Schön ist es, abseits der Zivilisation in der arktischen Natur unterwegs zu sein, wie nun bis Mittwoch (27.7.) mit der Antigua. Ohne Verbindung zur Nachrichtenwelt draußen, von einer schmalen Satellitenverbindung abgesehen, die aber keinen echten Nachrichtenstrom erlaubt.
Zurück in der Zivilisation, ändert sich das direkt wieder. Die Nachrichten aus der Welt sind weitgehend deprimierend, aber natürlich nicht das Thema dieser Seite. Leider sind aber auch die Nachrichten aus Spitzbergen überwiegend alles andere als Gutelaunemacher.
So fragt man sich, was in manche gefahren ist, die in Spitzbergen im Tourismus aktiv sind und Schiffe oder Boote steuern. Zwei größere französische Expeditionskreuzfahrtschiffe (oder: kleinere Kreuzfahrtschiffe, wie man will) hatten nicht die erforderlichen Papiere für ihre Waffen an Bord; insgesamt sollen etwa 50 Gewehre beschlagnahmt worden sein. Da kann man sich schon wundern. Immerhin sind hier wohl „nur“ Fehler auf dem Papier vorgekommen und nicht während der Navigation oder unterwegs in der Natur, wo grobe Fehler schlimmere Folgen haben können.
Wie der folgende Fall zeigt. Nach der Virgo vor einigen Wochen ist nun mit der Ocean Atlantic ein größeres Expeditionskreuzfahrtschiff (oder: s.o.) der Reederei Albatross Expeditions auf Grund gelaufen. Dabei wurde offenbar der Rumpf beschädigt, so dass es zum Eindringen von Wasser kam. Als ob das noch nicht genug wäre, wurde offenbar entschieden, die Seefahrtsbehörden nicht zu informieren. Diese hätten für den Fall einer Eskalation der Situation Bereitschaftskräfte vor Ort bringen können, die im Falle eines Falles unmittelbar hätten eingreifen können. Da die Behörden aber nicht informiert wurden, geschah das auch nicht. Es erübrigt sich beinahe zu schreiben, dass eine entsprechende, unmittelbare Meldung verpflichtend ist. Man muss von Glück reden, dass nichts weiter passiert ist; die Mannschaft konnte den Vorfall an Bord kontrollieren. Irgendwer hat sich dann wohl doch hinreichend unwohl gefühlt und zum Telefon gegriffen. Bald darauf wurde die Ocean Atlantic von der Küstenwache nach Longyearbyen eskortiert, wo sie nun für weitere Prüfungen vor Anker liegt. Bei früheren Prüfungen in diesem Jahr soll das Schiff schon mehrfach mit jeweils mit mehr als 20 ernsthaften Abweichungen bei wichtigen Sicherheitsaspekten aufgefallen sein.
Kommentar: ungläubiges Kopfschütteln.
Die Ocean Atlantic im Hafen von Longyearbyen.
Im Vergleich beinahe eine Lappalie, aber dennoch ernsthaft und ebenfalls Kopfschütteln auslösend, ist der Fall der Hondius. Von dieser aus fuhr neulich im Kongsfjord eine kleine Flotte von Zodiacs zu einer kleinen Insel, um einen Eisbären aus größerer Nähe zu beobachten. Ob es hierbei zu einer Störung des Eisbären oder gar zu einer Gefährdung kam, ist wohl offen; Aussagen hierzu sind widersprüchlich. Zeugen aus Ny-Ålesund sprechen davon, dass die Boote „zu einer Zeit geschätzt etwa 50 Meter“ vom Eisbären entfernt waren. Das ist ganz klar keine Distanz, die mit Blick auf eventuelle Störung oder Gefährdung von Mensch oder Tier prinzipiell besorgniserregend erscheinen müsste. Mehr kann man dazu nicht sagen, ohne den konkreten Vorgang im Detail zu kennen.
Was aber klar ist: Die betreffende Insel ist ein Vogelreservat. Vom 15. Mai bis zum 15. August ist ein Abstand von 300 Metern gesetzlich vorgeschrieben, und der gilt auch für Boote auf See. Diese Regel gilt für die betreffenden Inseln (und andere) schon seit Jahrzehnten.
Kommentar: Auch hier schüttelt der Beobachter sich verwundert den Kopf und fragt sich, wie das passieren konnte. Etwas anderes als frappierende Ahnungslosigkeit bezüglich schon lange geltender Regeln fällt diesem Autor als mögliche Erklärung nicht ein. Das dürfte einer Firma, die hier schon seit Jahrzehnten im Geschäft ist, nicht passieren; man darf erwarten, dass auf jedem Schiff, zumal auf einem großen Schiff mit Platz für deutlich mehr als 100 Passagiere, mindestens der Expeditionsleiter erfahren genug ist, um die wichtigen Regeln zu kennen. Der Vorfall wird die Diskussion um eine Zertifizierung der Guides sicher weiter befeuern, und das aus gutem (beziehungsweise: ungutem) Grund. Leider verläuft auch diese prinzipiell sinnvolle und wichtige Diskussion in eine wenig sinnvolle Richtung, aber das ist ein anderes Thema.
Es ist beste sommerliche Hauptreisezeit im Norden, aber viele sind gestrandet, kommen nicht in den Urlaub oder nicht wieder nach Hause oder hängen irgendwo dazwischen fest.
Der Pilotenstreik bei SAS, der am Montag begann, geht weiter. Leider gibt es bislang keine guten Nachrichten, soweit bekannt, scheinen die Konfliktparteien derzeit nicht einmal miteinander zu reden, zumindest nicht offiziell. Das ist kaum vorstellbar in Anbetracht der Tatsache, dass länderübergreifend zentrale Infrastruktur lahmgelegt ist, aber es scheint tatsächlich so zu sein.
SAS oder Norwegian: dieses Mal wurde es zum Glücksspiel.
Für unsere Reise „Spitzbergen unter Segeln“ mit der Antigua, die am Samstag beginnen soll, sind heute und morgen für viele die zentralen Anreisetage. Wer glücklicherweise einen Flug bei Norwegian gebucht hat, hat keine Probleme mit dem Streik zu erwarten. Für all diejenigen, die einen Flug mit SAS gebucht haben, sind die Aussichten nun aber unsicher. Zwar ist etwa der SAS-Flug von Oslo nach Longyearbyen am Freitag – Stand Donnerstag 8 Uhr früh – noch nicht storniert, aber man kann wohl vermuten, dass das nur eine Frage der Zeit ist.
Da zerbrechen über Jahre gehegte Reiseträume. Auf diese Reise wollte etwa ein junger Mann mitkommen, der wirklich im Schüleralter jahrelang das Sparschwein gefüllt hat, um sich den lang gefüllten Traum von Spitzbergen zu ermöglichen. Um nur ein (bewegendes) Beispiel zu nennen. Und jetzt das.
Noch ist nicht aller Tage Abend, noch dürfen wir hoffen, dass sich etwas zum Guten bewegt. Wir hoffen, dass möglichst viele von Euch doch noch möglichst bald den Weg nach Longyearbyen finden. Dann wird auch die Antigua wieder den Weg dorthin finden und Euch gerne mitnehmen. Von all dem Daumendrücken hat man mittlerweile Muskelkater, aber wir drücken weiter! Ich weiß, das erscheint dünn, aber so sehr wir es uns wünschen würden, haben wir einfach nicht mehr als das in der Hand.
Was alles Weitere betrifft, so bitten wir alle gebuchten Teilnehmenden, Kontakt mit der Geographischen Reisegesellschaft aufzunehmen, soweit nicht schon geschehen, und auch die Informationen dort auf der Webseite in der Rubrik „Neues & Reiseblog“ zu beachten.
Als ob 2 Jahre Corona nicht genug wären: seit gestern sind die Piloten der skandinavischen Fluggesellschaft im Streik, und damit fallen derzeit täglich bis zu 250 Flüge aus.
Das schließt, nach aktueller Meldung der Svalbardposten, auch Flüge nach Longyearbyen ein.
SAS, bitte einigt euch!
Der Streik wurde nach Auslaufen einer Verhandlungsfrist Montag Mittag ausgerufen.
Alle betroffenen Reisenden müssen nun mit Unsicherheit und wohl oft auch Frustration umgehen, sollten aber daran denken, dass der gesellschaftliche Druck in Skandinavien sehr hoch ist und intensiv an einer Verhandlungslösung gearbeitet wird. Es ist also zumindest eine reelle Möglichkeit, dass der Streik jederzeit wieder beendet wird.
Die norwegische Verbraucherzentrale rät allgemein, zunächst abzuwarten und nicht gebuchte Flüge selbst voreilig zu stornieren, einmal mit Blick auf ein mögliches Streikende, aber auch um Fluggastrechte nicht zu verlieren.
Die Möglichkeiten einer sinnvollen, also zeitnahen Umbuchung zu einem Ziel wie Longyearbyen, das nicht per Bus oder Bahn erreichbar ist, sind ohnehin derzeit praktisch nicht gegeben.
Kommentar
Was soll man sagen – wie ganz sicher sehr viele andere jetzt auch, könnte ich nun den ganzen Tag lang in hohem Bogen kotzen. Am Samstag wollen wir mit der Antigua los, es soll die erste lange Sommerfahrt seit 2019 werden. Viele haben sich lange, sehr lange, auf diese Fahrt gefreut, und nun sind wir mit dieser erheblichen Unsicherheit konfrontiert. Und natürlich betrifft das noch viel mehr Reisende, die Pläne haben, in die ich nicht involviert sind, auch denen drücke ich alle Daumen.
Leider habe ich keinen besseren Rat als abzuwarten, die Entwicklung zu beobachten und das Beste zu hoffen. Noch sind mehrere Tage Zeit, und sobald die Piloten und die SAS sich geeinigt haben, wird der Flugbetrieb sehr schnell wieder aufgenommen werden. Der Druck auf beide Seiten ist hoch.
Was unsere Antigua-Mitreisenden betrifft: Uwe Maaß von der Geographischen Reisegesellschaft wird bald Kontakt aufnehmen. Leider hat auch Uwe weder einen direkten Draht zum lieben Gott noch eine Kristallkugel, aber immerhin ein paar Hinweise.
Die Sache beschäftigt Norwegen und Russland nun schon eine Weile: Eine Lieferung, die primär Lebensmittel umfassen soll und für Barentsburg bestimmt ist, hängt an der Grenze zwischen Nordnorwegen und Russland fest. Die Ladung sollte auf dem Landweg von Russland nach Tromsø gebracht und dort auf ein Schiff verladen werden.
Barentsburg in helleren Zeiten (2019).
Wegen der nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine verhängten Sanktionen verweigert Norwegen jedoch die Einreise. Zwar sichert der Spitzbergenvertrag allen Unterzeichnerstaaten, darunter Russland, den freien Zugang, was nach norwegischer Ansicht jedoch nicht automatisch das Recht auf einen Transportweg durch das norwegische Festland einschließt. Russland habe, so Norwegen, jederzeit die Möglichkeit, Barentsburg auf dem Seeweg von einem eigenen Hafen aus zu beliefern. Spitzbergen ist vom Hafenverbot für russische Schiffe ausgenommen, auch eine Anfrage für eine Ausnahme vom Landeverbot für russische Flugzeuge würde man bei Bedarf in Erwägung ziehen, heißt es.
Russland reagiert darauf mit Verärgerung, politischen Drohungen – Norwegen breche wieder einmal den Spitzbergenvertrag – und mutmaßlich mit Hackerangriffen auf öffentliche Webseiten in Norwegen. Cyberangriffe hat es in den letzten Wochen mehrfach gegeben, Norwegen bringt diese mit russischen Hackergruppen in Verbindung.
Die Versorgung in Barentsburg ist bislang stabil; man habe andere Lieferanten, heißt es dort. Zwischendurch war NRK zufolge auf russischer Seite von einer drohenden Versorgungskrise die Rede, was in Norwegen als Überreaktion bezeichnet wurde.
Hier wie auch in den folgenden Monaten – wenn alles nach Plan läuft, man weiß ja nie – werde die Arktis im Fernsehen verpassen, denn es gibt Arktis live und in Farbe vor Ort, und wer will, kann wie üblich bis Ende September im Reiseblog dabei sein, der auf der gleichen Seite erscheint wie dieser Beitrag.
Arktis Fernsehtipps: Der Fernseher in der Ritterhütte auf Gråhuken.
Der Empfang ist dort mitunter allerdings eher schlecht.
Die Listen werden bei Bedarf aktualisiert. Sachdienliche Hinweise werden von jeder Spitzbergen.de-Dienststelle entgegengenommen.
Vielleicht ist es der Jahreszeit geschuldet, dass die Liste recht kurz ausfällt. Aber gerade im Sommer könnte man doch etwas gedankliche Abkühlung gut gebrauchen, oder nicht?
Margas Arktis-Fernsehtipps auf Arte im Juli
Samstag, 02.07., 11.55 Uhr: „Wildnis Europa: Der Moschusochse“ (D/F/A 2022)
Dienstag, 05.07. 09.25 Uhr: „Mittsommer in Norwegen: Südlich vom Polarkreis“ (D 2021)
Dienstag, 05.07., 10.20 Uhr: „Mittsommer in Norwegen: Nördlich vom Polarkreis“ (D2021)
Sonntag, 10.07., 10.25 Uhr (Wiederholung): „Mittsommer in Norwegen: südlich vom Polarkreis“
Sonntag, 10.07., 11.20 Uhr (Wiederholung): „Mittsommer in Norwegen: nördlich vom Polarkreis“
EA = Erstausstrahlung auf Arte.
Margas Arktis-Fernsehtipps auf anderen Programmen
Montag, 18.07., täglich bis Donnerstag, 21.07., und Samstag, 23.07:, jeweils 19.50 Uhr, MDR: „BIWAK“, mit verschiedenen Zielen in Island. Jetzt schon in der ARD Mediathek zu sehen. Mit unserem Guide-Kollegen Daniel Höhne („lebedeinereise“), der einigen sicher von unseren Antigua-Fahrten in Spitzbergen im September bekannt ist!