Wieder einmal das Thema Energie. Wie schon so oft auch hier zu lesen war, ist das Thema Energie in Longyearbyen heiß diskutiert. Im Herbst wurde dort das schon lange über sein Verfallsdatum hinausgegangene Kohlekraftwerk abgeschaltet. Seitdem wird in Longyearbyen Diesel verbrannt, um den Ort mit etwa 2500 Einwohnern, Betrieben und Infrastruktur mit Strom und Wärme zu versorgen.
Das ist weder umweltfreundlich noch wirtschaftlich. Derzeit sorgen die hohen Kosten für Aufregung; der Plan der Gemeinde, die hohen Mehrkosten auf die vier größten Verbraucher umzulegen, stößt bei diesen auf Widerstand, was wohl kaum jemanden überraschen wird. Wenn die Kosten, soweit sie derzeit absehbar sind, lokal getragen und auf die breite Öffentlichkeit vor Ort umgelegt werden, würde der Strompreis sich wohl etwa verdreifachen. 2023 lag der Preis für Normalverbraucher (bis 10.000 kWh pro Jahr) bei 2,42 Kronen (ca. 21,4 Eurocent) – plus jährliche Grundgebühr von 2883 Kronen (255 Euro).
Bei einer Verdreifachung des Preises wird befürchtet, dass Betriebe schließen und Einwohner fortziehen würden.
Ein Teil der technischen Herausforderung besteht darin, dass es in Longyearbyen im Gegensatz zu Orten in „normalen“ Gegenden nicht möglich ist, Kraftwerke und dezentrale, regenerative Stromproduktion überregional zu vernetzen. In Longyearbyen kann man nichts nutzen, was nebenan schon existieren könnte, da das Stromnetz komplett von der Außenwelt isoliert ist.
Das hat Longyearbyen allerdings mit hunderten anderen Orten überall in der Arktis gemeinsam. Daher lohnt es sich, zu erforschen, wie eine sinnvolle Stromversorgung abgelegener arktischer Ortschaften künftig aussehen könnte.
Isfjord Radio auf Kapp Linné: früher Station für Küstenradio und Telekommunikation,
heute Hotel und Modellprojekt für Energieversorgung an isolierten Orten.
Das tut man in einem Modellprojekt auf Kapp Linné. Dort gibt es die alte Radiostation Isfjord Radio. Die Radiostation und sonstige Kommunikationstechnik wird nicht mehr genutzt, seit es das Glasfaserkabel zum Festland gibt, aber seit den späten 1990er Jahren werden die Gebäude als Hotel genutzt. Eigner der Anlage ist die vor allem als Bergbaugesellschaft bekannte Store Norske Spitsbergen Kulkompani (kurz Store Norske oder SNSK), die sich auch als Logistikfirma und im Energiebereich stärker positionieren will. Der touristische Betrieb erfolgt durch Basecamp Spitsbergen.
Der kleine Ort bietet mehrere Vorteile, um dort neue Arten der Stromversorgung zu testen: Mit einer kleinen einstelligen Zahl dort arbeitender Menschen ist Kapp Linné klein, und auch bei maximaler Auslastung sind nur wenige Dutzend Übernachtungsgäste vor Ort, so dass der Stromverbrauch überschaubar ist. Weitere Verbraucher gibt es nicht.
Man will keine neuen Techniken entwickeln, sondern das sinnvolle Zusammenspiel vorhandener Technik erproben. Als zentral wird dabei die Entwicklung der Steuerungstechnik gesehen. In der ersten Ausbaustufe übernimmt die 2023 installierte Photovoltaik einen möglichst großen Teil der Last. Das mag zunächst überraschen in einer Region, in der die Sonne mehrere Monate lang unter dem Horizont bleibt. Der Hotelbetrieb von Kapp Linné ist in der Dunkelzeit allerdings geschlossen, was das Problem reduziert. Kurzfristig gleichen eine Batteriebank und ein thermischer Speicher Schwankungen aus.
So ist es möglich, den Dieselverbrauch des Generators schon jetzt um 70 % zu reduzieren, wie die Store Norske der Svalbardposten mitteilte.
In einer weiteren Stufe soll der Dieselverbrauch mittels Windkraft auf 90 % reduziert werden. Darüber wird derzeit mit dem Sysselmester verhandelt; die rechtlichen Hürden liegen hoch, da Isfjord Radio als Kulturdenkmal geschützt ist und sich direkt nebenan ein Vogelschutzgebiet befindet.
Eine Versorgung zu 100 % wird nach derzeitigem Stand nicht möglich sein und ist auch nicht angestrebt. Hierzu wäre eine überregionale Vernetzung erforderlich, nach dem Motto, wenn hier Dunkelheit und Windstille herrschen, scheint die Sonne und pustet der Wind eben woanders. Wo eine solche Vernetzung von vornherein nicht möglich bzw. nicht sinnvoll ist, wird man wohl immer die Möglichkeit der Versorgung durch Generatoren vorhalten müssen, die künftig natürlich auch beispielsweise mit Biogas oder Wasserstoff betrieben werden könnten. Aber soweit ist man noch nicht. Bislang freut man sich über die schon erreichte Reduzierung des Dieselverbrauchs von 70 %.
Dabei sollen technische Kenntnisse gewonnen werden, die künftig auch in Longyearbyen und andernorts Anwendung finden können. In Longyearbyen findet man an verschiedenen Gebäuden bereits heute Photovoltaikanlagen, die größte befindet sich am Flughafen.
Das Interesse ist da: Trotz politischer Eiszeit haben die Russen in Barentsburg schon mit der Gemeinde in Longyearbyen Kontakt aufgenommen und den Wusch geäußert, im Sinne einer umweltfreundlicheren Energieversorgung den Erfahrungsaustausch vorzunehmen. Dem steht man in Longyearbyen grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber.
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