Dies ist die Fortsetzung des Artikels von gestern (Eisbär durch Markierung verletzt) mit neuen Informationen. Eine kanadische/US-amerikanische Gruppe ist unterwegs, um den Eisbären, der „Andy“ genannt wird, zu suchen. Polar Bears International teilt mit (eigene Übersetzung):
„Der Bär wurde seit dem 13. Oktober nicht mehr gesehen. Ein gemischtes US-kanadisches Team macht Erwägungen, wie weiter vorgegangen werden soll. Die Situation wird dadurch erschwert, dass das Meer zuzufrieren beginnt, so dass die Eisbären sich von Kaktovik aus verstreuen, und dass das Halsband nicht mehr sendet (andernfalls wäre es früher schon entfernt worden). Es handelt sich um ein logistisch schwieriges Problem, und sie tun ihr Bestes, um es zu lösen …“
Dazu noch ein paar Kommentare von Morten Jørgensen aus Dänemark, der die Lage derzeit genau verfolgt (in eigener Übersetzung):
„Das ist traurig. Und es bringt mehr Fragen als Antworten.
Der Kommentar, dass das Halsband schon früher entfernt worden wäre, wenn der Sender noch funktionieren würde, ist merkwürdig. Bedeutet dies, dass das Schicksal von „Andy“ schon länger bekannt war? Heißt es, dass die Expedition (Anm.: die erwähnte US-amerikanisch-kanadische Gruppe) schon früher hätte geschickt werden können? Heißt dies wiederum, dass die Gruppe weniger geschickt wurde, um „Andy“ zu retten, als um die wachsende Zahl beunruhigter Leute zu beruhigen?
Davon abgesehen, wissen wir wenig (sehr wenig) mehr.
1. Wir wissen, dass das Halsband kein Signal mehr sendet und dass das bereits eine Weile so ist – was bedeutet, dass der Eisbär es für absolut nichts trägt.
2. Und wir wissen, dass „Andy“ irgendwo draußen in der einsetzenden Polarnacht unterwegs ist, und vermutlich langsam durch die Wunden und Folgen durch dieses „Instrument“ stirbt, wenn die Situation sich nicht ändert.
In jedem Fall bleiben viele Fragen offen. Sobald die Verantwortlichen von ihrer Expedition zurück sind, erwarten wir Antworten.“
Soweit der Kommentar von Morten Jørgensen. Sobald es etwas Neues gibt, wird an dieser Stelle davon berichtet.
Der durch Satellitensenderhalsband verletzte Eisbär Andy ist jetzt auf dem Meereis unterwegs. Seine Chancen, gefunden und gerettet zu werden, sinken.
Jahr für Jahr werden Eisbären in verschiedenen Teilen der Arktis durch Wissenschaftler betäubt und markiert. Proben werden genommen, teilweise werden Eisbären mit einem Halsband mit Satellitensender versehen, um ihre Wanderungen verfolgen zu können. Dies geschieht üblicherweise aber nur mit weiblichen Eisbären, da männliche Tiere einen zu kräftigen Nacken haben: Ein Halsband würde entweder schnell abfallen oder, bei strammer Befestigung, zu Schmerzen und Verletzungen führen, auch mit Behinderungen beim Schlucken und Atmen wäre zu rechnen. Gängige Annahme ist in der Öffentlichkeit bislang, dass männliche Eisbären generell nicht mit Halsbändern ausgestattet werden.
Nun stellt sich allerdings heraus, dass von dieser Praxis abgewichen wird, möglicherweise schon seit längerer Zeit. In der Nähe von Kaktovik in Alaska, an der Küste des arktischen Beaufort-Meeres, ist ein männlicher Eisbär gesehen und fotografiert worden, der ein Halsband mit Satellitensender trägt. Dieses schneidet, wie auf dem Foto unten zu sehen, ein und hat den Eisbären bereits sichtbar verletzt.
Es besteht die Vermutung, dass der Bär in Kanada von Wissenschaftlern betäubt und markiert wurde. Möglicherweise werden dort schon länger auch männliche Eisbären „versuchshalber“ markiert. Die Halsbänder sollen nach einem halben Jahr von selbst abfallen. Möglicherweise funktioniert dies jedoch nicht zuverlässig. Wahrscheinlich ist auch, dass Eisbären in kurzer Zeit kräftig an Gewicht zulegen, wenn sie auf einmal über reichlich Nahrung verfügen. An den arktischen Küsten von Alaska und Kanada finden Bären manchmal große Mengen Nahrung, wenn ein toter Wal strandet oder große Reste eines Walkadaver nach Jagd durch indigene Einwohner liegenbleiben. Dies ist nach Aussage von Behörden „unvorhersehbar“. Tatsächlich kommt es unregelmäßig vor und ist somit nicht im konkreten Einzelfall vorhersehbar, aber allgemein ist das ein bekannter und nicht seltener Vorgang, mit dem daher immer zu rechnen ist.
In den USA, zu denen Alaska gehört, ist der United States Fish & Wildlife Services (USFWS) für den Schutz mariner Säugetiere zuständig, wozu auch der Eisbär gehört. Der USFWS macht sich bislang das Leben mit der Aussage einfach, man beobachte den Bären, habe aber nicht die Kapazitäten, um einzugreifen und dem Tier zu helfen. Vielleicht fühlt man sich auch nicht zuständig, da der Eisbär in Kanada markiert wurde.
Der aktuelle Fall scheint lokal schon seit Monaten bekannt zu sein und zieht im Internet nun Aufmerksamkeit auf sich. Interessierte Privatpersonen wenden sich nun an die zuständigen Behörden wie den USFWS, um den Druck zu erhöhen, dem Tier zu helfen. Mehr dazu, darunter Email-Adressen der Behörden, auf der Facebook-Seite Protect the Polar Bear. Die Initiative ergriffen hat Morten Jørgensen, der in seinem Buch Polar Bears on the edge auch den wissenschaftlichen Umgang mit Eisbären kritisch beleuchtet.
Organisationen wie der WWF und Polar Bears International unterstützen die wissenschaftliche Arbeit mit Eisbären einschließlich Betäubung und Ausstattung mit Halsbändern und Satellitensendern. Kritik an dieser Arbeit ist nicht neu, aber die Diskussion hat bislang noch keine große Öffentlichkeit erreicht.
Durch Satellitensenderhalsband verletzter männlicher Eisbär in Alaska. Normalerweise werden nur Weibchen mit Sendern ausgestattet.
Im Mai wurde auf dieser Seite von einer Eisbärenfamilie berichtet, die im Tempelfjord und Billefjord mehrfach gesehen wurde (hier klicken für den Artikel aus dem Mai). Es handelte sich um eine Mutter, die mit Drillingen unterwegs war. Drillinge sind bei Eisbären sehr selten, normal sind Zwillinge.
Die betreffende Eisbärin hatte allerdings im April 2011 bereits schon einmal Drillinge, möglicherweise ist eine besondere genetische Veranlagung vorhanden. Damals wurde sie zu wissenschaftlichen Zwecken betäubt und markiert. Damals überlebte letztlich nur eines von drei Jungen.
Auch im Frühjahr 2015 wurde die Bärin wieder betäubt und markiert. Die drei Jungbären waren da noch so klein, dass sie nicht betäubt werden mussten. Die vom Sender am Halsband geschickten Daten zeigen eine erstaunliche Wanderung: Nachdem die Familie das Frühjahr im Billefjord und Tempelfjord verbracht hatte, wo zu dieser Zeit viele Ringelrobben auf dem Eis liegen, wanderte sie durch den Wijdefjord nach Norden und verbrachte den Sommer nördlich vom Nordaustland. Schließlich querten die Bären das Nordaustland, die Hinlopenstraße und den Nordosten Spitzbergens. Mittlerweile ist die Eisbärin wieder im Tempelfjord. Allerdings hat nur eines von den drei Jungtieren diese lange Wanderung überlebt. Wann, wie, warum und wo die beiden anderen Jungbären gestorben sind, ist unbekannt. Es ist allerdings normal, dass auch von Zwillingen nur ein Jungtier überlebt; drei hungrige Jungbären am Leben zu halten, ist eine noch anspruchsvollere Aufgabe.
Sonntag der 4. und Montag der 5. Oktober waren Wahltage in Longyearbyen. Es wurden für die nächsten vier Jahre die 15 Mitglieder des neuen Stadtrats („Lokalstyre“), des obersten Organs der Lokalverwaltung in Longyearbyen, gewählt. Die 1651 Wahlberechtigten hatten die Wahl zwischen vier Parteien und deren Kandidaten. Die Auszählung der Stimmzettel ergab folgendes vorläufiges Ergebnis:
Partei
Ergebnis in %
Sitze
Arbeiderpartiet
(Ap, sozialdemokratisch)
34,6
5
Høyre
(H, konservativ, wirtschaftsliberal)
29,7
5
Venstre
(V, sozialliberal)
21,0
3
Miljøpartiet De Grønne
(MDG, grüne Umweltpartei, sozialliberal)
13,5
2
Es wurden 1006 gültige Stimmzettel abgegeben, das entspricht einer Wahlbeteiligung von 60,93 % (2011: 56,56 %). Bei der Berechnung der Sitze sind sowohl die Stimmen für die einzelnen Kandidaten als auch die Stimmen für die Parteien insgesamt relevant. Wahlberechtigt ist jeder, der mindestens drei Jahre in Longyearbyen als Bewohner registriert ist, die Nationalität spielt dabei keine Rolle.
Für die Arbeiderpartiet ist dieses Ergebnis ein Rückschlag. Sie hatte mit 7 Sitzen bisher die meisten Vertreter im Rat und stellte mit Christin Kristoffersen die Chefin der Lokalverwaltung. Auch in der letzten Umfrage vom September hatte die Arbeiderpartiet mit 56,5 Prozent der Stimmen und 9 Sitzen im Rat klar die Nase vorn. Die Høyre kam hier nur auf 21 Prozent (3 Sitze), die Venstre auf 12,9 Prozent (2 Sitze) und die grüne MDG auf 9,7 Prozent (1 Sitz). Es hatten allerdings auch 45 Prozent der Befragten geantwortet, dass sie noch unentschieden seien, nicht wählen würden oder sich nicht äußern wollten. Kristoffersen hatte bereits frühzeitig angekündigt, dass sie diesmal nicht wieder kandidieren würde. Spitzenkandidat der Arbeiderpartiet ist dieses Mal Arild Olsen.
Die Høyre hatte bisher 3 Sitze im Rat und war damit nach der Arbeiderpartiet zweitstärkste Partei. Nun machen sich die Konservativen Hoffnungen, in einer Koalition mit der Venstre die Politik der nächsten vier Jahre in Longyearbyen bestimmen und mit ihrem Spitzenkandidaten Torgeir Prytz den Chef der Lokalverwaltung stellen zu können. Es wurde bereits angekündigt, dass die beiden Parteien Koalitionsgespräche führen wollen, gemeinsam hätten sie eine Mehrheit von einem Sitz im Rat. Außerhalb Norwegens dürfte eine solche Verbindung zunächst seltsam erscheinen (Høyre bedeutet übersetzt „Rechte“ und Venstre „Linke“). In der norwegischen politischen Landschaft allerdings stehen sich diese beiden Parteien in ihrer politischen Ausrichtung durchaus nahe (s.o.). Es wäre in etwa so, als würde in Deutschland die CDU/CSU mit dem sozialliberalen Flügel der FDP oder dem Realo-Flügel der Grünen koalieren.
Venstre und die grüne MDG waren bislang nicht im Rat vertreten. Besonders für die MDG ist der Einzug in den Stadtrat ein großer Erfolg. Mit 13,5 Prozent der Stimmen und 2 Sitzen im Rat wäre die Gruppe in Longyearbyen die bislang erfolgreichste lokale Gruppe der Umweltpartei in ganz Norwegen. Die Spitzenkandidatin der MDG Helga Bårdsdatter Kristiansen versprach bereits eine aktive Oppositionspolitik.
Die Lokalverwaltung in Longyearbyen ist nicht zu verwechseln mit dem Sysselmannen, der in der Funktion eines Gouverneurs für ganz Svalbard zuständig ist und nicht von den Einwohnern gewählt, sondern von der norwegischen Regierung eingesetzt wird.
Longyearbyen bekommt einen neuen Stadtrat (Lokalstyre). Die kleine Stadt ist derzeit im Umbruch.
Die niedrigen Kohlepreise auf dem Weltmarkt setzen der norwegischen Bergbaugesellschaft Store Norske Spitsbergen Kulkompani (SNSK) noch stärker zu als erwartet. Bereits im Frühjahr musste der norwegische Staat, der fast alle Anteile der SNSK besitzt, dem Betrieb mit einem Kredit aus der Klemme helfen (siehe Kohle für die Kohle: Spitzbergen.de-Nachrichten vom Mai). Angesichts der schlechten Preise reicht das aber nicht, um den weiteren Betrieb wirtschaftlich tragfähig zu machen.
Angesichts der dramatischen wirtschaftlichen Situation hat die Führung innerhalb der SNSK sich zu drastischen Maßnahmen entschlossen, darunter:
Der Förderbetrieb in den Gruben bei Sveagruva (Svea Nord und die neue Lunckefjell-Grube) wird zunächst eingestellt. Eine Minimalbesetzung von etwa 50 Angestellten soll diese Anlagen soweit erhalten, dass der Betrieb wieder aufgenommen werden kann.
Wenn der Kohlepreis auf dem Weltmarkt bis 2019 nicht den rentablen Betrieb der Gruben bei Sveagruva erlaubt, werden die Anlagen dort endgültig geschlossen.
Der Betrieb in der kleineren Grube 7 in der Nähe von Longyearbyen wird intensiviert: Dort sollen 45 statt bisher 24 Bergleute die Produktion von 70.000 auf 155.000 Tonnen Kohle steigern.
Weitere Vorkommen im Umfeld der Grube 7 sollen erschlossen werden, um den Betrieb dort für mindestens 10 Jahre zu sichern.
Die Verwaltung wird verkleinert.
Für den Erhaltungsbetrieb in Sveagruva werden pro Jahr 95 Millionen Kronen benötigt, was der Eigner der SNSK (also der Staat) aufbringen müsste. Dazu werden von nun an mit der Regierung Verhandlungen geführt.
Unterm Strich sollen durch diese Maßnahmen etwa 150 Arbeitsplätze in Sveagruva und Longyearbyen wegfallen, die meisten in Sveagruva. Mit den bereits vorgenommenen Entlassungen beläuft sich der Jobverlust somit auf 250 innerhalb von 1,5 Jahren.
In Longyearbyen gehen vielfach Zukunftsängste um. Nach wie vor sind auch viele kleinere Betriebe indirekt mehr oder weniger stark vom Bergbau abhängig, und man fürchtet, dass dem Ort die wirtschaftliche Basis entzogen wird, wenn die Industrie in weiten Teilen abgewickelt wird. Die politische Diskussion um die Zukunft von Longyearbyen ist im Gang. Unter anderem wird gefordert, den geplanten Ausbau des Hafens schneller voranzutreiben.