Derzeit sind die Tage auf Spitzbergen meist etwas grau und windig, aber immer voll und sie gehen schnell dahin. Nach langer, pandemiebedingter Abstinenz steht es für mich und uns hier in Longyearbyen ganz oben auf der Wunschliste, viel Zeit draußen zu verbringen. Sonst hätte ich hier schon einiges geschrieben über die vielen schönen Eindrücke der letzten Zeit.
Das wird schon noch kommen.
Aber gleichzeitig passiert hier ja auch immer wieder etwas, was nicht unerwähnt bleiben darf. Es wäre sicher unangemessen, Fotos von schönen Landschaften, Tieren und naturkundlichen Spezialitäten wie interessanten Fossilien zu veröffentlichen, ohne zu erwähnen, was sonst noch so los ist.
Mark Sabbatini unfreiwillig abgereist
Vor allem, wenn jemand, der seit weit über zehn Jahren (13 waren es, genauer gesagt) zum Ortsbild von Longyearbyen gehört hat, die Insel verlassen hat, und zwar unfreiwillig.
Tatsächlich gehört zur Macht des Sysselmesters, Personen von Spitzbergen ausweisen zu können. Davon wurde bislang nur selten Gebrauch gemacht, etwa in Fällen, wo Personen mehrfach beim Konsum oder sogar Handel mit illegalen Drogen erwischt wurden. Die offizielle Haltung dazu ist hier, dass das für eine so kleine, abgelegene Gemeinde mit mehrmonatiger Polarnacht noch gefährlicher ist als andernorts, so dass Wiederholungstäter mit dem Rauswurf rechnen müssen, verbunden mit dem Verbot der Rückkehr für eine Weile.
Auch mittellose Touristen wurden schon mal direkt nach Ankunft wieder ins nächste Flugzeug gesetzt. Die öffentliche Hand will hier nicht für Leute aufkommen, die nicht in der Lage sind, ihre nächste Übernachtung zu bezahlen, und man will im Eisbärenland auch nicht, dass Leute wild campen (was in und um Longyearbyen ohnehin verboten ist) und sich dabei zudem Risiken aussetzen, die sie selbst wahrscheinlich gar nicht kennen oder einschätzen können.
Soweit so nachvollziehbar. Aber jemanden herauswerfen, der 13 Jahre lang hier gelebt hat?
Mark Sabbatini: 13 Jahre Spitzbergen, 13 Jahre „Icepeople“
Der Amerikaner Mark Sabbatini, Zeitungs- und Medienmensch durch und durch, hatte bereits längere Aufenthalte etwa in der Antarktis hinter sich, als er damals nach Longyearbyen kam und begann, seine kostenlose, englischsprachige Zeitung „Icepeople“ aufzubauen, als für ein internationales Publikum zugängliches Alternativangebot zur Lokalzeitung Svalbardposten. Seitdem kannte man Mark hier, wie er sich tagein, tagaus im Café Fruene über seinen Rechner beugte und seine Zeitung und Webseite baut und ständig aktuell hielt.
Wirtschaftlich ging es damit aber nie aufwärts: Zeitung und Webseite waren und sind immer umsonst gewesen (und sollen es auch bleiben), das Anzeigengeschäft ist ziemlich begrenzt. Wirtschaftlich hat das Gamle Sykehuset Mark den härtesten Schlag versetzt von mehreren, die er einstecken musste: Der Kauf einer Eigentumgswohnung dort stellte sich als Totalverlust heraus, als Setzungsschäden das Gebäude unbewohnbar machten. Das ist eine lange Geschichte in sich selbst (mehr dazu hier). Für viele war es sehr, sehr teuer. Dazu kamen eine ungünstige gesundheitliche Entwicklung, u.a. infolge eines Sturzes bei Glatteis. All das ist in Longyearbyen kein Geheimnis und Mark hat immer offen darüber erzählt und berichtet.
Wirtschaftliche und gesundheitliche Abwärtsentwicklung
Irgendwann waren die Reserven aufgebraucht, und Marks wirtschaftliche Lage in der nördlichsten Siedlung (wenn wir Ny-Ålesund ausnehmen, wo es keine normalen Einwohner gibt) des reichen Landes Norwegen wurde prekär bis zu dem Punkt, dass Unterkunft und anstehende Ausgaben nicht mehr gesichert waren. Das ging so eine Weile mal schlechter, mal rechter.
Nun gibt es als Folge der speziellen Bedingungen des Spitzbergenvertrages in Spitzbergen kein staatliches soziales Netz über das hinaus, was das Herkunftsland des oder der Einzelnen hergibt. Und da die Behörden hier nicht akzeptieren, dass Leute in Spitzbergen in materiell ungesicherten Verhältnissen – im Extremfall auf der Straße – leben, behält man sich vor, Leute in solchen Fällen herauszuwerfen.
Der neue Sysselmester Lars Fause hat eine andere Sicht auf den fraglichen Fall als seine Amtsvorgängerin und er entschloss sich dazu, „Verantwortung zu übernehmen“.
Mark selbst hat sich in der Svalbardposten, auf seiner eigenen Seite Icepeople, auf sozialen Medien und auch mit gegenüber im persönlichen Gespräch umfangreich dazu geäußert. Er wiederholte immer wieder, dass er die Entscheidung nicht nur versteht und akzeptiert, sondern dass er sie auch für richtig hält, im Anblick der Entwicklung seiner Lage über die letzten Jahre.
Rückkehr nach Alaska
Am letzten Mittwoch ist Mark abgereist, zurück nach Juneau in Alaska, wo er sich zunächst gesundheitlich und wirtschaftlich erholen und dann in der Medienlandschaft Alaskas ein neues Tätigkeitsfeld finden will, vorzugsweise in abgelegenen Gemeinden.
Mark Sabbatini beim Abschied von Longyearbyen am letzten Mittwoch. Foto: Icepeople.
Icepeople will er weiter betreiben, die Seite wird also Mark zufolge eine wichtige Informationsquelle für das internationale, Spitzbergen-interesierte Publikum bleiben, mit vielen, detaillierten Infos zum Ortsgeschehen in Marks eigener, von feinem Humor geprägter Schriftsprache, die nicht mit Muttersprachlerkenntnissen ausgestatteten Lesenden durchaus etwas abverlangen können.
Seine eigenen Muttersprachlerkenntnisse hat Mark übrigens in den letzten Jahren immer wieder bei meinen englischsprachigen Publikationen bezahlterweise in den Korrekturprozess eingebracht, von kürzeren Texten wie in Svalbardhytter und auf Teilen dieser Webseite bis hin zu längeren Texten bei englischen Neuauflagen des Spitzbergen-Reiseführers. Das soll laut Mark auch so bleiben können.
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