Wieder zurück zu Spitzbergens schönen Seiten, die dieses Jahr noch ferner und unerreichbarer liegen als sonst. Für dieses Tour nach Pyramiden hat es mehrere Anläufe gebraucht. Auf Spitzbergen ist ja fast alles wetterabhängig. Nach Pyramiden sind es auf dem Seeweg über 50 Kilometer, und unser Boot war ja nun nicht die Antigua. Da sollte das Wetter schon passen. Aber das tat es dann auch und mit einer kleinen Pause in der Skansbukta ging es in den Billefjord.
Pyramiden
Dort konnten wir die Gastfreundlichkeit im Hotel Tulipan in Pyramiden genießen. In Pyramiden hat sich in jüngerer Zeit ja einiges getan, das Hotel wurde aufgeputzt – die neue Bar ist sehr schön und die Küche hervorragend; dass die alten Zimmer nicht zumindest wahlweise noch verfügbar sind, ist etwas schade – und ins Kulturhaus ist mittlerweile auch wieder Leben eingezogen. Und es wird weiter gebaut und gemacht. Wir dürfen gespannt sein und freuen uns schon auf künftige Besuche.
In Pyramiden wird fleißig renoviert, oder zumindest erhalten. Hier die alte Kantine.
Devonische Wälder im Munindalen
Aber uns hat dieses Mal mehr die Natur gelockt. Und zwar wollten wir einen Waldspaziergang machen. Das kann man bei Pyramiden tatsächlich machen. Im Munindalen, genauer gesagt. Man kann zwar nicht im Wald spazieren, aber immerhin zum Wald. Dieser wuchs im Devon, vor über 350 Millionen Jahren, wahrscheinlich in einer Flussaue. Dann wurden die Schuppenbäume bei einem Hochwasser vom Schlamm bedeckt … und versteinerten. So sind sie noch heute zu sehen, senkrecht stehend, so wie sie einst wuchsen („in situ“, wie der Geologe sagt). Einer der ältesten Wälder der Welt.
Abdruck eines Schuppenbaums aus dem Devon im Munindalen.
Vor dem Devon war nicht viel mit Bäumen auf Erden. (Falls jemand ähnliche Fossilien in Pyramiden selbst gefunden hat: die sind aus dem Karbon, wie auch die Kohle, also deutlich jünger als die devonischen Bäume im Munindalen). Das ist es schon wert, sich nasskalte Füße zu holen, um einen Blick auf die Abdrücke zu werfen (oder nicht, wie wir, die Gummistiefel vergessen …) – mit Glück sieht man auch Positive; der Aufschluss besteht aus einer kleinen Steilwand direkt am Fluss und verändert sich daher immer wieder.
Sogar die Rentiere waren früher in Pyramiden größer als sonstwo 😉
Ernsthaft: hier grasten früher Pferde.
Schließlich kam der Nebel, der Longyearbyen mehrere Tage lang von der Außenwelt abschnitt (bei dichtem Nebel landen Flugzeuge dort nicht). Die Rückfahrt nach Longyearbyen verlief über weite Strecken mit dem GPS in der Hand 🙂
Wer Lust hat, mal wenigstens digital einen Ausflug nach Pyramiden zu machen, bis Spitzbergen wieder reell besser zugänglich wird – es gibt ja eine ausführliche Panorama-Seite zu Pyramiden.
Galerie: Pyramiden und Munindalen
Ein paar Eindrücke von der Fahrt ab Longyearbyen via Skansbukta, von Pyramiden und aus dem Munindalen.
Bei all den schlechten Nachrichten der letzten Wochen wie Reisehindernissen wegen potenziell tödlicher Viren und dem Angriff eines absolut tödlichen Eisbären fällt es mitunter schwer, den Blick für die schönen Seiten Spitzbergens, wenn schon nicht des Lebens, zu verlieren. Es wird Zeit für ein paar Bilder, die genau diese schönen Seiten in Erinnerung rufen sollen.
Es ist mittlerweile schon wieder einige Wochen her, aber das macht ja nichts. Der Isfjord lag glatt wie ein Spiegel und die Fahrt von Longyearbyen zum Kapp Thordsen im kleine Zodiac lief wie im Tiefflug.
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Die dramatische Geschichte des Svenskehuset am Kapp Thordsen, des ältesten Hauses von Spitzbergen, und warum es auch als „Gespensterhaus“ bekannt ist, werde ich hier nicht erzählen. Das habe ich nämlich gerade auf einer neuen Pano-Seite über das Svenskehuset getan, wer interessiert ist, kann dort alles nachlesen. Ich kann es nur empfehlen. Diese Aufnahmen machen zu können, war einer von mehreren Gründen dafür, die erste sich bietende Gelegenheit zu nutzen, die Fahrt über den Isfjord zu machen.
Und ansonsten sind es die weiten Blicke über Fjord und Berge wie auch die kleinen Eindrücke der Tundra, die einen Schönwettertag mit viel Zeit an so einem schönen Ort zu einem Erlebnis machen, wie man sie nicht genug haben kann.
Apropos „kleine Eindrücke der Tundra“: die winzigen Blümchen zu fotografieren, fand ich immer etwas unbefriedigend, da wegen der geringen Tiefenschärfe von Nah- und Makroaufnahmen immer nur ein sehr kleiner Teil einer Blüte oder einer Blume scharf wird. Mittlerweile ermöglicht die Fototechnik, zumindest bei guten Bedingungen, einige Schritte weiter zu gehen. „Focus stacking“ heißt das Zauberwort. Es erfordert etwas Aufwand in Bezug auf Technik, Vorbereitung, Aufnahme und Nachbearbeitung, aber ich finde, es lohnt sich:
Vierkantiges Heidekraut beim Svenskehuset.
Durch Fokus-Stacking wird fast die ganze Blüte scharf darstellbar.
Die Spitzbergen-Saison 2020, so wie wir sie kennen, fiel ja nun komplett ins Wasser. Aber darüber will ich hier nun nicht lamentieren, sondern mich stattdessen freuen, dass der Sommer trotzdem eine Menge schöner Spitzbergen-Erlebnisse gebracht hat. Eben etwas anders. Das Boot war etwas kleiner als die Antigua oder die Arctica II, und es ging nicht zum Nordaustland und zur Edgeøya, sondern an interessante, abwechslungsreiche Orte im Isfjord.
In lockerer Folge kommen nun rückblickend ein paar Blog-Einträge, um ein paar frische Bilder aus Spitzbergen zu zeigen. Mal etwas anders … wir fangen mit einer Zodiactour in den Sassenfjord an. Wunderschöne Landschaft, arktische Stille, freundliche Rentiere, schöne Blumen – darunter eher seltene wie die Mertensie und die Nördliche Jakobsleiter – und erdmittelalterliche Fossilien (Muscheln und Ammoniten aus dem Jura). Gewürzt mit Zeit und Ruhe. Was will man mehr? Schöner wird das Arktis-Leben nicht 🙂
Leider, aber auch wenig überraschend, müssen wir auch die Spitzbergenreise mit der Antigua im September (08.-18.09.2020) aus. Auch wenn Norwegen ab Mittwoch wieder die Grenzen für Touristen aus den meisten Ländern Europas öffnet, gelten wegen der Gefahr durch das Corona-Virus für Schiffsreisen doch besondere Regeln, die die Durchführung der Reisen auf absehbare Zeit unmöglich machen. Die geforderten Hygieneregeln, Abstände, Obergrenzen für Nutzung der Kapazitäten etc. sind insbesondere auf kleinen Schiffen nicht umsetzbar. Die Kombination „Schiff“, „klein“ und „Ende der Welt“ ist eine der ungünstigsten Voraussetzungen derzeit, die man sich vorstellen kann.
Mit der Antigua in Spitzbergen: dieses Jahr wegen Corona nicht mehr möglich.
Dies gilt auch die vor der Antiguafahrt geplante Pyramidenreise (31.08.-07.09.2020). Auch diese wird leider nicht stattfinden, auch hier werden die Teilnehmerinnen nun kontaktiert.
Meist geht es in den Beiträgen an dieser Stelle ja eher nüchtern um Dinge, die tatsächlich passiert sind.
Im Gegensatz dazu geht es hier latent emotional um das, was gerade nicht passiert.
Gestern, am 09. Juli, hätten wir uns in Longyearbyen auf der guten, alten Antigua eingeschifft. Etwa 30 Passagiere, etwas aufgeregt, gut gelaunt und mit viel Spannung und Erwartung. Zehn Leute Mannschaft, Kapitän (wahrscheinlich Robert), Steuerleute, Deckhand, Küche & Service, drei Guides – Alex, Kristina und ich. Alle hatten sich lange auf die Fahrt gefreut, bis sie dann vor ein paar Wochen vom Corona-Virus gefressen wurde, wie so vieles in diesem schrägen Jahr. 19 Tage Spitzbergen futsch. Nicht einfach irgendwelche Tage. Spitzbergen unter Segeln, das ist immer intensiv und erlebnisreich. Auf jeder Fahrt erleben wir Dinge, von denen ich nach einem Vierteljahrhundert Spitzbergenfahrten denke: „das gibt’s doch nicht“.
Spitzbergen mit der Antigua: wäre gestern (9. Juli) losgegangen.
Was uns diesen Sommer entgeht, nicht nur auf der theoretisch gerade beginnenden, tatsächlich ausfallenden Fahrt, sondern auch auf den anderen Fahrten und Reisen, die nun nicht stattfinden – niemand wird es je wissen. Aber natürlich kann man etwas herumträumen und sich ein paar Gedanken machen. Spannend ist, wie immer, ein Blick auf Wettervorhersage und Eiskarte:
Seewetterbericht für Samstag (11. Juli).
Der heute (Freitag) zunächst noch kräftig an der Westküste pustende Wind soll absehbar abnehmen, aber im Isfjord ist es ruhig, still und schön, in der Nacht auf Samstag wohl auch feucht. Wahrscheinlich hätten wir den heutigen, ersten Tag eher im Isfjord verbracht. Tempelfjord, Billefjord, Nordfjord mit Ekmanfjord, Coraholmen, Bohemanflya und so weiter … was gibt es da nicht alles für schöne Ecken! (Durch Klicken auf die Links kann man diese Orte zumindest online jederzeit besuchen.)
Am Samstag soll der Wind vor der Küste auf Süd drehen. Ich denke, dann hätten wir uns vor die Küste „gewagt“ und Segel gesetzt, Kurs Nord, mit feinstem Segelwind! Im Norden soll es in den nächsten Tage laut Wetterbericht von heute ruhig werden und auch ruhig bleiben, und dann steht einem ja diese Welt dort offen.
Seewetterbericht für Sonntag (12. Juli).
Und nun noch ein Blick auf die Eiskarte. Das ist jetzt wirklich interessant. Im Osten und Nordosten gibt es nämlich immer noch sehr viel Treibeis und sogar noch festes Fjordeis in manchen Fjorden, vor allem um das Nordaustland. So wie es jetzt aussieht, wären uns diese fernen Regionen also gar nicht zugänglich, und das kann durchaus noch für ein paar Wochen so bleiben. Es wäre also wahrscheinlich eine „Umrundung ohne Umrundung“ geworden. Was bei Fahrtbeginn gegen Mitte Juli eher unwahrscheinlich, aber absolut nicht unmöglich ist, wie man sieht. Natürlich wäre es spannend gewesen, sich das vor Ort anzusehen, aber es ist immerhin auch interessant, vielleicht in den nächsten 2-3 Wochen ab und zu mal einen Blick auf die Eiskarte zu werfen und sich ein paar Gedanken zu machen.
Aber nun schaut Euch den Liefdefjord und Woodfjord an! Offenes, also wahrscheinlich navigierbares Treibeis, wohl mit ein paar größeren Eisfeldern, etwa der gelbe Fleck vor der Reinsdyrflya, und festes Eis (grau) im inneren Woodfjord! Da hätten wir bei brauchbarem Wetter – und das soll dort nächste Woche herrschen – sicher mehrere unvergessliche Tage vebracht. Um dann Richtung Nordaustland und Hinlopenstraße weiterzuschauen. Auch dort hätte die Kombination aus Treibeis, zum Heulen schönen Landschaften und sicher vielen Tieren, von Lummen bis hin zu Walrossen, Eisbären und wahrscheinlich Walen, bestimmt einmalige Tage beschwert.
Isfjord
Was uns wohl im Isfjord so begegnet wäre? Hier ein paar Bilder von den Reisen der letzte Jahren. So oder anders hätte es sein können.
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Forlandsund
Hier im Forlandsund haben wir ja etwa letztes Jahr viel Zeit verbracht 😉 wie diejenigen, die dabei waren, sich bestimmt nicht ungerne erinnern werden. Alle dieser Bilder sind von 2019.
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Woodfjord und Liefdefjord
Nur ein paar Möglichkeiten von den Eindrücken, die sich im Woodfjord und Liefdefjord an der Nordküste hätten ergeben können. Es gibt ja auch noch den Raudfjord, den Wijdefjord, den Sorgfjord, … ach ja.
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Hätte, könnte, wäre, sollte. Viel Fahrradkette. Das alles bleibt reine Vorstellung, ungesehen, nicht erlebt. Die etwa 40 arktisbegeisterten Menschen, die 2 1/2 Wochen zusammen auf einem kleinen Schiff im Norden verbringen und sich gemeinsam begeistern und faszinieren lassen wollen, werden sich nun in dieser Kombination nie treffen. Schade.
Es bleibt zu hoffen, dass wir uns nächstes oder vielleicht übernächstes Jahr in Spitzbergen treffen, oder irgendwo sonst zwischen Nord- und Südpol. Bleibt gesund und munter!
Es ist wahrlich keine Überraschung, nun aber offiziell: Die Antigua-Fahrt im Juli wird nicht stattfinden, aus Gründen, die hier wohl kaum einer weiteren Erläuterung bedürfen. Die TeilnehmerInnen werden nun von der Geographischen Reisegesellschaft kontaktiert.
Mit der Antigua in Spitzbergen: wird mindestens im Juli wegen Corona nicht passieren.
Ohne allzu gefühlig werden zu wollen – und wenn es doch passiert, sch… drauf: Der Gedanke an all die schönen Spitzbergen-Erlebnisse, die nun nicht erlebt werden, kann einem schon das Wasser in die Augen treiben. Dieser Tage würde unsere erste, frühere Reise auf der Antigua laufen, Spitzbergen zwischen Winter und Sommer, mit Schnee und Eis. Tatsächlich ist die Antigua von Spitzbergen genauso weit weg die die meisten BesucherInnen dieser Seite. Vor ein paar Wochen hätten wir auf der Fahrt von Norwegen nach Spitzbergen die Bäreninsel passiert und sie dabei vielleicht gesehen, wie nie in jüngerer Zeit, denn sie war nun tatsächlich mal wieder vollständig von dichtem Treibeis umgeben! Hätte man gerne mal gesehen … als verhinderter Fahrtleiter bin ich traurig, all das dieses Jahr nicht erleben zu können, und ich vermute ganz stark, da für alle Passagiere und Kollegen zu denken und zu schreiben.
Man kann sich sicher vorstellen, dass das auch wirtschaftlich weh tut. An dieser Stelle sei der Hinweis erlaubt, dass der Spitzbergen.de-Onlineshop immer geöffnet war und ist und dass man dort viel findet, womit man wunderbar vom Sofa aus lesend in die Arktis Reisen kann! Neben dem berühmten Reiseführer gibt es ja etwa das weniger berühmte, aber mindestens so schöne Fotobuch mit den Luftbildern oder, mit den Treibholz-Bilderrahmen und den Küchenbrettchen, Spitzbergen an der eigenen Wand beziehungsweise auf dem Frühstückstisch …
Auch sonst läuft der Tourismus auf Spitzbergen aktuell eher verhalten an, was aber ebenfalls niemanden überraschen wird: Bislang dürfen nur Touristen vom norwegischen Festland nach Spitzbergen, am 15. Juni sollen die Dänen folgen dürfen. Darüber hinaus ist alles offen. Bis zum 20. Juli will die norwegische Regierung sich dazu äußern, wie es für Spitzbergen-Besucher aus „nahegelegenen europäischen Ländern“ weitergehen wird. Bislang sind mehrtägige Schiffsreisen von allen vorsichtigen Öffnungen allerdings ausgenommen.