Nicht ganz ernstzunehmende Einleitung
Ob man es glaubt oder nicht, aber ich mache mir tatsächlich auch Gedanken über die Überschrift. In diesem Fall war es eine Versuchung, etwas in der Art von „China kauft Spitzbergen“ oder so zu schreiben. Wäre diese Seite die BLÖD-Zeitung, hätte ich das wohl auch getan. Aber glücklicherweise ist diese Seite kein „Bolle-wart“ Medium. Ich weiß auch gar nicht, wer Bolle ist und auf wen er warten soll.
Entschuldigung, da sind mir kurz humoristisch die Pferde durchgegangen. Also doch BLÖD ..?
Grundbesitz in Spitzbergen: so ging es los
Jetzt aber ernsthaft. Worum geht es also?
Man muss etwas ausholen. Der Grund und Boden Spitzbergens war nach der wilden Bergbauzeit im frühen 20. Jahrhundert in einem recht breiten Streubesitz, nachdem eine größere Anzahl verschiedener Bergbaugesellschaften Ansprüche auf das damals noch herrenlose Land erhoben hatte. Das Spektrum reichte von Abenteurern und Glücksrittern bis hin zu größeren Gesellschaften, die über Erfahrung und Kapital verfügten, wie die American Coal Company von John Munro Longyear, auf die die Gründung von Longyearbyen (damals Longyear City) im Jahr 1906 zurückgeht.
Im Recherchefjord sind 60 Quadratkilometer Land für 300 Millionen Euro im Angebot.
Das ufernahe Gelände im Vordergrund gehört dazu.
Vielen der kleineren Gesellschaften ging schnell das Geld aus und es kam oft gar nicht zu nennenswerten Aktivitäten vor Ort. Vielfach gab es räumlich überlappende Ansprüche. Es dauerte Jahre, die Verhältnisse zu klären, was geschehen musste, bevor der Spitzbergenvertrag 1925 schließlich in Kraft treten konnte.
Auch nach 1925 haben viele kleinere Gesellschaften oder deren Nachfolger und Erben ihre Rechte zu Geld gemacht. Das geschah meist, als schon längst klar war, dass die Ansprüche ohnehin nicht mehr zu Bergbau oder anderer Nutzung vor Ort führen würden. Fast immer hat sich letztlich der norwegische Staat alle Rechte am Grund und Boden gesichert, sowohl Bergbaurechte als auch Grundbesitz. Mittlerweile gehören etwa 99 % des Grundeigentums in ganz Svalbard dem norwegischen Staat. Der Rest gehört teilweise der russischen Gesellschaft Trust Arcticugol (Barentsburg, Pyramiden) – und dann gibt es immer noch die Kulspids AS, eine von vielen kleinen Aktiengesellschaften (norwegisch: AS), die früh im 20. Jahrhundert gegründet wurden, um Bodenschätze zu erkunden und möglichst auszubeuten.
Die Kulspids AS
Die Kulspids AS sicherte sich damals unter anderem ein Gelände von immerhin 60 Quadratkilometern im inneren Recherchefjord, wo es unter anderem um Asbest ging. Die Gesellschaft ist immer noch Inhaberin der Besitzrechte, und diese sollen nun zu Geld gemacht werden, wie Bloomberg zuerst berichtete. Die Meldung wurde bald von mehreren norwegischen Medien aufgegriffen, darunter NRK.
„All bidders welcome“ – jeder kann bieten, Personen, Firmen und Staaten. Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass beispielsweise auch China den Besitz erwerben könnte, wenn das Geld stimmt. Natürlich fehlt auch der Hinweis auf die geopolitische Bedeutung des Grundbesitzes nicht.
Geopolitisch bedeutsam – oder auch nicht
Worin die geopolitische Bedeutung genau liegen soll, bleibt aber offen: Auch der neue Eigner wird sich an geltendes Recht wie das Spitzbergen-Umweltgesetz (Svalbardmiljølov) halten müssen, und an den Spitzbergenvertrag sowieso. Damit ist so ziemlich jede Nutzung vor Ort ausgeschlossen. Auch China als Eigner könnte kein Hotel, keinen Hafen, kein Bergwerk, keine Forschungsstation und schon gar keine Militärbasis bauen. Worin der geopolitische Nutzen abseits von Prestige und Aufmerksamkeit in Medien und Politik bestehen würde, ist also fraglich.
Forscher Andreas Østhagen vom Fridtjof Nansen Institut empfiehlt der norwegischen Regierung laut Svalbardposten entsprechend, sich nicht zu einem teuren Kauf treiben zu lassen – als Mindestangebot ist die stolze Summe von 3,5 Milliarden Kronen festgesetzt, immerhin 300 Millionen Euro. Zum Vergleich: beim letzten Verkauf dieser Art ging es 2014 ebenfalls um ein riesiges Areal auf der Nordseite des Adventfjords. Hier sicherte die norwegische Regierung sich den Besitz zu einem Preis, der wegen seiner Höhe schon damals umstritten war – etwa ein Zehntel des heute aufgerufenen Mindestgebots. Da das Gelände, um das es damals ging, nicht in einem Nationalpark liegt, wäre damals auch ein Bergwerk o.ä. zumindest theoretisch möglich gewesen.
Die Hinweise auf die geopolitische Bedeutung des Grundstücks im Recherchefjord oder auf China als möglichen Käufer dürften derzeit eher Getrommel sein, um den Preis in die Höhe zu treiben. Es ist nicht bekannt, dass ein potenzieller, ernstzunehmender Käufer bereits Interesse bekundet hätte.
In jedem Fall wird mit dem angestrebten Verkauf – wenn er realisiert wird, an wen auch immer – dann die Zeit, in der größere Grundstücke in Spitzbergen den Besitzer wechseln, zu Ende gehen. Danach werden nur noch ein paar sehr kleine Grundstücke, etwa bei einzelnen Hütten, in Privatbesitz sein. Privater Grundbesitz ist in Spitzbergen weitestgehend unüblich; auch wenn man etwa ein Haus in Longyearbyen besitzt, gehört der Grund und Boden fast immer dem Staat.
Wer lieber mit Paypal spenden will, kann das auch tun, hier sind Einmal- und Mehrfachzahlungen möglich: