben dem Klimawandel und langlebigen Umweltgiften sowie regional der Öl- und Gasindustrie sind es die gewaltigen Mengen Plastik, die in den Weltmeeren driften und selbst die entlegenen Regionen erreichen. In Spitzbergen sehen wir nahezu täglich Plastikmüll an den Stränden liegen oder im Meer treiben. Vieles davon stammt aus der Fischerei: Riesige Netze, Plastikseile, bunte Netzbälle, Fender, um nur einige Beispiele zu nennen. Darüber hinaus ist es aber auch der alltägliche Zivilisationsmüll, von Feuerzeugen über Zahnbürsten, endlose Mengen von Plastiktüten, die man bei jedem Einkauf fast aufgedrängt bekommt (vermutlich da es sich um Werbeträger handelt), Flaschendeckel … die Liste ist endlos. Für ein paar konkrete Eindrücke lohnt sich beispielsweise ein Blick in die Fotogalerie von Chris Jordan (hier klicken), der auf den abgelegenen Midway Islands im Pazifik Albatros-Küken fotografiert hat, die an Plastikmüll gestorben sind.
Auf praktisch jeder Spitzbergen-Reise sammeln wir kubikmeterweise Plastikmüll von den Stränden, was über die letzten 10 Jahre zu deutlich sichtbaren Verbesserungen geführt hat (übrigens ist der Tourismus der einzige Akteur, der die Kapazitäten hat, dies in diesem Umfang in so abgelegenen Gebieten tun zu können. Ein guter Grund, die Bewegungsfreiheit der kleineren Touristenschiffe nicht weiter einzuschränken), angesichts der Größenordnung des globalen Plastikmülls aber natürlich keine echte Lösung sein kann.
Ein paar Eindrücke von den Plastikmüllmengen, die sich an den Stränden in Spitzbergens finden, und von den Müllsammelaktionen, die wir regelmäßig dort machen. Die Fotos stammen von weiten Teilen der Inselgruppe, von der Bäreninsel im Süden bis zum Nordaustland im Norden.
Klicken Sie auf die Bilder, um eine vergrößerte Darstellung des Bildes zu erhalten.
Um wirksam gegen den Müll vorzugehen, dem ständig Fische, Seevögel, marine Säuger von Robben bis zu Walen, Schildkröten usw. in dramatischer Zahl und somit letztlich ganze marine Ökosysteme zum Opfer fallen und der (vielleicht noch schlimmer) in zerkleinerter Form die Nahrungskette eingeht, wäre es nötig:
Viel weniger Plastik im Alltag nur kurz zu Verwenden und anschließend wegzuwerfen. Hier sind wir alle gefragt, gut 7 Milliarden Menschen. Wie wäre es mit einer Baumwolltasche beim nächsten Einkauf, nur so als Anfang?
Plastik durch abbaubare Materialien zu ersetzen. Hier sind neben Verbrauchern vor allem Industrie, Forschung und Politik gefragt.
Die in den Ozeanen bereits vorhandenen Riesenmengen Plastik möglichst wieder zu entfernen. Hier wird es gerade spannend: Nach mehreren Jahren Arbeit hat das Projekt The Ocean Cleanup ein Konzept vorgestellt, das es ermöglichen soll, über einige Jahre Plastikmüll in global relevanten Mengen aus den Ozeanen zu entfernen. Kern der Idee ist, Strömungen zu nutzen, damit Plastikmüll sich in Barrieren verfängt, konzentriert wird und dann mit vergleichsweise wenig Aufwand abgeschöpft werden kann. Das Wasser strömt unter den recht flachen Barrieren durch, wodurch auch Beifang von Tieren verhindert werden soll. Anfang Juni wurde ein umfangreicher Bericht veröffentlicht, der die Machbarkeit dokumentiert. Die Kosten werden mit 4,50 Euro pro kg Plastik angegeben, was um den Faktor 33 geringer sein soll als andere Methoden. Über einen Zeitraum von 10 Jahren sollen sich so etwa die gigantischen Müllmengen im riesigen Müllstrudel im Pazifik halbieren lassen, zu Kosten, die im Vergleich zu den Schäden geringfügig sind.
Der Eindruck scheint berechtigt zu sein, dass das The Ocean Cleanup Projekt in der Lage wäre, einen wichtigen Beitrag zur Lösung des ozeanischen Müllproblems zu leisten. Um das Projekt auf die nächste Stufe zu heben, wird aktuell ein Crowdfunding durchgeführt. Derzeit (18.6.) wurde schon über eine halbe Million Dollar gespendet, angestrebt sind 2 Millionen. Spitzbergen.de hat sich bereits beteiligt und ruft dazu auf, The Ocean Cleanup zu unterstützen. Wer den Müll an Spitzbergens Stränden oder sonstwo oder Chris Jordans Fotos aus dem Pazifik gesehen hat, wird das Projekt vermutlich gerne unterstützen. Hier klicken, um The Ocean Cleanup zu unterstützen.
Und beim nächsten Einkauf an eine Baumwolltüte denken … 🙂
Mannschaft und Gäste der SV Antigua bei einer Müll-Sammelaktion in Mushamna im Woodfjord, im Norden von Spitzbergen. Solche Aktionen finden praktisch auf jeder Spitzbergen Reise statt, auch andere Schiffe beteiligen sich.
Eine empfindliche Erinnerung daran, wie abgelegen Spitzbergen weiterhin ist und was für eine Verletzlichkeit dies nach wie vor mit sich bringen kann, bekam man in Longyearbyen am Montag vor knapp 2 Wochen, am 2. Juni, als die gesamte Kommunikation zum Festland für einige Stunden komplett tot war.
Seit über 10 Jahren läuft die Telekommunikation von Spitzbergen zum Festland über Glasfaserkabel, die die davor üblichen Funkverbindungen ersetzt haben. Ein Grund dafür waren und sind die großen Datenmengen, die ständig bei den Empfangsantennen für Satellitendaten um Longyearbyen (SvalSat, die runden Kugeln auf dem Platåberg) anfallen und in Echtzeit Kunden wie NASA und ESA geliefert werden müssen. Seitdem gibt es in Longyearbyen theoretisch auch superschnelles Internet (praktisch ist es teuer und langsam, jedenfalls für normale Menschen).
Dass die Sache einen Haken hat, zeigte sich an besagtem Montag: Der gesamte Datenverkehr zwischen Spitzbergen und der Außenwelt fiel für einige Stunden aus. Grund war ein technischer Fehler in der Anlage in Andenes (Vesterålen), wo das Glasfaserkabel das norwegische Festland erreicht. Theoretisch ist die gesamte technische Infrastruktur doppelt vorhanden, so dass auf Ausfälle umgehend reagiert werden kann. Praktisch versagte dieses Mal schlicht und einfach das gesamte System.
Dies schnitt nicht nur die recht junge und internetaffine Bevölkerung Longyearbyens von dort häufig genutzten Diensten wie Facebook ab, sondern machte es auch unmöglich, Polizei und Rettungsdienste zu erreichen. Das Krankenhaus in Longyearbyen, das bei schwierigen Fällen oft auf medizinische Beratung durch die Uniklinik in Tromsø zurückgreift und Patienten bei Bedarf dorthin transportieren lässt, hatte Schwierigkeiten, mit den entsprechenden Stellen Kontakt aufzunehmen: Die sofort eingesetzten Satellitentelefone funktionieren nur mit freiem Blick zum Himmel, so dass verantwortliche Ärzte zu jedem Gespräch auf die Straße mussten. Zudem ist die satellitengestützte Telefonverbindung ohnehin oft langsam und instabil und in jedem Fall teuer, wie dieser Autor nur zu gut aus eigener, leidvoller Erfahrung weiß. Dazu kam, dass in Longyearbyen mangels anderer Möglichkeiten vielfach Satellitentelefone eingesetzt wurden; diese sind dort in vielen outdoor-affinen Haushalten und vielen Betrieben vorhanden. Daher waren auch diese Verbindungen zeitweise überlastet, so dass noch nicht einmal die satellitengestützte Kommunikation zuverlässig funktionierte.
Der Spuk hatte nach ein paar Stunden ein Ende, machte aber allen vor Ort die Grenzen der Technik klar. Insbesondere Träger lebensnotwendiger Infrastruktur und Bereitschaftsdienste wie Polizei, Rettungsdienst und Krankenhaus sind beunruhigt. Die verantwortliche norwegische Telenor arbeitet zusammen mit Behörden, um dafür zu sorgen, dass sich solche Vorfälle möglichst nicht wiederholen. Vor Ort diskutiert man darüber, zumindest auf wichtigen Verbindungen die guten, alten lokalen Kabel zu erneuern. Eigentlich soll Longyearbyen, das wegen seiner Größe und politischen und technischen Rahmenbedingungen gerne als Aushängeschild genutzt wird, einer der ersten Orte Norwegens werden, in denen die Festnetztelefonie komplett abgeschafft wird. Vielleicht wird jetzt noch einmal anders darüber nachgedacht.
Funktioniert immer: explosions- und brandgeschütztes Grubentelefon (hier im Hafen von Barentsburg). Nur kommt man damit nicht weit.
Die Eiskappe Austfonna bedeckt große Teile des Nordaustland, der zweitgrößten Insel der Spitzbergen-Inselgruppe. Insgesamt bedeckt die Eiskappe, die genau genommen aus mehreren zusammengewachsenen Eiskappen besteht, gut 8400 Quadratkilometer.
Für längere Zeit galt Austfonna als recht stabil: massive Volumenverluste wie bei vielen anderen Gletschern Spitzbergens und sonstwo in der Arktis fanden nicht statt. Randliche Bereiche wurden langsam dünner, zentrale Teile gewannen an Mächtigkeit hinzu. Bei kleineren Gletschern kennt man so ein Verhalten, wenn es über längere Zeit hinweg andauert, als Surge. Dieses plötzliche Vorstoßen, bei dem ein Gletscher innerhalb von 1-2 Jahren viele Kilometer nach vorn „springen“ kann, ist ein Ergebnis der Gletscherdynamik und unabhängig von Klimaänderungen (mehr dazu in Steine und Eis). Auch Teile von Austfonna haben früher bereits „gesurgt“, wie Bråsvellbreen im südlichen Bereich in den 1930er Jahren.
Nun haben Satellitenbilder deutliche Anzeichen geliefert, dass große Teile der Eiskappe sich in beschleunigte Bewegung versetzt haben. Auf breiter Front schiebt sich die Abbruchkante in die Barentssee vor und bringt große Mengen von Eisbergen hervor. Dadurch liefert Austfonna derzeit einen größeren Beitrag zum Meeresspiegelanstieg als alle anderen Gletscher Spitzbergens zusammen. Dennoch gehen Wissenschaftler, die Austfonna schon länger beobachten, davon aus, dass die Eiskappe mittelfristig eher Masse zulegen wird.
AECO, der Verband von Expeditions-Kreuzfahrten-Veranstaltern in der Arktis, hat bereits zu vorsichtiger Navigation in der Region aufgerufen, da vermehrt mit Eisbergen und Änderungen der Küstenlinie zu rechnen ist.
Ein solches Ereignis, wo eine Eiskappe sich auf tausenden von Quadratkilometern in schnelle Bewegung versetzt, ist für die jüngere Zeit, in der die Region genau wissenschaftlich untersucht wird und regelmäßig touristisch bereist werden kann, einzigartig. Die Beobachtung, die wesentlich auf Daten des europäischen Satelliten Sentinel-1a beruht, ist auch deswegen wissenschaftlich beachtlich, weil der Satellit zur Zeit der Aufnahme noch nicht einmal richtig in der Umlaufbahn angekommen war, aber dennoch bereits in der Lage war, sehr wertvolle Daten zu liefern.
Die Eiskappe Austfonna auf dem Nordaustland hat sich auf großer Fläche in schnellere Bewegung versetzt.