Nachdem das große Buchprojekt mit dem norwegischen Spitzbergen-Reiseführer Svalbard – Norge nærmest Nordpolen also endlich und erfolgreich abgeschlossen war, war es Zeit für frische Luft. Die bekam ich dann, und zwar reichlich. Im Februar und März folgte eine echte Weltreise, mit der „Antarktischen Odyssey“ als Herzstück, der großen Antarktis-Halbumrundung. Von Neuseeland zur Campbell-Insel und ins antarktische Rossmeer, und von dort aus via Peter I Island zur Antarktischen Halbinsel und letztlich nach Ushuaia. Eine wahre Odyssey.
Der Höhepunkt dieser Fahrt? Schwer zu sagen. Es gab einige. Schon die Dimension dieser Reise, etliche tausend Seemeilen in mehr als 30 Tagen, ist erschlagend genug. Fahrtleiter auf der Ortelius zu sein, hat es natürlich auch nicht langweiliger gemacht. Sonst sind „meine“ Schiffe ja doch deutlich kleiner, und sie haben normalerweise auch nicht drei Hubschrauber dabei.
Wenn ich überlege, welcher Eindruck von dieser Fahrt mir heute noch am meisten bedeutet, dann kommt mir schnell Campbell Island vor das innere Auge. Diese Insel, eine der subantarktischen Inseln von Neuseeland, stand ja ganz hoch oben bei mir auf dem persönlichen Wunschzettel, weil es dort 2 Jahre früher nicht geklappt hatte wegen viel zu viel Wind. Dieses Mal hatten wir genau das Glück, das man an so einem Ort auch braucht.
Albatrosse auf Campbell Island.
Der Ausflug („Flug“ ist dabei wörtlich gemeint) ins Taylor Valley (Dry Valleys) oder zur McMurdo Base, wo wir unseren Aufenthalt beinahe unfreiwillig verlängert hätten … ganz klar, unvergessliche Eindrücke. Überhaupt ist die Vogelperspektive auf die Antarktis-Landschaft natürlich ungeheuer beeindruckend.
Waterboat Point (Antarktische Halbinsel) aus der Luft.
Es ist ja immer wieder furchterregend, wie schnell die Zeit verstreicht. Schon wieder ist ein Jahr beinahe vergangen! Erlebnis- und ereignisreich war es. Was haben diese 12 Monate für Spitzbergen, für Spitzbergen.de und für mich gebracht? Das Jahr 2017 im Rückblick in mehreren kleinen Beiträgen über die nächsten Tage hinweg.
Der Januar ist natürlich Polarnacht im Norden. Eine gute Zeit für Schreibtisch-Expeditionen. Was natürlich wenig spektakulär aussieht. Arktis-Bücher schreiben ist natürlich grundsätzlich eine spannende Angelegenheit, aber in der Praxis verbringt man die Zeit eben weitgehend am Rechner. Recherchieren, schreiben, Bilder heraussuchen und bearbeiten, Zeichnungen erstellen.
Im Januar 2017 bewegte sich mein größtes Projekt seit langem auf den Abschluss hin – es war nicht langweilig, das kann ich wohl sagen! Nachdem ich lange davon geträumt hatte, hatte ich mich vor mehr als einem Jahr, im Herbst 2015, endlich getraut und das große Projekt begonnen: die norwegische Übersetzung meines Spitzbergen-Buches. Über ein Jahr intensiver Arbeit bei jeder verfügbaren Gelegenheit und dazu eine Reihe guter Geister, norwegische Muttersprachler, die mir beim Übersetzen und Korrekturlesen halfen. Mir wird noch jetzt, fast ein Jahr später, beinahe schwindlig, wenn ich an diese intensive Zeit zurückdenke. Ich will nicht in die Details dieser Arbeit einsteigen, so spannend ist das im Rückblick wohl nicht, aber es war … intensiv und in vielerlei Hinsicht mein größtes Projekt, auf jeden Fall seit dem ersten Erscheinen der deutschen „Ur-Auflage“ 2007 (erinnert sich noch jemand an das kiloschwere Buch, gedruckt auf viel zu schwerem Glanzpapier?), das kann ich wohl sagen. Nebenbei fand Anfang Februar ja auch noch eine kleine Vortragsreise mit vier Terminen „Spitzbergen: Norwegens arktischer Norden“ statt, während Longyearbyen davon auf Trab gehalten wurde, dass sich Eisbären in der Umgebung vorübergehend häuslich eingerichtet hatten. Eine ganze Eisbärenfamilie, Mutter mit zwei kleinen Bärchen, spazierte sogar durch den Weg 238 (das Wohngebiet am Adventdalen, unterste Straße – da haben auch wir in Longyearbyen unsere kleine, feine Wohnung).
Bevor es also im Februar in die Antarktis gehen würde, sollte das norwegische Buch in den Druck, und das gelang auch tatsächlich. Halleluja!
Und, ja, es gibt ein kleines Geschenk von mir für alle Spitzbergen-interessierten Menschen. Leider ist Spitzbergen für die meisten ja nur gelegentlich zugänglich und für viele auch überhaupt nicht. Die Zeit und das Geld für eine Reise in den höchsten Norden muss man eben erst mal aufbringen.
Aber man kann auch in den Norden Reisen, ohne dass es Zeit und Geld kostet. Ohne dass man dabei Gefahr läuft, kalt oder seekrank zu werden.
Die Panorama-Sammlung auf spitzbergen.de wird schon seit Jahren (seit 2013, genau genommen) entwickelt und erweitert. Bislang leider in recht unüberschaubaren Strukturen. Wer konnte damals schon absehen, wie weit diese Sammlung einmal wachsen würde?
Nun ist die Spitzbergen-Panorama-Sammlung schön übersichtlich auf einer Karte zusammengefasst, in die man einfach hineinzoomen kann. So hat man im Überblick, wo es überall Panoramen gibt, und die einzelnen Rundumblicke sind gleichzeitig direkt zugänglich, ohne sich durch mehrere Seiten zu klicken.
So entsteht nun also nicht weniger als ein digitales Museum für ganz Spitzbergen, das jederzeit für alle frei zugänglich sein soll!
Natürlich kann man auch nach alphabetisch sortierten Ortsnamen in der Liste unter der Karte suchen, wenn man sich an einen Namen erinnert, aber nicht daran, wo der schöne Ort auf der Karte wohl liegen mag. Es sind bekannte Klassiker und wenig bekannte Stelle abseits der ausgetretenen Pfade dabei. Viel Spaß! Wenn Sie also während der Feiertage mal etwas virtuell-frische Arktisluft brauchen – hier geht die Reise los! 🙂
Natürlich wird diese Sammlung auch weiterhin kräftig wachsen. Es liegt noch viel unbearbeitetes Rohmaterial im digitalen Keller …
Die englische Version wird bald folgen und analog zur deutschen Panorama-Karte strukturiert sein.
Aktualisierung 20.12.: Nach Beruhigung der Wetterlage und Kontrolle lawinengefährdeter Hänge oberhalb der betroffenen Ortsteile haben die Behörden die am Montag verfügten Evakuierungen wieder aufgehoben.
Die in der Woche zuvor verfügten Sperrungen der obersten Hausreihe im Ortsteil Lia bleibt bestehen (Ende Aktualisierung).
Man könnte sich schon fragen, was für ein böser Geist da seine Finger im Spiel hatte: für den heutigen (19.12.) Jahrestag der Lawine von 2015, die mehrere Häuser in Longyearbyen zerstörte und zwei Mensche tödlich traf, haben die norwegischen Wetterfrösche eine Wetterwarnung für Longyearbyen herausgegeben. Bis zu 20 m/s Wind („stürmischer Wind“ auf der Beaufortskala) aus südöstlicher Richtung werden gegen Abend erwartet. Nun ist Windstärke 8 im arktischen Winter eigentlich nichts allzu aufsehenerregend, aber die Wetterlage erinnert doch verdächtig an die Witterung, die 2015 zur tragischen Lawine führte, die vom Sukkertoppen abging. Dabei war es neben dem starken Ostwind zu sehr viel Schneefall gekommen. Ähnliches wird auch für heute erwartet.
Für heute Abend ist in Longyearbyen eigentlich eine kleine Veranstaltung geplant, um der beiden Lawinenopfer von 2015 zu gedenken. Wahrscheinlich wird die Aufmerksamkeit aber vor allem auf das Hier und Jetzt gerichtet sein. Bereits vor ein paar Tagen hatte der Sysselmannen einige Ortsteile von Longyearbyen wegen Lawinengefahr gesperrt; dies geschah allerdings aus allgemeinen Erwägungen heraus, nicht basiert auf eine aktuelle Gefahrenlage etwa aufgrund der Wettervorhersage. Diese erste Maßnahme sollte auch erst ab dem 22.12. gelten, trat aufgrund der veränderten Gefahrene8 aber bereits gestern um 22.00 Uhr in Kraft.
Bald ist es zwei Jahre her, dass 11 Häuser in Longyearbyen von einer Lawine getroffen und zerstört wurden. Die Lawine kam vom Berg Sukkertoppen auf der Ostseite von Longyearbyen. Sie kostete zwei Menschen das Leben. Am genauen Datum, dem 19.12. wird es in Longyearbyen eine kleine Gedenkzeremonie geben.
Seitdem ist auf allen Ebenen sehr viel über dieses tragische Ereignis geredet worden. Sicherlich hat es auf öffentlicher Seite Versäumnisse gegeben, aber eine juristisch durchsetzbare Verantwortung staatlicher Stellen soll es nicht gegeben haben.
Mindestens so sehr beschäftigt die Menschen, wie man künftig mit der Lawinengefahr umgehen wird. In einem Lawinenbericht wurde festgestellt, dass eine ganze Menge weiterer Adressen in Longyearbyen lawinengefährdet sind. Es wurde ein Lawinenwarndienst eingerichtet, der aber auch schon einmal spektakulär danebenlag; nur mit Glück gab es dabei keine tragischen Folgen. Nun hat man Schneehöhenmesser an den Hängen eingerichtet, die automatisch Daten über die Menge des sich ansammelnden Schnees übertragen sollen. Das ist eine wichtige Größe für die Gefahreneinschätzung, die sich gerade in heftigen Schnellwetterlagen schnell ändert, wenn es nicht möglich ist, dass Beobachter selbst vor Ort Messungen durchführen. Gerade in den relevanten Wetterlagen soll die Qualität der Vorhersage dadurch deutlich erhöht werden.
Weiterhin sind mechanische Sicherungen an den betreffenden Hängen im Gespräch sowie die Aufgabe einzelner Ortsteile, deren Sicherung nicht zuverlässig möglich oder zu teuer ist. Natürlich ist die Finanzierung auch ein Thema, über das sich hervorragend streiten lässt.
Es kostet hingegen zumindest die öffentliche Hand nichts, manche Straßenzüge präventiv zu evakuieren. Das ist seit zwei Jahren ein Ritual, das sich jeden Winter beobachten lässt. Gestern (14.12.) hat der Sysselmannen in Longyearbyen nun angeordnet, dass bestimmte Adressen zum 22.12. verlassen werden. Die Anordnung gilt bis sie nach Ende der lawinengefährdeten Saison aufgehoben wird, also mit großer Wahrscheinlichkeit bis weit ins Frühjahr hinein.
Diese Gebiete sind ab 22.12.2017 bis auf Weiteres wegen Lawinengefahr gesperrt. Die vollständige Karte gibt es beim Sysselmannen.
Neu ist, dass dies nun ohne eine aktuelle Gefährdung etwa aufgrund einer in den Wetterberichten angekündigten, gefährlichen Wetterlage geschieht. Grundlage für den aktuellen Beschluss ist nämlich gar keine aktuelle Gefährdung wie in entsprechenden früheren Situationen. Sysselmannen Kjerstin Askholt begründet die Maßnahme so: „Das Verbot ist durch die Gefahr für Einzelpersonen und für die öffentliche Sicherheit begründet, denn das Gebiet ist besonders lawinengefährdet. Die derzeitige Praxis mit einem lokalen Lawinenwarnsystem und eventuellen Evakuierungen aufgrund lawinenfachlichen Rats schließen ein großes Restrisiko und entsprechende Unsicherheit nicht aus, so dass die betroffenen Häuser im Winter nicht bewohnt werden können, solange keine Maßnahmen zur Lawinensicherung der Gebäude realisiert worden sind.“ (Sysselmannen, eigene Übersetzung).
Betroffen sind aktuell bestimmte Hausnummern in den Wegen 222 und 226, die direkt am Berg Sukkertoppen liegen. Andere Ortsteile, etwa Nybyen, sind von der aktuellen Sperrung nicht betroffen. Die Maßnahmen können aber jederzeit ausgeweitet werden, wenn die Behörden dies für notwendig halten.
Die präventive Zwangsräumung einer ganzen Reihe von Adressen über einen längeren Zeitraum aus allgemeinpräventiven Gründen, ohne eine tatsächliche, aktuelle Gefahrenlage, erscheint sehr drastisch, wenn man dagegen abwiegt, dass eine Reihe von Personen und Familien dadurch ihr Heim verliert. Es gibt bereits Leute, die zusätzlich zur eigenen Wohnung im betroffenen Gebiet eine weitere Wohnung für den Fall der Fälle mieten, was natürlich mit erheblichen finanziellen Belastungen verbunden ist und die Situation auf dem ohnehin angespannten Wohnungsmarkt in Longyearbyen auch nicht gerade entspannt. Wer im lawinengefährderten Gebiet Wohneigentum hat, sitzt natürlich auf einer derzeit unverkäuflichen Immobilie und hat damit ein Problem.
Kein Ruhmesblatt für die Politik, zwei Jahre nach der Lawine, die diese Entwicklung angestoßen hat.
Unsere kleine Vortragsreihe „Spitzbergen – Norwegens arktischer Norden“ ist von Freitag bis Sonntag gelaufen, und ich will hier allen danken, die sich auf den Weg zu uns nach Erfurt, Fürth oder Kassel gemacht haben! Teilweise hatten die Vorträge schon den Charakter von Ehemaligentreffen diverser Arktis-Fahrten – wer einmal dabei war und vom Arktis-Virus gebissen wurde, der kommt eben nicht wieder davon los … so ist das, wer wüsste darüber besser Bescheid als ich? Es ist schön, alte und neue Freunde und Bekannte zu treffen. Natürlich wurde die Gelegenheit genutzt, über Erlebtes und Geplantes zu sprechen, Fragen zu Planung und Ausrüstung loszuwerden und über Touren zu fachsimpeln.
Spaß hat es gemacht, mit den Bildern und Schilderungen aus Spitzbergen, von der Bäreninsel und (untergeordnet) von den Lofoten – ein Auge auf den Bildern, ein Auge auf den Gesichtern der Zuschauer, und wenn ich dort Faszination und Begeisterung entdecke, dann ist das die lange Anfahrt wert.
Startklar für den Spitzbergen-Vortrag in Fürth.
Passend arktisch wurde es dann, als wir am Sonntag unterwegs waren nach Kassel. Der Schnee forderte seinen Tribut in Form von Verspätung, und wir waren gespannt, ob überhaupt jemand durch Schnee und Eis nach Kassel gekommen war, um sich Bilder von Schnee und Eis anzusehen.
Da wäre man fast besser mit dem Motorschlitten angereist.
Tatsächlich hatte sich dort eine kleine Schar eingefunden, die von weither angereist war, aus Bonn und Marburg! So hatten wir auch dort im kleinen Kreis mit nahezu familiärer Atmosphäre einen schönen Nachmittag mit Bildern aus dem hohen Norden.
Rolf Stange, Spitzbergen-Fahrer, Referent und Verfasser dieser und sonstiger Zeilen, sowie Uwe Maaß von der Geographischen Reisegesellschaft (Veranstalter der Vorträge und unserer Polarfahrten) danken Euch/Ihnen fürs Kommen, und ganz besonders danken wir unsere Freunden in Erfurt für die herzliche Aufnahme!
Heute ist nicht alle Tage, wir kommen wieder (auch zu neuen Orten), keine Frage!
Und wie bei den Vorträgen schon erwähnt: Wer es gar nicht mehr erwarten kann, spannende Landschaften unter Segeln zu erleben, hätte im März in Patagonien auf der SY Anne-Margaretha noch die Möglichkeit, mit an Bord zu kommen.