Es ist die Nachricht, auf die man schon seit Jahren gewartet hat, in der Hoffnung, dass sie in dieser Form nicht kommt: zum 1. Januar 2025 sollen die neuen Regeln in Kraft treten, die festlegen, was in großen Teilen Spitzbergens noch erlaubt ist – und was nicht. Nun hat die norwegische Regierung ihren Beschluss veröffentlicht.
Es kommt weitestgehend so, wie es schon vor Jahren angekündigt wurde. Gerade unter denen, die im Tourismus tätig oder als Reisende interessiert sind, hatten viele gehofft, dass die Regierung einige der neuen Regeln nach der vielfachen, teilweise harschen Kritik noch mal überdenken würde, aber das ist nicht passiert.
Die rot dargestellten Schutzgebiete werden ab Januar 2025 weitgehend gesperrt.
Die wichtigste Änderung dürfte wohl sein, dass die großen Schutzgebiete, also die Nationalparks und Naturreservate, für Touristen im Grundsatz gesperrt sind. Diese Gebiete umfassen große Teile Spitzbergens, wie in der Karte dargestellt.
Die Änderungen
Die wichtigsten Änderungen im Überblick, soweit sie bislang bekannt sind. Manches wird von den bislang noch unbekannten genauen Formulierungen des neuen Gesetzes abhängen:
Die Schutzgebiete sind ab 2025 für Touristen weitgehend gesperrt. Zugänglich sein sollen dann nur noch 43 von der Regierung ausgewählte Lokalitäten. Ausgenommen ist, wer auf eigene Faust unterwegs ist sowie die Lokalbevölkerung.
Schiffe dürfen in den Schutzgebieten nicht mehr als 200 Passagiere an Bord haben.
Drohnen dürfen in den Schutzgebieten nicht mehr verwendet werden.
Geschwindigkeitsbeschränkung auf 5 Knoten innerhalb von 500 Metern um bestimmte Vogelkolonien.
Mindestabstände zu Walrossliegeplätzen: 150 Meter für motorisierte Boote, Maximalgeschwindigkeit von 5 Knoten innerhalb von 300 Meter um Walrossliegeplätze.
Mindestabstände zu Eisbären, wahrscheinlich werden 300 Meter vorgeschrieben.
Verbot, festes Eis zu brechen (Ausnahmen für Schifffahrtswege nach Longyearbyen, Barentsburg, Ny-Ålesund und für die Küstenwache).
Die Genehmigungspflicht für Zelten und Lager wird ausgeweitet.
Fahrverbote auf Fjordeis werden ausgeweitet.
Manche dieser Punkte entsprechen bereits der schon länger üblichen guten Praxis.
Die Konsequenzen
Für größere Schiffe, etwa zwischen 100 und 200 Passagieren Kapazität, die schon jetzt hauptsächlich bestimmte Standard-Landeplätze anlaufen, muss sich dadurch nicht unbedingt allzu viel ändern. Für private Yachten gilt wohl weiterhin „freie Fahrt“, auch an Land in den Schutzgebieten. Hart getroffen werden aber kleinere Schiffe mit längeren Fahrten, die ihre Landestellen bislang flexibel je nach Wind, Wetter und Eis ausgesucht haben.
Kommentar
Natürlich bin ich befangen. Wer schon mal mit mir in Spitzbergen unterwegs war, weiß, das der letzte Satz im vorhergehenden Abschnitt („Hart getroffen werden …“) genau das beschreibt, was ich über viele Jahre hinweg schwerpunktmäßig gemacht habe. Eine neutrale Beobachterposition kann ich daher für mich kaum in Anspruch nehmen.
Dennoch meine ich und ich erlaube mir, es hier zum wiederholten Male zu sagen, dass die neuen Regeln in die falsche Richtung gehen. Selbst in der Annahme, dass sie im Sinne der Umwelt gut gemeint sind – wo ich mir nicht einmal sicher bin, dafür sind sie teilweise zu absurd, auch im Blick darauf, dass Norwegen weiterhin Fischerei auch in den fraglichen Gebieten weiter zulassen wird (etwa die besonders umweltschädliche Fischerei mit Grundschleppnetzen in Tiefen größer als 100 Meter in der Hinlopenstraße), künftig weiter auf Öl und Gas auch in der Barentsee setzen will und gerade erst wesentliche Schritte getan hat, um große Teile des Meeresbodens im Nordatlantik für Tiefseebergbau zu öffnen. In diesem Gesamtbild wirkt es besonders absurd, so zu tun, als würde der Umweltschutz gerade an den Touristen hängen.
Was natürlich nicht heißt, dass es nicht Sinnvolles zu tun gäbe. Dazu gleich noch ein paar Worte.
Wanderung in kleiner Gruppe auf dem Nordaustland: wird es ab 2025 kaum noch geben.
Die wenigen verbleibenden Landestellen in den Schutzgebieten werden größere Schiffe wohl weitgehend unter sich aufteilen, wahrscheinlich lange vor der Saison mittels eines brancheninternen Buchungssystems. Und private Yachten, die mangels regionaler Erfahrung und Regelkenntnisse erfahrungsgemäß in Bezug auf Umweltverhalten oft problematischer sind als ein gut geführtes Schiff mit 50 oder auch 100 Passagieren, werden wohl auch nicht erfasst.
Es käme eben darauf an, eine gute Balance zwischen einer nach oben gedeckelten Quantität und einer nach unten gedeckelten Qualität herzustellen.
Natürlich hätte es Bedarf und Möglichkeiten gegeben, sinnvolle Regeln einzuführen. Auch wenn es nun hinfällig ist – wie schon so oft gesagt, gäbe es, um nur ein paar Beispiele zu nennen, etwa die Möglichkeit, Passagierzahlen weiter als bislang zu reduzieren, etwa auf eine maximale Zahl von beispielsweise 100 Passagieren für Schiffe, von denen aus Landgänge durchgeführt werden dürfen. Dazu wäre eine Deckelung der Zahl der Schiffe möglich, die mit Touristen in der Zwölfmeilenzone fahren dürfen. Wie in manchen US-amerikanischen Nationalparks könnte man hierzu eine gedeckelte Zahl von Permits vergeben. Das hätte man idealerweise bereits beispielsweise 2010 oder 2012 gemacht (als eine ähnliche Diskussion schon mal im Gang war) und den Verkehr damit im damaligen Umfang eingefroren. Es ist das seitdem erfolgte Wachstum, das viele mit Unbehagen beobachten (dazu zähle ich mich auch). Aber wenn die Menge das Problem ist, warum deckelt und reduziert man nicht die Menge, sondern stattdessen Qualität und Bewegungsfreiheit gerade der Schiffe, die im Gesamtbild eher unerhebliche Besucherzahlen bringen? Eine behutsame Reduzierung auf bestimmte Landeplätze hätte man für größere Schiffe einführen können, auf die etwa erheblich größere Vegetationsschäden zurückgehen, ohne auch den kleinen Schiffen unnötigerweise die Bewegungsfreiheit zu nehmen.
Hinsichtlich der schon erwähnten „nach unten gedeckelten Qualität“ läge in einem guten Zertifizierungsschema für Guides viel Potenzial. Ein amtlich gesichertes Mindestniveau in Bezug auf Regelkenntnis und gute Praxis in Bezug auf Umwelt und Sicherheit, verpflichtend für alle – ALLE! – beispielsweise außerhalb des Verwaltungsgebietes 10 (ein großes Gebiet um Longyearbyen herum, von der Westküste bis fast zur Ostküste) würde viele Probleme lösen.
Schade, hier wurde eine Chance verpasst, viele wichtige Dinge sinnvoll zu gestalten. Klima- und Umweltminister Andreas Bjelland Eriksen, seit Herbst 2023 im Amt, hinterlässt mit seinen Kommentaren gegenüber Svalbardposten auch nicht den Eindruck, sich intensiv und praxisnah mit der Sache beschäftigt zu haben. Bis 2023 war Eriksen übrigens Staatssekretär im Ministerium für Erdöl und Energie.
Und wie weiter?
Wie gesagt, ich stehe nicht auf neutralem Posten. Abschließend ein paar Worte in eigener Sache.
Wie wir ab 2025 weitermachen werden, wird sich noch zeigen. Erst mal muss, um es zu sagen, wie es ist, der Schock verarbeitet werden, und die Pläne für 2025 müssen nicht jetzt am Wochenende fertig werden.
Und wie ebenfalls schon öfter gesagt: Wer Spitzbergen noch einmal so erleben will, wie wir das nun etliche Jahre lang tun durften, hat also diesen Sommer (2024) die letzte Gelegenheit dazu. Was nicht heißt, dass es 2025 überhaupt nicht weitergeht, aber lange Fahrten in den abgelegenen Gebieten wird es nicht mehr geben, soviel steht fest. Wer will, sollte 2024 dabei sein. Was uns betrifft, haben wir auf der Arctica II im August noch Plätze frei, ansonsten sind die Fahrten bis auf ein paar wenige Restplätze weitgehend voll.
Und wer dabei ist: Glückwunsch! Alles richtig gemacht!
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