Am Donnerstag war auf der Nordhalbkugel der längste Tag des Jahres. Da 2024 ein Schaltjahr ist, fällt die Sommersonnenwende dieses Jahr auf den 20. Juni und nicht wie sonst auf den 21. (es kann auch schon mal der 22. oder 23. sein, je nachdem, wie genau die Erde gerade um die Sonne eiert). Am 24. ist Sankt Hans, und am Abend davor, am „sankthansaften“, wird am Feuer gefeiert.
Eiderente auf ihrem Nest am Hundehof im Adventdalen.
Der Sommer begegnet einem nun auf Schritt und Tritt. Viele Eiderenten und Gänse sitzen noch auf ihren Nestern und wärmen die Eier, aber hier und da sieht man auch schon kleine Küken über die Tundra laufen.
Sommer ist, wenn das Sektglas bricht
„Offizieller“ Sommeranfang ist in Longyearbyen, wenn der Stiel des Sektglases gebrochen ist. Das „Sektglas“ ist ein von Longyearbyen aus gut sichtbares Schneefeld von entsprechender Form am Hang des Operafjellet gut acht Kilometer östlich vom Ort.
Das „Sektglas“, ein Schneefeld am Operafjellet, am Sonntag (16.6.) …
Mit fortschreitender Schneeschmelze löst sich der Stiel vom Kelch, und wenn das passiert ist, ist Sommer. So läuft das hier. Auf den genauen Zeitpunkt wird vorher gerne gewettet. Dieses Jahr ist der Stiel am Dienstag „gegangen“, was ziemlich früh im Sommer ist; sonst lässt dieses Ereignis auch schon mal bis Ende Juli auf sich warten. Je nach Schneeverhältnissen und Witterung.
… und am Freitag (21.6.).
Frühlingsboten dieses Jahr rarer als sonst: Rückgang der Schneeammer
Viele hatten in Longyearbyen dieses Jahr den Eindruck, dass die Schneeammern weniger zahlreich sind als sonst. Die Schneeammer ist der einzige Singvogel Spitzbergens und als Frühlingsbote ab Mitte April ein kleiner Herzensbrecher. Dieser Eindruck wurde nun von Forschern von NINA (norwegisches Institut für Naturforschung) bestätigt, wie man in der Svalbardposten lesen kann. Die Wissenschaftler pflegen eine Zählung, die mittlerweile 27 Jahre umfasst. Dabei werden 100 Nistkästen im ortsnahen Bereich kontrolliert (für Schneeammern gibt es in und um Longyearbyen tatsächlich Nistkästen). Meistens findet man darin 40 bis 60 Nester, aber dieses Jahr waren es nur neun.
Schneeammer im Adventdalen, Anfang Juni: dieses Jahr weniger zahlreich.
Die Gründe dafür sind unklar, aber der Klimawandel gehört wohl hier nicht zu den Verdächtigen, ebensowenig die Verhältnisse im Brutgebiet auf Spitzbergen. Möglich ist beispielsweise, dass ein Teil der Population auf dem Herbstzug von Spitzbergen nach Süden im Oktober 2023 Extremwetter zum Opfer gefallen ist. Zur fraglichen Zeit hat es in der fraglichen Region in der östlichen Barentssee, um Novaya Zemlya, sehr starke Stürme gegeben. Auch die Vogelgrippe oder außergewöhnlich starke Kälte im Überwinterungsgebiet, der Grenzregion zwischen Kasachstan und Russland, könnten eine Rolle gespielt haben.
Ein außergewöhnliches Einzelereignis dieser Art lässt immerhin hoffen, dass die Population sich in den nächsten Jahren wieder erholt.
Ein Abend im Adventdalen im Juni – das kann ein paradiesisches Erlebnis sein, vor allem, wenn man ein offenes Auge für die Vogelwelt hat. Angefangen von den Eiderenten am Hundehof (einfach und gewehrfrei zu Fuß erreichbar). Dort irgendwo neben der Kolonie hinsetzen und genießen ist ein ebenso einfaches wie sicheres Rezept für einen wunderbaren Abend. Vielleicht kommt auch noch ein Eisfuchs vorbei.
Nicht ganz so prall mit Leben gefüllt erscheint der Eindruck auf weiter Fläche im Adventdalen. Es ist nur ein Eindruck aus einer punktuellen Beobachtung heraus, aber dieser Eindruck ist, dass im unteren Adventdalen deutlich weniger Gänse als in den letzten Jahren üblich zu sehen sind.
Ein Vergleich. Das obere Bild ist vom Juli 2022 …
Gänse im Adventdalen, 2022.
… und dieses zweite Bild ist vom vergangenen Montag (10.06.2024).
Gänse (oder auch nicht) im Adventdalen, Juni 2024.
War es die Vogelgrippe?
Der Ort stimmt nicht ganz genau überein und die Zeit natürlich schon gar nicht, Juni ist nicht Juli und 2024 ist nicht 2022. Und überhaupt ist es nur ein punktueller Eindruck über ein paar Wochen hinweg. Aber der Eindruck ist schon, dass derzeit weniger Gänse im Adventdalen sind als sonst. Vielleicht haben sie sich im schneearmen Mai 2024 schneller als sonst auf andere Gebiete verteilt? Möglich. Oder war’s doch die Vogelgrippe? Auch die kann eine Rolle gespielt haben, der 2023 etwa ein Drittel der Svalbard-Population von Weißwangengänsen zum Opfer gefallen ist, in absoluten Zahlen 13.200 Gänse, wie Scotland’s Nature Agency im Oktober 2023 schrieb. Eine dramatische Zahl.
Bei den kleineren Arten ist viel los
Aber bei genauem Hinschauen ist doch überall Leben, gerade bei den kleineren Vögeln ist ein breites Artenspektrum zu finden, wie diese kleine Fotosammlung vom Montagabend zeigt.
Vor allem Krickente und Odinshühnchen sind Arten, die man in Spitzbergen eher selten sieht. Das untere Adventdalen hat eine Artenvielfalt, die in Spitzbergen Seltenheitswert hat.
Der Tag begann in der schönen Eidembukta an der Westküste mit ihren weitläufigen Tundraebenen. Sonnenschein, blauer Himmel, brütende Gänse (da heißt die Devise: Abstand halten!), Rentiere (da heißt die Devise: still halten, vielleicht sind sie neugierig 🙂 ), Blicke auf Gletscher, Lagunen und Moränenlandschaften. Eine wunderbare Landschaft, ganz anders als die felsigen, schroffen, jetzt noch sehr winterlichen Landschaften der letzten Tage im Norden.
Unter Sonne und blauem Himmel ging es nachmittags in die Ymerbukta, wo noch etwa zwei Kilometer Eis vor dem Gletscher liegen. Dieser für diese Jahreszeit so typische Anblick war die Abrundung unserer vielen Spitzbergen-Erlebnisse und Eindrücke auf der nun zu Ende gehenden Fahrt. Auf dem Weg nach Longyearbyen haben wir noch einen Schlenker an Grumantbyen vorbei gemacht, und wer wollte, konnte den Abend schließlich in der hafennah gelegenen Brauerei ausklingen lassen, bis man dort unvergesslich charmant vor die Tür gesetzt wurde (ich wusste bis dahin nicht, dass es ein Lied mit dem bemerkenswerten Refrain „get the f(%$ out of here“ gibt. Wieder etwas gelernt 😅).
Damit geht diese wunderbare Fahrt zu Ende. Das Wetter war auf unserer Seite, die Stimmung prima, die Tiere haben sich blicken lassen … klasse! Vielen Dank an alle, die dabei waren und dazu beigetragen haben, vorneweg natürlich die Mannschaft der Antigua, aber genauso natürlich an alle, die mit guter Stimmung und viel Interesse und Begeisterung dabei waren! Gute Heimreise, und bis zum nächsten Mal! ☺️
Galerie – Von der Eidembukta in die Ymerbukta und nach Longyearbyen – 07. Juni 2024
Was für ein schöner Tag – die Sonne scheint, und Sommer liegt in der Luft! Die Lufttemperatur liegt offiziell bei 4 Grad, fühlt sich aber eher nach 20 an. Da ist der Vormittag in Ny-Ålesund natürlich eine Freude 🙂 ist er sowieso immer … aber so natürlich noch mehr.
Nachmittags ging es in den Forlandsund. Wir hatten noch Walrosse auf der Wunschliste. Und da konnte geholfen werden …
Galerie -Von Ny-Ålesund in den Forlandsund – 06. Juni 2024
Morgens bei spiegelglattem Wasser im Krossfjord aufzuwachen, ist schon eine gute Sache. Auch wenn hier nur allzu deutlich wird, wie stark die Gletscher sich zurückziehen, wie der kleinere Forbesbreen und der gewaltige Lilliehöökbreen. Dennoch ist die Berg- und Gletscherwelt grandios, und sie präsentierte sich uns ruhig, still und majestätisch.
Eine ruhige Nacht vor Anker ist immer eine feine Sache, zumal in der schönen Holmiabukta, begleitet vom Paarungsgesang der Ringelrobben, der zu dieser Jahreszeit in diesen Buchten hörbar wird, wenn das Schiff still vor Anker liegt.
Fuglegsongen macht einem das Leben am Ufer nicht immer ganz einfach, aber dafür kommt man an Land der Seele der Arktis wirklich nahe, in Form von zahllosen Krabbentauchern, die dort gerade ihre Brutsaison beginnen. Ein Fest des Lebens.
Später präsentierte der majestätische Fuglefjord sich uns im schönsten Sonnenschein. Was für ein Genuss! Ein Eisbär im Kobbefjord rundete einen erlebnisreichen Tag ab.
Galerie – Nordwest-Spitzbergen – 04. Juni 2024
Schon wieder ist zu viel passiert, als dass ich hier groß zum Schreiben kommen würde. Die Tage sind voll und schön, Spitzbergen und die hiesigen Wettergötter meinen es gut mit uns.
Ein wenig Nebel in der Hamiltonbukta trug zur Atmosphäre bei, und später zeigte sich im inneren Raudfjord die Sonne.
Im Ayerfjord löste das Fjordeis nun auf, was offenbar die biologische Produktivität anheizt: Dickschnabellummen in endloser Menge und ein paar Zwergwale schlugen sich dort den Bauch voll.
Wir hatten ja gut Dampf gemacht und somit waren wir bereits an der Nordküste Spitzbergens. Vom Wetter her sollte heute der richtige Tag für eine Fahrt Richtung Eiskante sein. Und was soll man sagen … es hat gepasst! Nach einigen Stunden Fahrt erreichten wir das Treibeis auf 80°31’N. Wunderschön! Da haben wir ein paar Stunden verbracht.
Und dann haben wir ein paar Stunden unter Segeln verbracht. Ebenfalls wunderschön! Ohne Dünung, dafür alle Lappen oben. So macht es Freude!
Los geht es – Spitzbergen unter Segeln mit der Antigua!
Wir hatten uns entschlossen, schnell nach Norden zu kommen; das erschien mit Blick auf die Wettervorhersage und unsere Wünsche für die nächsten Tage sinnvoll, auch wenn es mit sich brachte, dass wir die erste Nacht hindurch fuhren, wobei streckenweise die Wellen durchaus fühlbar waren. Dafür konnten wir den ersten vollen Tag in der Engelskbukta beginnen – nicht wie eigentlich geplant, denn genau als wir die Ankerstelle anliefen, stieg vor uns ein Eisbär aus dem Wasser! Was für ein Start 🙂
Unter Segeln ging es später nach Norden, wobei der Wellnessfaktor etwas unter der Dünung litt. Umso schöner war es, abends in Bjørnhamna an Land zu kommen.
Galerie – Longyearbyen bis Smeerenburgfjord – 31.Mai-01. Juni 2024