Die im Zuge der Corona-Krise auch in Longyearbyen stark gestiegene Arbeitslosigkeit bleibt vorerst weiterhin hoch: Derzeit sind 344 Personen als arbeitslos (ganz oder teilweise) registriert, wie die Svalbardposten von NAV (Arbeids- og velferdsforvaltningen, entspricht etwa einem Arbeits- und Sozialamt) erfahren hat.
Viel gefährlicher als Eisbären, kostet weltweit Leben
und auch auf Spitzbergen Arbeitsplätze: das Corona-Virus (Fotomontage).
Das sind nur sechs weniger als in der vergangenen Woche, trotz angelaufener Tätigkeiten bei den Buchungen und Vorbereitungen für die ersten Touristen vom norwegischen Festland, die ab 1. Juni erwartet werden.
Die hohe Arbeitslosigkeit bringt viele in massive Probleme. Die soziale Nothilfe seitens der norwegischen Regierung läuft am 20. Juni aus und wird nicht verlängert, stattdessen gibt es dann nur noch einen Zuschuss für die Reisekosten ins Herkunftsland für Drittlandsbürger (außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums).
Aufgrund des Spitzbergenvertrages gilt auf Spitzbergen eine sehr weitgehende Freizügigkeit für Zuzug, Aufenthalt und Arbeit, aber im Gegenzug gibt es dort auch nach langem Aufenthalt keine soziale Absicherung von norwegischer Seite für nicht-norwegische AnwohnerInnern.
Die stark gestiegene Arbeitslosigkeit in Longyearbyen infolge der Corona-Pandemie hat viele in Schwierigkeiten gebracht. Aufgrund der speziellen Bedingungen des Spitzbergenvertrages haben nur norwegische Staatsangehörige Anspruch auf öffentliche Transferleistungen durch Norwegen bei wirtschaftlicher Schieflage wie Arbeitslosigkeit, andere sind grundsätzlich auf sich selbst gestellt beziehungsweise müssen sich an ihre Heimatstaaten wenden.
Dennoch hatte die norwegische Regierung ein Hilfspaket für Bürger aus Drittländern geschnürt, um Corona-bedingten, sozialen Notlagen vorzubeugen. Dieses Hilfspaket läuft allerdings am 20. Juni aus. Stattdessen will die Regierung Arbeitslosen bei Bedarf finanzielle Hilfe bei der Heimreise anbieten, wie Justizministerin Mæland in einer Pressemeldung mitteilt. Dies gilt für Bürger aus Drittländern außerhalb des EWR (Europäischer Wirtschaftsraum). Die Verlängerung öffentlicher Hilfe über den 20. Juni hinaus wird hingegen in Oslo nicht erwogen.
Touristen und Einheimische genießen das schöne Wetter in Longyearbyen:
So soll es ab 1. Juni wieder laufen.
Politiker, Betriebe und viele Menschen in Longyearbyen hoffen, dass möglichst wenige davon Gebrauch machen müssen, und die bevorstehende Öffnung lasst viele hoffen, dass Arbeitnehmer ihre Tätigkeiten demnächst wieder aufnehmen können. Seit der 1. Juni als Datum für die Öffnung für Touristen aus Norwegen feststeht, wird bei den Veranstaltern in Longyearbyen wieder gebucht und erste Stimmen zeigen sich laut Svalbardposten zufrieden. Allerdings ist immer noch ein Großteil der Arbeitnehmer untätig zu Hause. Manche sind auch bereits aus Longyearbyen weggezogen. Für viele, die aus weiter entfernt liegenden Ländern wie Thailand stammen, wäre eine Heimreise allerdings aufgrund der derzeit herrschenden Beschränkungen im Reiseverkehr kaum machbar.
Man darf gespannt sein, wie die Situation in Longyearbyen sich entwickelt: Bislang hat es keinen Corona-Fall gegeben. Wie lange das nun noch so bleibt und was dann passiert, weiß jetzt natürlich niemand.
Auf Spitzbergen zeichnen sich konkrete Schritte zur Öffung für Einheimische und Touristen ab: Zunächst wird ab heute (Freitag, 15.05.) Abend 18 Uhr die Quarantänepflicht für Einheimische aufgehoben, wie der Sysselmannen mitteilt. Eingeschlossen sind auch private Besucher vom norwegischen Festland und Personen, die aus dienstlichen Gründen anreisen, darunter auch Wissenschaftler. Hier ist die Vorschrift des Sysselmannen mit genaueren Regelungen. Zu „privaten Besuchern“ zählen laut einer Formulierung in einer Pressemitteilung des Justizministeriums (weiter unten verlinkt) nahestehende Familienmitglieder.
Wird langsam gelockert: Corona-Quarantäne auf Spitzergen (Fotomontage).
Dienstreisen aus den skandinavischen Ländern („Norden“) nach Spitzbergen sollen ab dem 1. Juni wieder ohne Quarantäne möglich sein.
Für „Freizeitreisende“ – sprich: Touristen – aus den skandinavischen Ländern („Norden“) soll die Öffnung, also die Abschaffung der Quarantänepflicht für Spitzbergen, ab 15. Juni gelten. Voraussetzung für organisierte Touren werden anerkannte Hygienepläne der Veranstalter sein.
(*Zunächst stand hier fälschlicherweise Wirtschaftsministerin. Tatsächlich ist Monica Mæland natürlich Ministerin für Justiz und Bereitschaftswesen, dieses Ministerium ist für Svalbard zuständig.)
Mehrtägige Schiffsreisen bleiben zunächst ausgenommen, hier brauche man noch „etwas Zeit“.
Der Sysselmannen betont, dass es nicht um eine vollständige Öffnung gehe, sondern um eine „Annäherung an die Normalität“. Auch eine Deckelung der Gesamtzahl der Touristen, die sich auf Spitzbergen aufhalten, wird erwogen, um die Bereitschaftsdienste im Notfall nicht zu überfordern.
Unabhängig davon rät die norwegische Regierung Norwegern bis mindestens Mitte August von Auslandsurlauben ab. Entsprechend skeptisch wird man auch noch eine Weile gegenüber internationalem Reiseverkehr nach Norwegen bleiben.
2018 wurden die Küstengewässer Spitzbergens nach allen Regeln der Kunst systematisch nach Belugas (Weißwalen) abgesucht, um erstmalig einen genauen Überblick über den Bestand zu bekommen. Das Ergebnis wäre im Corona-Wirbel beinahe untergegangen: Es wurde im Februar publiziert und ist auf der Plattform Researchgate zugänglich.
Die Gruppe um den norwegischen Meeresbiologen Christian Lydersen hat die gesamten Uferlinien fast aller Inseln Svalbards systematisch aus der Luft beobachtet, dazu die offenen Wasserflächen der großen Fjorde an der Westküste und einzelne Transekte auf offenem Wasser, um einen möglichst vollständigen Überblick zu bekommen.
Weißwal (Beluga) im Dicksonfjord. Größere Herden von Weißwalen sind äußerst schwer zu zählen: man sieht auf großen Wasserflächen überall immer wieder Rücken auftauchen.
Das Ergebnis kann überraschen: Das statistisch aufbereitete Resultat ist, dass der Spitzbergen-Bestand der Weißwale wohl nur 549 Tiere erfasst (so eine genaue Zahl ist natürlich Quatsch, das 95 % Konfidenzintervall ist 436-723). Zu diesem Ergebnis wurden Sichtungen von 265 Weißwalen, aufgeteilt auf 22 beobachtete Gruppen, statistisch hochgerechnet.
Natürlich bleiben methodische Unsicherheiten. Die Möglichkeit, dass mehr Belugas ungesehen blieben als angenommen, ist durchaus realistisch, nur weiß man nicht genau, in welchem Umfang das der Fall gewesen sein könnte. Aber auch wenn man diese Zahl etwas nach oben korrigiert, liegt sie überraschend niedrig. Früher lagen allerdings ohnehin nur grobe Schätzungen aufgrund von zeitlich und räumlich punktuellen Beobachtungen vor. Diese werden wahrscheinlich häufig dadurch verzerrt, dass einzelne Gruppen sich gerne länger in bestimmten Fjorden aufhalten und dort mehrfach gesehen werden.
Völlig unbekannt ist, wie das Verhältnis der Spitzbergen-Weißwale zu jenen in Franz-Josef-Land ist. Falls es sich um einen gemeinsamen Bestand handelt, wie bei Eisbären und Walrossen, müsste man die gesamte Bestandsforschung wohl neu aufrollen. Die wenigen Daten zur Migration von Weißwalen, die mithilfe von Markierungen und Sendern gewonnen werden konnten, weisen bislang zumindest nicht auf einen gemeinsamen Bestand hin, aber ausgeschlossen ist das dennoch nicht.
Gespräche und Arbeiten zu einer wahrscheinlich anstehenden, vorsichtigen Öffnung von Spitzbergen für Touristen laufen weiter. Eigentlich hatte man sich in Longyearbyen bereits bis Freitag oder Montag (11. Mai) ein Datum erhofft, von dem an erste Touren wieder laufen können, so weit ist man bislang aber noch nicht gekommen. Branchenintern hofft man, dass die ersten touristischen Angebote bereits am 1. Juni zugänglich werden können.
Gilt auf ganz Spitzbergen und wird uns auch noch eine Weile begleiten:
Corona-Quarantäne (Fotomontage).
Vor allem Touristen von außerhalb Norwegens sollten allerdings zunächst die Entwicklung weiter beobachten und das Kleingedruckte lesen. Wahrscheinlich – offizielle, belastbare Bestätigungen stehen noch aus – wird Norwegen laut der Zeitung Dagbladet über den ganzen Sommer für Zureisende eine Quarantäne aufrecht erhalten. Diese wird zwar wahrscheinlich von 14 auf 10 Tage reduziert, allerdings wird sie absehbar weiterhin für alle gelten, die nach Norwegen einreisen. Norweger und in Norwegen lebende Menschen werden sich wohl weitgehend auf Inlandsferien einstellen und sollen hier auch die Möglichkeit bekommen, Spitzbergen als Reiseziel zu wählen. Reisende von außerhalb müssten sich aber weiterhin auf eine mindestens 10-tägige Quarantäne einstellen – für viele wohl kaum realistisch. Das dies unabhängig von der Nationalität gilt, sondern vom Aufenthaltsort abhängig ist, ist das auch mit dem Spitzbergenvertrag konform.
Alle Arten organisierter Reisen setzen voraus, dass der Veranstalter einen dem Stand der Wissenschaft entsprechenden Hygieneplan vorlegen kann, der die Behörden überzeugt.
Das ist so etwa der Stand, der sich den diversen Nachrichten entnehmen lässt. Offizielle und verlässliche Entscheidungen stehen noch aus.
In den letzten Tagen gab es in Longyearbyen mehrere Treffen zwischen Vertretern der Tourismusbranche, Sysselmannen und anderen Behörden, um über Möglichkeiten für eine vorsichtige Wiederbelebung des Tourismus zu reden, von dem viele Arbeitsplätze abhängen.
Eine zentrale Frage ist die Ausarbeitung von Hygienevorschriften und anderen praktischen Maßnahmen, die die auch unter Seuchenschutzaspekten sichere Durchführung von Reisen ermöglichen würden. An einem Plan hierfür wird nun gearbeitet.
Sysselmannen Kjerstin Askholt betont, dass es sicher nicht um eine schnelle und vollständige Öffnung des Tourismus gehen wird, sondern um eine vorsichtige und schrittweise Annäherung an eine normale Situation. Die Sicherung der öffentlichen Gesundheit vor dem Hintergrund der begrenzten Bereitschafts- und Gesundheitsdienste Spitzbergens soll weiterhin höchste Priorität haben.
Angestrebt wird ein Datum, an dem eine erste Öffnung möglicherweise erfolgen könnte, damit die beteiligten Akteure Planungen machen können. Bislang ist ein solches Datum nicht bekannt.
Krankenhaus in Longyearbyen: Die Kapazitäten sind begrenzt und das nächste, größere Krankenhaus ist weit weg.
Unklar ist, welche Reiseformen zuerst eröffnet werden. Die Vermutung liegt nahe, dass man auf Reiseformen setzen wird, die nur sehr begrenzte Personenzahlen involvieren und auf die Umgebung bestehender Infrastruktur beschränkt sind. Ebenfalls ist unklar, inwieweit es weiterhin praktische oder eventuell sonstige Begrenzungen des grenzüberschreitenden Reiseverkehrs nach Spitzbergen geben wird.
UNIS hat angekündigt, wegen der Corona-Krise für den Rest des Jahres keine Bewerbungen für Kurse anzunehmen. Da es bisher noch keinen Covid-19-Fall auf Spitzbergen gibt, soll sichergestellt werden, dass die bereits vor Ort befindlichen Wissenschaftler, Lehrkräfte und Studenten ihre Forschung und Ausbildung möglichst ungestört weiter verfolgen können.
Gastvortrag von Maarten Loonen, dem Ny-Ålesund-Gänsemann aus den Niederlanden,
bei UNIS (Symbolbild).
Nur eine kleine Zahl von Studenten höherer Semester und Doktoranden soll unter Beachtung strenger Regeln die Möglichkeit bekommen, Feldarbeit für Abschlussarbeiten zu machen und dafür auch künftig noch anzureisen, nicht jedoch Studierende zur Teilnahme an regulären Kursen.