Bislang ist „Guide“ kein geschützer Beruf. Jede und jeder kann kommen und als Guide arbeiten. Das hat viele Jahre lang auch gut funktioniert, solange Tourismus auf Spitzbergen eine Nischenbranche gab und ausreichend Outdoor-Begeisterte bereitstanden, die schon hinreichend Erfahrung gesammelt hatten, um eine überschaubare Zahl von Touristen sicher durch Spitzbergens arktische Natur zu führen, in Winter und Sommer, mit Ski, Hundeschlitten, Motorschlitten, Boot, Schiff, zu Fuß oder wie auch immer.
Aber die Zeiten haben sich geändert. In den letzten Jahren ist eine Vielzahl kleinerer Firmen hinzugekommen, die in Spitzbergen Touren anbieten. Dabei ist es gerade der lukrative Markt für Tagestouren um und in Longyearbyen, der viele neue Marktteilnehmer angelockt hat. Denn das ist es mittlerweile geworden: Ein Markt, auf dem viel Geld umgesetzt und verdient wird, und keine Nische, in der Begeisterte sich mit viel Idealismus und persönlichem Aufwand verwirklichen. Die gibt es natürlich immer noch, aber das Umfeld ist ein anderes geworden.
Mit dem gewachsenen Markt ist natürlich auch der Bedarf an Guides kräftig gestiegen, und mehr und mehr Beobachter sammeln mittlerweile Eindrücke, die darauf hindeuten, dass Guides nicht immer über die Kenntnisse, Erfahrungen und Fähigkeiten verfügen, die sie haben sollten.
Touristengruppe mit Guide im Colesdalen: bislang ist der Beruf „Guide“ nicht geschützt.
Das ist nicht nur ärgerlich, sondern auch potenziell gefährlich. Spitzbergen-Guides gehen mit Waffen, Booten, Motorschlitten, Hundeschlitten um, haben mit arktischem Wetter zu tun, müssen mit Eisbären rechnen und sind für Menschen verantwortlich, die sich in dieser Umgebung darauf verlassen, dass ihre Sicherheit an erster Stelle steht und dass die Guides vor Ort dafür einstehen. Zudem ist die Führung von Gruppen durch Guides maßgeblich entscheidend etwa dafür, ob Tiere gestört oder ob Kulturdenkmäler beschädigt werden. Somit wäre die gesicherte Qualifikation von Guides auch eine hervorragende Alternative zur Sperrung interessante Orte oder gar ganzer Teile der Inselgruppe, wie es vor gut 10 Jahren noch intensiv diskutiert wurde.
In diesem Licht erscheint es sinnvoll, den Zugang zum bislang völlig ungeschützten Beruf „Guide“ mit formalisierten Anforderungen zu beschränken und dadurch für Mindeststandards bezüglich der Qualifikation zu sorgen. Dieser Ansicht ist mittlerweile auch der lokale Branchenverband Visit Svalbard in Longyearbyen, der natürlich Wert darauf legt, an einem solchen Prozess selbst beteiligt zu sein. Aber allen Beteiligten ist klar: Sollte es etwa einen Unfall mit schweren Folgen geben und der Mangel an Qualifikation bei den Guides sich als Ursache herausstellen, wird es nicht nur den Unfallopfern weh tun, sondern darüber hinaus auch der ganzen Branche. Dieser Ansicht sind auch lokale Guides schon lange, wie etwa vom relativ jungen Verband Svalbard Guide Association zu hören ist. Und natürlich ärgern sich Guides mit jahrelanger Erfahrung, wenn sie sehen, dass unqualifizierte Neulinge mitunter die Lücken füllen. Auch mit Blick auf Arbeitsbedingungen und Anerkennung von Guides führt dies zu Problemen.
Bis es tatsächlich so weit ist, werden die Gletscher der Arktis aber wohl noch etwas schmelzen: Zunächst hat die Regierung nur angekündigt, eine Zertifizierung von Guides zu erwägen. Übe kurz oder lang wird die kommen, schon weil es mittlerweile kaum noch Stimmen gibt, die dagegen sprechen, aber wie die Anforderungen aussehen werden und wer die Qualifizierung und Zertifizierung wie und wo vornimmt, das sind Fragen, die derzeit noch nicht entschieden sind.
Wieder war ein Eisbär in der Nähe von Longyearbyen unterwegs. Dieses Mal hatte eine Gruppe mit vier Hundeschlitten eine überraschende Nahbegegnung im Bolterdalen. Kurz vor Ende der Tour, auf dem Rückweg vom Scott Turnerbreen zum Hundehof von Green Dog, stand der Eisbär plötzlich auf einer Anhöhe neben der Strecke. Anschließend passierte der Bär die Schlittengruppe im Abstand von nur wenigen Metern, ohne dabei Zeichen von Aggressivität zu zeigen. An den Hunden des ersten Schlittens hat er nach Berichten der anwesenden Guides, die ihre Geschichte der Svalbardposten erzählt haben, neugierig geschnüffelt, während die Passagiere in diesem Schlitten, eine Frau und ihre elfjährige Tochter, zusahen (deren Erzählung würde man auch gerne hören!). Der Guide des ersten Schlittens, Marcel Starinsky aus der Slowakei, hatte zunächst nicht einmal Zeit, sein Gewehr einsatzbereit zu machen, sondern schlug stattdessen mit einem Tau, das zum Bremsen der Hundeschlitten verwendet wird und dazu jederzeit griffbereit hängt, nach der Nase des Eisbären.
Daraufhin zog der Bär weiter, an den anderen Schlitten vorbei und verschwand im Dunkeln. Die Guides berichten, dass der Bär zu keiner Zeit Anzeichen von Aggression zeigte. Guides und Gäste nahmen sich anschließend im Hundehof Zeit, das Geschehen in Ruhe im Gespräch zu verarbeiten. Soweit bekannt, hatten alle Beteiligten während des Geschehens trotz einer ordentlichen Portion Adrenalin ihre Nerven im Griff und das Erlebnis letztlich gut überstanden.
Auf Tour in Dunkelheit und Schneetreiben.
Was in nächster Nähe unterwegs ist, ist kaum zu sehen.
Später ließ das Tier sich noch einmal in der Nähe des Hundehofes blicken, wurde dann aber vom Sysselmannen mit einem Hubschrauber durchs Bolterdalen Richtung Reindalen getrieben.
Ob dieser Eisbär etwas mit den neulich auf dem Longyearbreen gesehenen Spuren zu tun hat, ist schwer zu sagen. Die Spuren auf dem Longyearbreen sollen nach Westen bis Kapp Laila in der Colesbukta geführt haben, während der Eisbär, von dem hier die Rede ist, wahrscheinlich aus dem Adventdalen kam, also aus dem Osten. Das lässt es zumindest unwahrscheinlich erscheinen, dass es sich um dasselbe Tier handelt.