Jahr für Jahr werden Eisbären in verschiedenen Teilen der Arktis durch Wissenschaftler betäubt und markiert. Proben werden genommen, teilweise werden Eisbären mit einem Halsband mit Satellitensender versehen, um ihre Wanderungen verfolgen zu können. Dies geschieht üblicherweise aber nur mit weiblichen Eisbären, da männliche Tiere einen zu kräftigen Nacken haben: Ein Halsband würde entweder schnell abfallen oder, bei strammer Befestigung, zu Schmerzen und Verletzungen führen, auch mit Behinderungen beim Schlucken und Atmen wäre zu rechnen. Gängige Annahme ist in der Öffentlichkeit bislang, dass männliche Eisbären generell nicht mit Halsbändern ausgestattet werden.
Nun stellt sich allerdings heraus, dass von dieser Praxis abgewichen wird, möglicherweise schon seit längerer Zeit. In der Nähe von Kaktovik in Alaska, an der Küste des arktischen Beaufort-Meeres, ist ein männlicher Eisbär gesehen und fotografiert worden, der ein Halsband mit Satellitensender trägt. Dieses schneidet, wie auf dem Foto unten zu sehen, ein und hat den Eisbären bereits sichtbar verletzt.
Es besteht die Vermutung, dass der Bär in Kanada von Wissenschaftlern betäubt und markiert wurde. Möglicherweise werden dort schon länger auch männliche Eisbären „versuchshalber“ markiert. Die Halsbänder sollen nach einem halben Jahr von selbst abfallen. Möglicherweise funktioniert dies jedoch nicht zuverlässig. Wahrscheinlich ist auch, dass Eisbären in kurzer Zeit kräftig an Gewicht zulegen, wenn sie auf einmal über reichlich Nahrung verfügen. An den arktischen Küsten von Alaska und Kanada finden Bären manchmal große Mengen Nahrung, wenn ein toter Wal strandet oder große Reste eines Walkadaver nach Jagd durch indigene Einwohner liegenbleiben. Dies ist nach Aussage von Behörden „unvorhersehbar“. Tatsächlich kommt es unregelmäßig vor und ist somit nicht im konkreten Einzelfall vorhersehbar, aber allgemein ist das ein bekannter und nicht seltener Vorgang, mit dem daher immer zu rechnen ist.
In den USA, zu denen Alaska gehört, ist der United States Fish & Wildlife Services (USFWS) für den Schutz mariner Säugetiere zuständig, wozu auch der Eisbär gehört. Der USFWS macht sich bislang das Leben mit der Aussage einfach, man beobachte den Bären, habe aber nicht die Kapazitäten, um einzugreifen und dem Tier zu helfen. Vielleicht fühlt man sich auch nicht zuständig, da der Eisbär in Kanada markiert wurde.
Der aktuelle Fall scheint lokal schon seit Monaten bekannt zu sein und zieht im Internet nun Aufmerksamkeit auf sich. Interessierte Privatpersonen wenden sich nun an die zuständigen Behörden wie den USFWS, um den Druck zu erhöhen, dem Tier zu helfen. Mehr dazu, darunter Email-Adressen der Behörden, auf der Facebook-Seite Protect the Polar Bear. Die Initiative ergriffen hat Morten Jørgensen, der in seinem Buch Polar Bears on the edge auch den wissenschaftlichen Umgang mit Eisbären kritisch beleuchtet.
Organisationen wie der WWF und Polar Bears International unterstützen die wissenschaftliche Arbeit mit Eisbären einschließlich Betäubung und Ausstattung mit Halsbändern und Satellitensendern. Kritik an dieser Arbeit ist nicht neu, aber die Diskussion hat bislang noch keine große Öffentlichkeit erreicht.
Durch Satellitensenderhalsband verletzter männlicher Eisbär in Alaska. Normalerweise werden nur Weibchen mit Sendern ausgestattet.
Im Mai wurde auf dieser Seite von einer Eisbärenfamilie berichtet, die im Tempelfjord und Billefjord mehrfach gesehen wurde (hier klicken für den Artikel aus dem Mai). Es handelte sich um eine Mutter, die mit Drillingen unterwegs war. Drillinge sind bei Eisbären sehr selten, normal sind Zwillinge.
Die betreffende Eisbärin hatte allerdings im April 2011 bereits schon einmal Drillinge, möglicherweise ist eine besondere genetische Veranlagung vorhanden. Damals wurde sie zu wissenschaftlichen Zwecken betäubt und markiert. Damals überlebte letztlich nur eines von drei Jungen.
Auch im Frühjahr 2015 wurde die Bärin wieder betäubt und markiert. Die drei Jungbären waren da noch so klein, dass sie nicht betäubt werden mussten. Die vom Sender am Halsband geschickten Daten zeigen eine erstaunliche Wanderung: Nachdem die Familie das Frühjahr im Billefjord und Tempelfjord verbracht hatte, wo zu dieser Zeit viele Ringelrobben auf dem Eis liegen, wanderte sie durch den Wijdefjord nach Norden und verbrachte den Sommer nördlich vom Nordaustland. Schließlich querten die Bären das Nordaustland, die Hinlopenstraße und den Nordosten Spitzbergens. Mittlerweile ist die Eisbärin wieder im Tempelfjord. Allerdings hat nur eines von den drei Jungtieren diese lange Wanderung überlebt. Wann, wie, warum und wo die beiden anderen Jungbären gestorben sind, ist unbekannt. Es ist allerdings normal, dass auch von Zwillingen nur ein Jungtier überlebt; drei hungrige Jungbären am Leben zu halten, ist eine noch anspruchsvollere Aufgabe.