Die russische Helikopterfirma Spark Plus hatte vom Sysselmannen ein Bußgeld von 50.000 NOK (ca. 5.400 Euro) bekommen, aber nicht akzeptiert. Nun kommt der Fall vor Gericht: Ab 09. März 2009 wird in Longyearbyen verhandelt.
Der Fall ist juristisch kompliziert und wird möglicherweise durch mehrere Instanzen gehen. Er hat weit über die betreffenden Flüge hinaus Bedeutung, da es um die weitergehende Deutung des Spitzbergen-Vertrages geht: Was dürfen (nicht-norwegische, laut Vertrag theoretisch gleichberechtigte) Akteure, was können norwegische Behörden verbieten? Der Spitzbergen-Vertrag räumt allen Unterzeichnern – darunter auch Russland – gleiche Rechte ein. Das norwegische Luftfahrtgesetz erlaubt kommerzielle Flüge jedoch nur norwegischen Firmen.
Über den Rechtstreit zwischen Russen und Norwegern bezüglich der kommerziellen Nutzung russischer Hubschrauber in Spitzbergen wurde weiter unten auf dieser Seite schon berichtet (siehe hier).
Darf alles: norwegischer Hubschrauber im Auftrag des Sysselmannen. Aber was dürfen andere?
Möglicherweise wird motorisierter Verkehr im Bolterdalen künftig jeweils ab 01. März verboten. Das Bolterdalen, ein Nebental des Adventdalen östlich von Longyearbyen, ist im Frühjahr bislang eine oft genutzte Motorschlittenroute z.B. auf dem Weg nach Sveagruva.
Befürworter von umweltfreundlichem Tourismus wie Hundeschlitten im Rahmen des stark von Motorschlitten geprägten Wintertourismus in Spitzbergen fordern seit langem die Ausweitung der »scooterfreien« Zonen.
Das »Svalbard Integrated Arctic Earth Observing System« (SIAEOS) Projekt soll der Erforschung von Umwelt und Klima mit den Komponenten Land, Meer, Eis und Atmosphäre dienen. Zu diesem Zweck werden von der EU zunächst einmalig 400 Millionen NOK (ca. 43 Millionen Euro) investiert und dann ein jährliches Budget von 70 Millionen NOK (knapp 8 Millionen Euro) zur Verfügung gestellt.
Wichtiger Teil der Forschungsinfrastruktur in Spitzbergen: das EISCAT-Radar bei Grube 7 im Adventdalen.
Von den Plänen, die großen Naturreservate im Osten Svalbards für organisierten Tourismus weitgehend zu sperren, war auf dieser Nachrichtenseite bereits mehrfach die Rede (siehe April und Oktober). Mittlerweile kocht die öffentliche Diskussion hoch, wie eine Reihe von Artikeln und Leserbriefen in der Lokalzeitung Svalbardposten zeigt, dem üblichen Diskussionsforum. Es wird u.a. die undemokratische, intransparente Vorgehensweise der Behörden kritisiert sowie der Umstand, dass das Norwegische Polarinstitut, dessen Eingaben maßgeblich für die diskutierte Beschränkung sind, selbst der größte Akteur im betroffenen Gebiet ist. Lokalpolitiker fordern, Bewohner Spitzbergens »positiv zu diskriminieren«.
Ebenfalls kritisiert wird, dass die argumentative Grundlage für die Sperrung so großer Gebiete auf das »vorgreifende Prinzip« sowie auf die Forderung einiger Forscher nach »großen, zusammenhängenden, unberührten Referenzgebieten« beschränkt ist, was sehr dünn erscheint, v.a. da die besagte Forderung »der Wissenschaft« von befragten Forschern gar nicht unterstützt wird.
Folgende Zitate mögen den Vorgang erhellen:
»Tourism as it is currently managed is not an environmental problem in Svalbard« (Tourismus ist in seiner heutigen Form in Svalbard kein Umweltproblem)
(Arne Malme, Umweltschutzleiter beim Sysselmannen. Oktober 2008)
»I like strikt rules as long as they are there for others but not for me« (Ich mag strenge Regeln, solange sie für andere gelten, aber nicht für mich)
(ein dem Verfasser bekannter Polarforscher. Sommer 2008)
Künftig sollen im Osten der Inselgruppe Landungen im Rahmen des organisierten Tourismus nur noch an den grün markierten Stellen erlaubt sein (wobei mitunter noch lokale Einschränkungen bestehen). An den roten Küstenlinien sollen Landungen nicht mehr erlaubt sein. Für eine größere Version dieser Karte aufs Bild klicken.
Was vor Ort durch die vielen Kadaver schon offensichtlich war, ist nun »amtlich«, weil wissenschaftlich durch Zahlen belegt: 2008 war kein gutes Jahr für die Rentiere Spitzbergens. Im Frühjahr hatte sich während einer Tauperiode mit anschließendem Frost eine Eiskruste auf der Tundra gebildet, die den Zugang zu Nahrung erheblich schwerer machte. Im April waren die Tiere im Durchschnitt 21 % leichter als normal, und im Juni hatten nur 10 % der ausgewachsenen weiblichen Tiere Kälber.
Starke Schwankungen der Rentierpopulation von Jahr zu Jahr sind in Spitzbergen natürlich und können in guten Jahren recht schnell wieder ausgeglichen werden.
Dieses Jahr nicht gut drauf: Spitzbergen-Rentiere im De Geerdalen (Juli 2008).