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Kli­ma­wan­del in Spitz­ber­gens Fjor­den und im Ark­ti­schen Oze­an

Von ein paar Wochen war an die­ser Stel­le unter dem Titel Rekord­schmel­ze bei Spitz­ber­gens Glet­schern 2024 vom Kli­ma­wan­del an Land die Rede.

Aber natür­lich sind die Ände­run­gen nicht auf das Land beschränkt, auch das Meer ist betrof­fen. Oder, viel­leicht tref­fen­der: Es spielt eine gro­ße, trei­ben­de Rol­le.

Der Golf­strom

Im Nord­at­lan­tik ist bekann­ter­ma­ßen viel vom Golf­strom abhän­gig. Die­ser bringt mit sei­nen ver­gleichs­wei­se war­men Was­ser­mas­sen unge­heue­re Wär­me­men­gen aus dem Süden und sorgt so für das rela­tiv mil­de Kli­ma in höchs­ten Brei­ten wie 78 Grad Nord, wo der Isfjord heu­te rund ums Jahr weit­ge­hend eis­frei bleibt, wäh­rend man­che Fjor­de im nörd­lichs­ten Grön­land oder Kana­da (Elles­me­re Island) nur kurz im Som­mer eis­frei wer­den oder auch gar nicht.

Schon klei­ne Ände­run­gen des Golf­stroms haben mas­si­ve Aus­wir­kun­gen auf das regio­na­le Kli­ma im Nord­ost­at­lan­tik. Bringt der Golf­strom etwas mehr Warm­was­ser oder ist das Was­ser etwas wär­mer, wird der Nord­at­lan­tik kräf­tig wär­mer wer­den. Soll­te die Warm­was­ser­lie­fe­rung nach­las­sen oder nicht mehr so weit nach Nor­den rei­chen, könn­te regio­nal auch eine Abküh­lung ein­tre­ten, die ganz Nord­west­eu­ro­pa betref­fen könn­te. Per­spek­ti­visch ist die­ses Sze­na­rio als Teil des Kli­ma­wan­dels gar nicht aus­ge­schlos­sen, aber aktu­ell ist das Gegen­teil der Fall.

Der Kongsfjord

Jør­gen Ber­ge von der Uni­ver­si­tät in Trom­sø hat den Kongsfjord seit über 20 Jah­ren genau im Blick. Da im Kongsfjord die For­schungs­sied­lung Ny-Åle­sund liegt, wird die­ser Fjord schon län­ger genau stu­diert, hier lie­gen zu allen mög­li­chen Details jahr­zehn­te­lan­ge Daten­rei­hen vor. Zudem liegt der Fjord an dem Teil der West­küs­te, der am stärks­ten unter Golf­strom­ein­fluss steht, so dass er als Früh­warn­sys­tem für Ände­run­gen die­ser Strö­mun­gen und ihrer loka­len Aus­wir­kun­gen die­nen kann.

Kongsfjord

Der Kongsfjord bei Ny-Åle­sund: ein ozea­no­gra­phisch-marin­bio­lo­gi­sches For­schungs­la­bor.

Ber­ge hat dem Barents­ob­ser­ver von sei­ner Arbeit und sei­nen Beob­ach­tun­gen erzählt. Das Ergeb­nis vor­weg­ge­nom­men: eine „radi­ka­le Ände­rung im mari­nen Öko­sys­tem.“

Die Was­ser­mas­sen im Kongsfjord erwär­men sich Ber­ge zufol­ge über die gan­ze Was­ser­säu­le hin­weg um 0,1 Grad im Jahr, also um nicht weni­ger als 2 Grad in nur 20 Jah­ren. Zwei Grad rei­chen völ­lig aus, um den ozea­no­gra­phisch-öko­lo­gi­schen Cha­rak­ter eines Mee­res­ge­bie­tes dras­tisch zu ver­än­dern – und die Erwär­mung bleibt nicht ste­hen. Der Cha­rak­ter des Kongsfjords hat sich in die­ser Zeit von „ark­tisch“ zu „atlan­tisch“ geän­dert. Ozea­no­gra­phisch bedeu­tet das zunächst, dass das Was­ser wär­mer und sal­zi­ger ist.

Das Öko­sys­tem: Plank­ton und See­vö­gel

Das bleibt natür­lich nicht ohne Fol­gen für das Öko­sys­tem. Hoch­ark­ti­sches, fett­rei­ches Plank­ton wie der Ruder­fuß­krebs Cala­nus gla­cia­lis wird zuneh­mend von sei­nen sub­ark­ti­schen und weni­ger fett­rei­chen Ver­wand­ten Cala­nus finn­mar­chi­cus und Cala­nus hyper­bor­eus ver­drängt, was Fol­gen hat für See­vö­gel, die sich von Plank­ton ernäh­ren. Gera­de die hoch­ark­ti­schen, bis­lang sehr zahl­rei­chen Krab­ben­tau­cher fut­tern vor­zugs­wei­se den ener­gie­rei­chen Cala­nus gla­cia­lis. Müs­sen sie mehr und mehr auf die weni­ger ener­gie­rei­chen Ver­wand­ten aus­wei­chen, wird die Ernäh­rung immer pro­ble­ma­ti­scher.

Krabbentaucher

Krab­ben­tau­cher an der West­küs­te Spitz­ber­gens.

Die jün­ge­re Ver­gan­gen­zeit zeigt, dass die Brut­be­stän­de von See­vö­geln fast über­all im Nord­at­lan­tik schrump­fen. Den Krab­ben­tau­chern scheint es dabei noch recht gut zu gehen, aller­dings ist es sehr schwer, die­se sehr klei­nen, unsicht­bar unter Fel­sen brü­ten­den Vögel zu zäh­len. Bei Lum­men, Papa­gei­tau­chern und Möwen ist der Fall klar, hier sind man­che Kolo­nien in Nord­nor­we­gen seit den 1980er Jah­ren prak­tisch kol­la­biert. Ver­schwun­den.

Das Fjord­eis: Rin­gel­rob­ben und See­hun­de

Ein ande­rer Aspekt ist, dass der Kongsfjord seit etwa 15 Jah­ren kaum noch zufriert. Rin­gel­rob­ben, einst die zahl­reichs­ten Rob­ben der Fjor­de Spitz­ber­gens, brau­chen das Fjord­eis im Früh­jahr, um ihren Nach­wuchs zur Welt zu brin­gen und um sich aus­zu­ru­hen. Mitt­ler­wei­le sieht man an der West­küs­te Spitz­ber­gens die auch aus der süd­li­chen Nord­see bekann­ten See­hun­de deut­lich häu­fi­ger als die äußer­lich sehr ähn­li­chen Rin­gel­rob­ben. See­hun­de kom­men in Spitz­ber­gen schon seit Jahr­tau­sen­den natür­lich vor und die­se Beob­ach­tung mag zufäl­lig sein, aber sie passt in die wis­sen­schaft­lich bestä­tig­te Ent­wick­lung der Ent­wick­lung der Fjor­de von einem hoch­ark­tisch gepräg­ten Öko­sys­tem zu einem atlan­ti­schen.

Ringelrobbe, Seehund

Hoch­ark­ti­sche Rin­gel­rob­be (links), sub­ark­ti­scher See­hund.
Bei­de leben an der West­küs­te Spitz­ber­gens.

Fische, Muscheln und Tem­pe­ra­tur­re­kor­de

Dar­über hin­aus spricht Ber­ge von einer Ver­än­de­rung der Arten­zu­sam­men­set­zung bei Fischen und Muscheln. Arten wie Hering und Lod­de, die man nicht in hoch­ark­ti­schen Fjor­den erwar­ten wür­de, brei­ten sich aus, wie auch Mies­mu­scheln.

Miesmuschel

Immer häu­fi­ger in Spitz­ber­gen: Mies­mu­scheln.

Glo­ba­le Kli­ma­er­wär­mun­gen machen sich an den Polen stär­ker bemerk­bar als in nied­ri­gen Brei­ten, man geht um einen Fak­tor von drei bis vier aus, um den sich die Ark­tis stär­ker erwärmt als ande­re Regio­nen. Wenn man hofft, dass die Kli­ma­än­de­rung irgend­wie noch auf eine Erwär­mung von 1,5-2 Grad begrenzt wer­den kann, dann ist die­se Zahl das glo­ba­le Mit­tel. Für die Ark­tis kann man das mit drei oder vier mul­ti­pli­zie­ren.

Seit Jah­ren wer­den in Spitz­ber­gen regel­mä­ßig Rekord­tem­pe­ra­tu­ren gemes­sen, zuletzt am 11. August mit 20,3 Grad, dem höchs­ten je an einem August­tag bei Lon­gye­ar­by­en gemess­se­nen Wert.

Auch die bis­lang hoch­ark­ti­schen Fjor­de im Nord­os­ten Sval­bards wer­den von die­ser Ent­wick­lung nicht unbe­rührt blei­ben. Das bestä­tigt sowohl der regel­mä­ßi­ge Blick auf die Eis­kar­te als auch das eige­ne Erle­ben in den Fjor­den des Nord­aus­t­lands und in der Hin­lo­pen­stra­ße, wo die frü­her weit­ver­brei­te­ten Was­ser­tem­pe­ra­tu­ren um 0 Grad heu­te eher sel­ten und klein­räu­mig vor­zu­fin­den sind, vor allem in der süd­li­chen Hin­lo­pen­stra­ße und auf der Süd­sei­te des Nord­aus­t­lan­des, wo der kal­te, aus dem ark­ti­schen Becken kom­men­de Ost-Spitz­ber­gen-Strom noch sei­nen Ein­fluss gel­tend macht. In der nörd­li­chen Hin­lo­pen­stra­ße und in den Fjor­den im Wes­ten und Nor­den des Nord­aus­t­lands und bis hin­auf zu den Sjuøya­ne fin­det man immer häu­fi­ger Was­ser­tem­pe­ra­tu­ren von 6-8 Grad und damit einen Hin­weis auf den stär­ker wer­den­den Ein­fluss mil­den Atlan­tik­was­sers (Golf­strom).

Nordaustland

Frü­her nur sel­ten eis­frei, heu­te im Som­mer regel­mä­ßig:
Fjor­de an der Nord­küs­te des Nord­aus­t­lan­des.

Der Ark­ti­sche Oze­an: von weiß zu blau

Das Meer­eis des Ark­ti­schen Oze­ans ist zugleich Opfer und Antrei­ber die­ser Ent­wick­lung. Das ist einer die­ser Rück­kopp­lungs­ef­fek­te im glo­ba­len Kli­ma­sys­tem, wo die Wir­kung ver­stär­kend auf die Ursa­che wirkt. In die­sem Fall ist es so, dass eine durch Erwär­mung eis­frei gewor­de­ne Was­ser­flä­che Son­nen­strah­len ver­stärkt nicht mehr reflek­tiert, son­dern auf­nimmt und in Wär­me umsetzt, wodurch wie­der­um noch mehr Eis schmilzt und noch grö­ße­re Was­ser­flä­chen Son­nen­strah­len … und so geht es wei­ter.

Einer kürz­lich in Natu­re Com­mu­ni­ca­ti­ons ver­öf­fent­li­chen Stu­die zufol­ge könn­te der Ark­ti­sche Oze­an schon um das Jahr 2030 her­um tage­wei­se eis­frei wer­den. In die­ser Stu­die hat man die Ent­wick­lung erst­mals nicht monats­wei­se, son­dern tage­wei­se betrach­tet. Ein in weni­gen Jah­ren tage­wei­se eis­frei­er Ark­ti­scher Oze­an könn­te dem­zu­fol­ge zu sehen sein, wenn auf war­me Win­ter mit wenig Eis­bil­dung war­me Früh­som­mer mit hohem Eis­ver­lust fol­gen.

Arktischer Ozean

Der Ark­ti­sche Oze­ans der Zukunft: zuneh­mend blau statt weiß.

Auf der ande­ren Sei­te beschreibt die Stu­die auch Sze­na­ri­en, denen zufol­ge ein eis­frei­er Ark­ti­scher Oze­an bis zum Jahr 2100 nicht zu beob­ach­ten sein wird. Bei­de Mög­lich­kei­ten sind eher Extrem­sze­na­ri­en, die reel­le Ent­wick­lung mag irgend­wo dazwi­schen lie­gen. Oder eben auch nicht, auch die Extrem­sze­na­ri­en sind den wis­sen­schaft­li­chen Model­len zufol­ge eben mög­lich.

Wie Jør­gen Ber­ge dem Barents­ob­ser­ver gegen­über sag­te: „Es ist wahr­schein­lich, dass der zen­tra­le Ark­ti­sche Oze­an sich von einem wei­ßen (eis­be­deck­ten) Oze­an hin zu einem blau­en (offe­nes Was­ser) Oze­an ent­wi­ckeln wird. Was das bedeu­tet, wis­sen wir nicht.“

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Letzte Änderung: 18. Dezember 2024 · Copyright: Rolf Stange
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