Das Adventdalen – genauer: das untere Adventdalen – soll Naturreservat werden. Der Gesetzvorschlag liegt nun bis zum 15. Oktober zur öffentlichen Anhörung aus, wie der Sysselmester mitteilt. Bis dahin können alle Interessierten ihre Meinung ins Verfahren eingeben.
Es geht um ein 62 Quadratkilometer großes Gebiet mit weiten Tundraflächen und Flussbetten.
Das Adventdalen ist eins von Spitzbergens größten eisfreien (nicht gletschergefüllten) Tälern mit weiten Tundraflächen und Feuchtgebieten, die vielen Tier- und Pflanzenarten Lebensraum bieten, darunter seltenen Arten und solchen, die auf der norwegischen Roten Liste stehen. Der Erhalt dieser Lebensräume steht im Vordergrund des aktuellen Schutzvorhabens.
Viel ändern würde sich in der Praxis am Status quo nicht; tatsächlich geht es ja genau darum, diesen zu erhalten. Weitgehend ausgeschlossen wären künftig größere bauliche Eingriffe wie neue Wege, Straßen oder Gebäude. Die existierende Infrastruktur (Wege, Hütten etc.), sofern sie im fraglichen Gebiet liegt, genießt Bestandsschutz und dürfte auch künftig bei Bedarf repariert und instand gehalten werden. Auch Maßnahmen zur Erhaltung des künstlichen Sees Isdammen, der der Trinkwasserversorgung von Longyearbyen dient, bleiben möglich.
Arktischer Lebensraum Tundra im Adventdalen: hier blüht die Silberwurz.
Wer sich künftig auf Tour, privat oder organisiert, im dann geschützten Bereich bewegt, hat kaum mit neuen Einschränkungen zu tun. Der Verkehr in der Fläche findet weitestgehend in Form von Motorschlittenverkehr statt. Dieser ist ohnehin nur auf gefrorenen, schneebedeckten Fläche erlaubt (Anmerkung: hier dürften die Kontrollen gerne etwas strenger sein). Für Vögel sind die fraglichen Flächen als Rast- oder Brutgebiete ohnehin erst nach der Schneeschmelze von Bedeutung, so dass die zeitliche Trennung hier von alleine Probleme löst, bevor sie entstehen.
Verkehr auf Rädern auf nicht schneebedecktem Boden wird nicht möglich sein, aber das entspricht der bisherigen Vorschrift und Praxis. Eventuell könnten sich für die Nutzung von FatBikes Änderungen ergeben, die mitunter in nicht von Pflanzen bewachsenen Flächen wie Flussbetten genutzt wurden.
Odinshühnchen im Adventdalen: eine eher seltene der vielen Arten,
die hier Lebensräume finden.
Zudem soll die bereits bestehende Leinenpflicht für Hunde während der Brutsaison dahingehend verschärft werden, dass Leinen maximal 5 Meter lang sein dürfen.
Einschränkungen soll es auch für den Luftverkehr geben: Tiefflüge unterhalb von 300 Metern und Landungen sollen verboten werden, mit Ausnahmen für Bereitschaftsdienste (Polizei, Rettungsdienst). Auch das entspricht weitgehend der aktuellen Praxis.
Die Verwendung von Drohnen soll im geschützten Gebiet verboten sein.
Nach Abschluss des Hörungsverfahrens (Eingabefrist: 15. Oktober 2023) geht der Gesetzvorschlag seinen Weg durch die Instanzen, bis er ggf. in geltendes Recht überführt wird.
Kommentar
Es kann der Eindruck entstehen, dass sich durch das vorgeschlagene Gesetz gar nicht viel ändern würde. Das stimmt, und das ist auch angestrebt: basierend auf der Erkenntnis, dass der aktuelle Status quo die gewünschte Artenvielfalt ermöglicht, geht es um die Erhaltung genau dieses Zustandes. Aktivitäten, die diesen Zustand nicht gefährden, sollen möglich bleiben, auch wo meinungsstarke, aber praxisferne Bürokraten gerne schon mal unter Berufung auf ein präventives Vorgehen nach folgenreichen Verboten rufen. So hatte man im aktuellen Fall in Longyearbyen befürchtet, dass der für den Ort so wichtige Motorschlittenverkehr im fraglichen Gebiet stark eingeschränkt oder gar verboten würde. Das wird nach derzeitigem Stand nicht passieren.
Man muss ganz sicher nicht jeden motorisierten Verkehr im Adventdalen, touristisch oder wie auch immer geartet, gut oder gar sinnvoll finden, aber für ein Verbot braucht es gute Gründe. Solange entsprechende nachvollziehbare und gut belegte Gründe nicht vorliegen, sind Verbote fehl am Platz. Die Meinung, dass ein bestimmter Verkehr oder eine Aktivität unnotwendig ist, vielleicht sinnlos, gar doof, reicht dazu nicht aus.
Was hingegen arktische Lebensräume tatsächlich auf größerer Fläche und dauerhaft bedrohen würde, gar zerstören könnte, wird verboten, darunter neue Wege und Gebäude und sonstige Eingriffe ins Gelände.
Es ist erfreulich, dass die norwegischen Behörden hier gezeigt haben, dass sie auch heute noch in der Lage sind, genau hinzuschauen und durch gezielte Maßnahmen zu schützen, was schützenswert ist, dabei aber auch hinzuhören, was die Menschen vor Ort wollen und brauchen und das weiterhin zuzulassen, sofern nicht tatsächlich gute Gründe für Einschränkungen und Verbote sprechen.
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